Breite Demokratie für die Massen? Fehlanzeige

Breite Demokratie für die Massen? Fehlanzeige

Heute vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz verkündet

In Berlin fand heute ein Staatsakt statt: Vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949, wurde das deutsche Grundgesetz verkündet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt die zentrale Rede beim heutigen Staatsakt, 1000 Polizisten waren im Einsatz. Am Wochenende lädt dann die Bundesregierung zum großen "Demokratiefest" rund ums Kanzleramt und den Bundestag ein.

Von gis
Heute vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz verkündet
Max Reimann (links) während einer der Sitzungen des Parlamentarischen Rats, in dem das Grundgesetz beraten und schließlich beschlossen wurde

"Dieses Grundgesetz ist die Grundlage dafür, dass in unserem Staat Freiheit und Demokratie und Recht das Zusammenleben bestimmen", so Steinmeier auf der Webseite seines Amtes. Diese Lobeshymne auf die so genannte freiheitlich-demokratische Grundordnung ist krass beschönigend. Die Freiheitlichkeit des Grundgestzes hält sich in den engen bürgerlich-demokratischen Grenzen, die zudem täglich gegen reaktionären Abbau verteidigt werden müssen. 2020 wandte sich der Historiker Norbert Frei ausdrücklich gegen den Vorschlag, den 8. Mai als Tag der Befreiung zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Er hält den 23. Mai, den Tag der Verkündung des Grundgesetzes, für geeigneter. Am 23. Mai stünden weder der proletarische Widerstand in Deutschland und Europa noch der heldenhafte Beitrag der Sowjetunion zur Befreiung vom Hitlerfaschismus noch die Lehren für heute im Mittelpunkt des Gedenkens.

Wie kam es zum Grundgesetz?

Die sozialistische Sowjetunion unter Führung Stalins war die Hauptkraft beim Sieg der Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg und der Zerschlagung des Hitlerfaschismus. Das Potsdamer Abkommen sah für die Zukunft Deutschlands einen einheitlichen, demokratischen und friedlichen deutschen Staat vor. Das deutsche Monopolkapital, in dessen Auftrag Hitler den barbarischen Zweiten Weltkrieg entfesselt hatte, sollte nicht mehr an die Macht kommen, der Faschismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. In der sowjetisch besetzten Zone, aus der die DDR hervorging, wurde das in Angriff genommen. Die "Grundsätze und Ziele der SED" vom 22. April 1946 beginnen mit der Feststellung: "Die Sicherung des Friedens, der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und die Erhaltung der Einheit Deutschlands erfordern die Vernichtung der Überreste des Hitlerfaschismus und die Liquidierung des Militarismus und Imperialismus." (Dokumente zur Geschichte der DDR, dtv 1987).

 

Der US- und der englische Imperialismus jedoch verfolgten eine andere Deutschlandpolitik und verwirklichten sie Stück für Stück bereits ab 1946. "Aus den westlichen Besatzungszonen sollte ein antikommunistisches Bollwerk gegen das Vordringen des Sozialismus werden", heißt es im Artikel zu 75 Jahre Grundgesetz im aktuellen Rote-Fahne-Magazin 11/2024. "Dazu installierten die Militärbehörden 1948 einen 'Parlamentarischen Rat' aus Angehörigen der bestehenden Landesparlamente. Umgehend forderten die zwei beteiligten Vertreter der KPD, Max Reimann und Hugo Paul, die Arbeit an der Erstellung einer Separatverfassung einzustellen. Aber vergeblich – am 8. Mai 1949 wurde das Grundgesetz mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen, vier Tage später durch die Militärgouverneure gebilligt und am 23. Mai von dem CDU-Politiker Konrad Adenauer offiziell verkündet."

