Was besprochen und was verschwiegen wird
Klimabuch „Hoffnung für Verzweifelte: Kühler Blick auf heiße Zeiten"
In der "Frankfurter Rundschau" vom 29. März 2024 erschien eine ausführliche Besprechung des Klimabuchs „Hoffnung für Verzweifelte“ von Hannah Ritchie (Piper, 2024). Zu diesem Artikel von Friederike Meier [1] schrieb Dr. Detlef Rohm, Umweltredakteur bei der Roten Fahne, einen Leserbrief an die Frankfurter Rundschau. "Rote Fahne News" dokumentiert ihn.
Die schottische Umweltforscherin wünscht sich in ihrem neuen Buch mehr Klimaoptimismus. Mut machen soll das Anschauen langfristiger Daten-Entwicklungen. Als positives Beispiel wird die in den letzten 200 Jahren gesunkene Kindersterblichkeit und die weltweit gestiegene Lebenserwartung angeführt. Daraus abzuleiten, mit der Umwelt wird es irgendwie schon gut werden, vergleicht jedoch Äpfel mit Birnen und ist zumindest naiv, wenn nicht eine mutwillige Täuschung. Würde sie nicht selbst gegen das von ihr gelobte Prinzip langfristiger Datenreihen verstoßen und alle Seiten im Zusammenhang und in Wechselwirkung betrachten, käme sie zu einer anderen Einschätzung.
So verbreitet Ritchie die trügerische Hoffnung wegen des leichten Absinkens der Pro-Kopf-Emissionen seit 2012, dass die Gesamtemissionen bald sinken werden. Die Gesamt-Emissionen stiegen aber in nüchternen Datenreihen von 1990 bis 2022 auf einen neuen Rekord von 37 Milliarden Tonnen. 2023 wurde ein globaler Rekordwert von 1,46 Grad Erderwärmung gemessen. Gewaltige unkontrollierbare Zerstörungs- und Selbstzerstörungsprozesse wie das unumkehrbare Abschmelzen des arktischen Meereseises, das Auftauen der Permafrostböden, haben inzwischen die begonnene Klimakatastrophe eingeleitet. Zusammen mit anderen überschrittenen Kipppunkten wie das Abholzen des Amazonas-Regenwaldes, der Vergrößerung des Ozonlochs und der Störung der Meeresströmungen und Jetwinde ist das ein qualitativer Sprung, der Beginn einer globalen Umweltkatastrophe. Hoffnung und Optimismus brauchen eine realistische Analyse. Wunschdenken führt in die Sackgasse und zu Resignation.
Ritchie hat Recht, dass der technologische Fortschritt - darunter die Erneuerbaren Energien - Chancen für einen Umstieg bieten. Doch sie macht die Rechnung ohne den Wirt. Die globale Gas- und Öl-Industrie und Energiekonzerne haben in Dubai neue schmutzige Geschäfte für die bis 2050 wachsenden Kohle-, Gas- und Ölmärkte abgeschlossen. Solange sie damit riesige Profite machen, sind für sie Solar- und Windstrom nur Zusatzgeschäft. Sie reißen für ihre Profite die Welt mutwillig und in vollem Bewusstsein in den Abgrund.
Ihre Botschaft an die wachsende Kapitalismuskritik in der Umweltbewegung ist: „Die Lösungen liegen auf dem Tisch – wir können viel mehr erreichen, wenn wir sie innerhalb unseres kapitalistischen Systems einsetzen, auf verantwortungsvolle Weise.“ Doch wie sieht die „verantwortungsvolle“ Umweltpolitik unter kapitalistischen Vorzeichen aus? LNG-Terminals für umweltschädliches Fracking-Gas, neue „sichere“ Atomkraftwerke?
Die überparteiliche Umweltstrategiekonferenz, die im April mit 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden hat, sah das anders, verbindet Umweltkämpfe mit Perspektive: „Die Zeit für Bewusstseinsbildung, Mut und Handeln ist jetzt! Wir brauchen einen gesellschaftsverändernden Kampf!"
Hanna Richtie macht, was derzeit viele Umweltforscherinnen und Publizisten machen. Sie greifen die Dramatik der begonnenen globalen Umweltkatastrophe auf, um ihr zugleich die Spitze und die notwendige Konsequenz für den gesellschaftsverändernden Umweltkampf zu nehmen. Damit tragen ihre Veröffentlichungen nicht zur Rettung der Lebensgrundlagen der Menschheit bei, sondern unterdrücken die notwendigen Schlussfolgerungen.
Den bisher umfassendsten Überblick über bereits eingetretene und noch mögliche qualitative Sprünge der krisenhaften Umweltentwicklung findet man im Buch „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ Es kommt zum Schluss: Der Kampf um eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft und den Aufbau des echten Sozialismus ist zu einer Überlebensfrage für die Menschheit geworden.
Dr. Detlef Rohm