Von SOLWODI aufgedeckt
Pflegekräfte aus Togo: Abgespeist mit Taschengeld des Bundesfreiwilligen-Diensts (Bufdi)
Bis zu 453 € Bufdi-Taschengeld beim Deutschen Roten Kreuz oder anderen karitativen Einrichtungen wirkt für aus Togo angeworbene Pflegekräfte wie ein kleines Vermögen. Denn in Togo liegt der Durchschnittsverdienst bei 75 € im Monat.
SOLWODI (SOLidarity with WOmen in DIstress) ist eine Menschenrechtsorganisation, die Frauen in Notsituationen hilft und darüber hinaus präventiv arbeitet. Seit 1985 ist SOLWODI Anlaufstelle für Frauen, die durch Armut, Menschenhandel und Sextourismus in die Prostitution gezwungen werden oder zwangsverheiratet in Deutschland leben.
Solwodi Baden-Württemberg hat vor kurzem die ungeheuerlichen Praktiken bei der Anwerbung von Pflegekräften aus Togo aufgedeckt: Frauen können sich für den Bufdi-Dienst bewerben in der Hoffnung, ein Visum nach Deutschland zu ergattern. Dabei sollte ein Kredit von 3049 € für die Vermittlung über eine "Agentur" mit einem Wucherzins von mehr als 36 Prozent in 48 Monaten zurück bezahlt werden.
Das One-Way-Flugticket kostete 900 €, der Deutschkurs in Togo 200 € beim Goethe-Institut in Lomé. 50 € gehen hier monatlich für den Kontakt zur Familie ins Heimatland drauf, oftmals werden die Familien noch finanziell unterstützt, so dass den Frauen um die 70 € monatlich bleiben. Eine togolesische Pflegekraft bringt es auf den Punkt: "Wir sind froh, dass die Alten ihre Teller nicht leer essen." (chrismon/monatlich erscheinende Zeitschrift der evangelischen Kirche vom April 2024, S.12)
Allen Frauen, die in Togo die gut ausgebildete und angesehene Arbeit als Krankenschwester oder Hebamme ausgefüllt haben, wird diese Ausbildung hier nicht anerkannt. Sie finden sich als Hilfskräfte wieder und müssen nach einem Jahr einen Stand in der Fremdsprache Deutsch auf B2-Niveau nachweisen. Erst dann können sie eine Ausbildung zur Pflegehelferin machen. Wie aber Sprachkurse absolvieren in angespannter beruflicher Tätigkeit, oft im Schichtdienst ohne Gelegenheit, die Sprache gründlich zu erlernen? Erst wenn diese Hürde überwunden ist, ist der Weg für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft frei.
Das Gejammer von Unternehmern und Politikern um Fachkräftemangel und den Pflegenotstand ist unehrlich. Die Frauen bekommen nicht die Unterstützung, die sie bräuchten. Vielmehr werden sie als Arbeitskräfte missbraucht, die zu einem tatsächlichen Hungerlohn arbeiten. Die Gefahr des Abgleitens in die Prostitution ist ganz real vorhanden. Es kostet viele Frauen äußerste Kraft und Überwindung, Hilfe wie z.B. bei Solwodi oder in den Gewerkschaften zu suchen. Viele bürokratische Hürden müssen überwunden werden, wo Einzelne heillos überfordert sind.
Mehr als 200.000 Pflegekräfte in Deutschland sind zugewandert - jede achte, die Zahl hat sich zwischen 2013 und 2021 ungefähr verdreifacht. Laut Sachverständigenrat für Integration und Migration stammen in der Altenpflege 24,9 % aus anderen Ländern, besonders häufig arbeiten sie auf Helferniveau, seltener als Fachkraft. In der Krankenpflege sind es 16,2 %. Sie kommen vor allem aus Polen, der Türkei, der Russischen Föderation, Kasachstan und Rumänien. Auch Geflüchtete, vor allem aus Syrien, arbeiten überdurchschnittlich häufig im Gesundheitswesen (chrismon 04.24,S.14).
Die Emigranten-Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) vom 15. Januar 2024 zeigt: Mehr als jeder Vierte verlässt Deutschland aus „finanziellen Gründen“, fast jeder Fünfte, weil er oder sie „unzufrieden mit dem Leben in Deutschland ist". Schwierigkeiten bei der Integration, Erfahrungen mit Diskriminierung, aufenthaltsrechtliche Probleme und schlechte Beratung tun dafür ein Übriges.
Portale wie "globalization partners" "make it in Germany" "work motion" versprechen das Blaue vom Himmel. Auf dubiose Versprechungen kann nicht gesetzt werden. Direkte Unterstützung, Zusammenschluss auf Grundlage des gemeinsamen Kampfes und Einbindung in organisierte Strukturen sind notwendig, damit die Frauen hier Teil der Arbeiterklasse werden können. Für den notwendigen Protest, direkten Erfahrungsaustausch und organisierende Absprachen ist der Frauenpolitische Ratschlag Anfang November genau das Richtige. Der Frauenpolitische Ratschlag war mit einer Repräsentantin des Frauennetzwerks Solwodi, der inzwischen leider verstorbenen Schwester Dr. Lea Ackermann, freundschaftlich und kämpferisch verbunden.