"Ich unterschreibe nicht die Spaltung Deutschlands"

Max Reimann, 1948 Vorsitzender der KPD und einer ihrer Vertreter im Parlamentarischen Rat, erklärte zu seiner Ablehnung des Grundgesetzes: „Ich unterschreibe nicht die Spaltung Deutschlands.“ Weitsichtig stellte er darüber hinaus fest: „Wir Kommunisten aber werden die im Grundgesetz verankerten wenigen demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes verteidigen.“ (Zitiert nach: „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, Kapitel XII, Dietz Verlag Berlin 1968, S. 328). So geschah es: Sowohl beim Kampf um die Einheit Deutschlands wie beim Kampf um Erhalt und Erweiterung der bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten waren die Kommunisten die treibende Kraft.

 

In Westdeutschland gab es eine breite Bewegung für die Herstellung der deutschen Einheit, die Sowjetunion trat ebenfalls dafür ein. Die Westmächte jedoch vollzogen die Spaltung. Ein vorläufig letzter Versuch, diese Spaltung rückgängig zu machen, war die Note Stalins vom 10. März 1952, in der die Sowjetunion anbot: "Wiederherstellung Deutschlands als einheitlicher Staat und zwar in den Grenzen, die durch die Potsdamer Konferenz der Großmächte festgelegt wurden. Selbstverpflichtung Deutschlands, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat.
Abzug sämtlicher Besatzungstruppen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrags, an dessen Vorbereitung eine gesamtdeutsche Regierung teilnehmen sollte." (Steininger, Eine vertane Chance, Bonn 1985, Seite 9). Adenauer und die Westmächte wiesen dieses großzügige Angebot, das dem proletarischen Internationalismus entsprang, zurück. Auch die revisionistisch entartete Partei- und Staatsführung der DDR nach 1956 gab das Ziel der Wiedervereinigung auf. Sie leugneten fortan die Existenz einer einheitlichen deutschen Nation. Im heute wiedervereinigten Deutschland hat die Arbeiterklasse beste Voraussetzungen, gemeinsam Lehren zu ziehen für eine sozialistische Zukunft.

Kampf gegen Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten dringender denn je

Das Grundgesetz enthält wichtige bürgerlich-demokratische Rechte der Massen, darunter Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, die ständig verteidigt werden müssen. Die Vorbereitung eines Angriffskriegs ist nach Artikel 26 verfassungswidrig. Was aber ist die bedingungslose Unterstützung des imperialistischen Israel gegen die palästinensische Bevölkerung anderes als die Beihilfe zu einem Angriffskrieg und zum Völkermord?

 

Festgeschrieben wird im Grundgesetz Artikel 14 auch das kapitalistische Privateigentum an Produktionsmitteln: "Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt." Ein Streikrecht für die Arbeiter gab es ausdrücklich nicht. "Seitdem haben die verschiedenen Regierungen viele der enthaltenen bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten systematisch eingeschränkt: 1956 wurde die KPD als „verfassungswidrig“ verboten, 1968 konnte die CDU in Großer Koalition mit der SPD die Aufnahme von Notstandsverordnungen ins Grundgesetz durchsetzen, 1990 wurden mit Zustimmung der Grünen auch Auslandseinsätze der Bundeswehr grundgesetzkonform – alles in allem eine Gesetzesordnung ganz im Sinne der Imperialisten!" (Aus dem zitierten Artikel im Rote-Fahne-Magazin 11/2024).

 

In krassem Widerspruch zur heutigen Demokratie-Heuchelei in Berlin steht der Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten durch die Bundesregierung und die Länderregierungen in Deutschland. Gestern erschien der "Grundrechtereport 2023". Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) bei der Vorstellung des 250 Seiten umfassenden Reports: "Unsere Grundrechtsordnung ist Gefährdungen ausgesetzt, wie ich sie noch nie in meinem Leben erlebt habe." Augenfällig, so Baum, wird der repressive Trend besonders am Umgang mit den Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" (LG). Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat erst in den letzten Tagen Anklage gegen fünf Aktivisten erhoben und ihnen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung unterstellt. Auch die Unterdrückung des revolutionären Umweltbuchs der MLPD spricht Bände.

 

Die MLPD und das Internationalistische Bündnis sind Pioniere und Vorkämpfer im Kampf für den Erhalt und die Erweiterung bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten. Gerade weil sie für eine Gesellschaftsordnung jenseits des Grundgesetzes eintreten, für den echten Sozialismus.