Rentnerinnen und Rentner gegen Altersarmut

Rentnerinnen und Rentner gegen Altersarmut

Stockelsdorf muss Schule machen - nach dem neuen "Rentenpaket" umso mehr!

Vorgestern hat die Ampel-Regierung ihr neues Rentengesetz beschlossen. Seine Notwendigkeit wird von den bürgerlichen Ökonomen und Politikern mit dem Schlagwort vom „demografischen Wandel“ begründet: Jetzt kämen die „Babyboomer“[1] ins Rentenalter, die Anzahl der Rentner steige also im Verhältnis zur Anzahl Berufstätiger immer mehr. Außerdem würden die Menschen heute älter als früher. Die bisherige Finanzierung der Renten reiche deshalb nicht mehr aus.

Von ba
Stockelsdorf muss Schule machen - nach dem neuen "Rentenpaket" umso mehr!
Rentnerdemo am 4. April für Inflationsausgleich

Anscheinend logisch ist also: Entweder müssen die Rentenbeitragssätze steigen, oder die Renten sinken, oder andere Finanzierungsquellen gefunden werden, bzw. müsste ein „Paket“ aus allem geschnürt werden. Solch ein „Rentenpaket“ hat die Regierung nun vorgelegt. Es sei „generationengerecht“ gelungen. Können sich nun jung und alt beruhigt zurück lehnen?

 

Wie unterdessen üblich, wird das Rentengesetz mit großspurigen Etiketten versehen. Stolz präsentierte es SPD-Bundesarbeitsminister Heil als „große Reform“. „Jahrhundertreform“ nennt es gar FDP-Fraktionschef Dürr. Und FDP-Finanzminister Lindner heftete es sich vor einiger Zeit  ganz bescheiden als „vielleicht größte Rentenreform seit Bismarck“ an die Brust. Schwere Geschütze fahren dagegen die Kritiker des Gesetzes auf. Der Spiegel hält es für ein 500-Milliarden schweres „Geschenk an die Seniorengeneration“, das die folgenden Generationen zu zahlen haben. „Das ist Gift im Kampf gegen den Abstieg des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ zetert u.a. der „Ökonom“ Nicolas Ziebarth. [2] Ins gleiche Horn stoßen die Vertreter der Kapitalistenverbände.

 

Was ist also dran an der „Renten-Revolution“ [3]? Stimmen die Lobpreisungen, oder haben die Kritiker recht? Um es gleich vorweg zu sagen: Weder – noch. Denn das eigentliche Problem ist gar nicht der demografische Wandel, sondern die ganze Art der bisherigen Finanzierung des Rentensystems. Es ist abhängig von der Lohnsumme der arbeitenden Bevölkerung. Die Arbeitsproduktivität ist in den letzten Jahrzehnten aber viel schneller als die Zahl der Rentner gewachsen. Gleichzeitig ist aber die Lohnsumme gefallen, die zur Berechnung der Rentenbeiträge dient. Dabei könnte heute ein Werktätiger  im Schnitt deutlich mehr Rentner ernähren als früher. Die Profite dagegen sind explodiert. Es geht in Wirklichkeit darum, wem der ständig steigende gesellschaftlich erarbeitete Reichtum eigentlich zugute kommt - und nicht um eine demagogisch eingeforderte „Generationengerechtigkeit“.

 

Bisher funktioniert das Rentensystem in Deutschland nach dem so genannten Umlageverfahren. Zur Hälfte zahlen die Beschäftigten und die Unternehmen Rentenbeiträge von zusammen 18,6 Prozent des Bruttolohnes. Dadurch flossen 2023 in die Rentenkasse etwa 290 Milliarden Euro. Die Renten mussten aber darüber hinaus mit etwa 120 Milliarden Euro staatlich bezuschusst werden. Mit dem „demografischen Wandel“ funktioniert daher trotz steigender Rentenbeiträge und systematischer Absenkung des Rentenniveaus um 20 Prozent in den letzten Jahren das Umlageverfahren immer weniger. 

 

Als ob das sein Riesenverdienst sei, verkündete Hubertus Heil gestern, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2039 bei 48 Prozent gehalten werden soll. Na toll! Und danach? Dabei gilt es sowieso nur für Versicherte, die bei der Regelaltersgrenze 45 Beitragsjahre geleistet und dabei genau das Durchschnittsgehalt verdient haben. Dieses Niveau erreicht der überwiegende Teil der Rentner und besonders der Rentnerinnen also gar nicht. Stattdessen müssen über ein Drittel der dauerhaft Vollzeitbeschäftigten mit einer Rente unter 1200 Euro leben. Nach viel dramatischer sieht es für die Teilzeitbeschäftigten aus. Gleichzeitig sacken sich Top-Manager oft mit hoher krimineller Energie Pensionen von mehreren Tausenden Euros täglich (!) ein – von den Reichtümern, die die Arbeiter erwirtschaftet haben. Wer lebt denn hier auf wessen Kosten? Außerdem: Dieses Niveau ist von Haus aus zu niedrig! Die MLPD fordert in ihrem sozialpolitischen Kampfprogramm: "Erhöhung des Rentenniveaus auf 70 Prozent des Nettoverdiensts!"

 

Finanziert werden soll das Rentenniveau von 48 Prozent einerseits durch steigende Beiträge. Der aktuelle Rentenbeitrag soll zwar bis zum Jahr 2027 gleich bleiben, aber ab 2028 auf 20 Prozent und ab 2035 auf 22,3 Prozent steigen. Das macht für Arbeiterfamilien im Schnitt pro Jahr 1500 Euro mehr an Beiträgen aus. Trotzdem kann das die rapide auf mindestens 600 Milliarden jährlich weiter steigenden Rentenausgaben bis 2040 nicht decken. Das eigentlich Neue der Rentenreform ist daher, dass durch vom Staat angekaufte Aktien ein demagogisch als „Generationenkapital“ bezeichneter Fonds in Höhe von 200 Milliarden Euro gebildet wird, aus dessen Erträgen später teilweise die Renten finanziert werden sollen. Die Finanzinstitute reiben sich schon die Hände.

 

Jahr für Jahr soll der Fonds mit staatlichen Mitteln – also aus den Steuereinnahmen der Beschäftigten – um 10 Milliarden Euro aufgestockt werden. Die Höhe dieser Aufstockung ist nicht einmal ein schlechter Scherz. Auch die Endsumme des Fonds ist - selbst bei hohen Erträgen - bei Weitem nicht ausreichend zur dauerhaften Finanzierung der Renten. Das „Generationenkapital“ kann außerdem verzockt oder durch einen Börsencrash entwertet werden. Die Rente vom Auf und Ab der kapitalistischen Wirtschaft abhängig zu machen, sichert nicht die Rente, sondern macht sie zum Spielball der Spekulation. Beim häufig zitierten positiven Beispiel Schweden [4] kam es bereits mehrfach zu Rentenkürzungen. Zudem müssen die Arbeitenden dort selbst den Kapitalfonds finanzieren.

 

Außerdem ist ein Ende der aktuellen Weltwirtschafts- und finanzkrise nicht in Sicht. Den Herren in den Chefetagen geht daher das Rentenpaket nicht weit genug. Denn die Lösung der wirtschaftlichen Probleme Deutschlands sei eine massive „Entlastung“ der Kapitalisten. Die Kapitalisten wollen weder Renten- noch sonstige Sozialversicherungsbeiträge weiter zahlen. Das ganze Rentensystem soll durch private Vorsorge der Beschäftigten oder durch den staatlichen Aktienfonds finanziert werden. FDP-Finanzminister Lindner träumte daher gleich noch vom weiteren Rentenpaketen. Nächstes Vorhaben: Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

 

Die ganze Rentenreform ist ein großer Betrug. Sie dient als Beruhigungspille für die Masse der Bevölkerung. Sie macht die Renten nicht sicherer und belastet Arbeitende und  Rentner zusätzlich. Zweck ist die Sicherung maximaler Profite vor allem für die großen Konzerne. Ein wirklicher „Systemwechsel“ bei der Altersvorsorge wäre eine Abkehr von dem bisherigen Umlageverfahren. Eine Forderung der MLPD ist, dass die Rentenbeiträge, wie überhaupt die gesamten Sozialversicherungsbeiträge, allein und zu 100 Prozent durch die Kapitalisten in Form einer umsatzbezogenen Sozialsteuer finanziert werden. Für solch einen Wechsel der Rentenfinanzierung sollte die Arbeiterbewegung sich stark machen.

Stockelsdorf muss Schule machen!

Im April 2024 veröffentlichten wir auf Rote Fahne News eine Korrespondenz über eine bemerkenswerte Initiative. Gerade jetzt muss sie Schule machen!

 

"Im Großraum Lübeck-Ostholstein haben sich unsere Aktionen mit den Seniorenbeiräten der Stadt Lübeck und Stockelsdorf nicht auf das Sammeln von Unterschriften bei internen Veranstaltungen beschränkt und offensichtlich einen Nerv getroffen. Bisher sind in Schleswig-Holstein über 10.000 Unterschriften zusammengekommen. ... Der Seniorenbeirat der rund 17.000 Einwohner zählenden Gemeinde Stockelsdorf in der Nähe von Lübeck machte Nägel mit Köpfen: Am 4. April gingen rund 1000 Menschen, vor allem Rentnerinnen und Rentner, für einen Inflationsausgleich in Höhe von 3000 Euro auf die Straße.


Auf der Kundgebung sagte der Vorsitzende des Seniorenbeirats Stockelsdorf: "Wir haben festgestellt, dass dieser Inflationsausgleich dringend erforderlich ist, da seit 2021 die Rentenerhöhungen unter der Inflationsrate liegen". Heiz- und Energiekosten, Mieten, Medikamente und vor allem Lebensmittel seien sehr viel teurer geworden. Bei vielen Rentnerinnen und Rentnern reiche das Geld nicht mehr bis zum Monatsende. Bei vielen sei auch das mühsam Ersparte aufgebraucht."

 

Hier die Korrespondenz in voller Länge