Europawahl
Stefan Engel: An die oberste Zensurbehörde von Abgeordnetenwatch
Die Plattform Abgeordnetenwatch und der dazugehörige Kandidierendencheck behaupten auf ihrer Homepage, sie würde für Transparenz und gute Informationen für die Wählerinnen und Wähler sorgen. Stefan Engel und weitere Kandidatinnen und Kandidaten der Internationalistischen Liste/MLPD zur Europawahl machen da ganz andere Erfahrungen. "Rote Fahne News" dokumentiert einen Brief von Stefan Engel an die oberste Zensurbehörde von Abgeordnetenwatch.
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit protestiere ich entschieden gegen die Zensur meiner Antworten zu Fragen an mich als drittplatziertem Kandidaten der Internationalistischen Liste/MLPD zur Europawahl 2024 durch Ihr „Moderatorenteam“. Ich habe alle an mich gestellten neun Fragen beantwortet. Vier Antworten davon – also fast 45% - wurden von Ihnen nicht freigeschaltet. Wahrheitswidrig und diffamierend suggerieren Sie damit, dass ich diese nicht beantwortet hätte. So erscheint dort jeweils „Antwort ausstehend von Stefan Engel“, obwohl Ihnen meine Antwort längst vorliegt und Ihnen das auch bekannt ist. Keine einzige meiner Aussagen enthält irgendwelche Unwahrheiten, Beleidigungen oder strafrechtlich relevante Inhalte. Sie maßen sich überheblich an, meine Antworten willkürlich zu zensieren.
So habe ich der Behauptung, Stalin und Mao wären „Massenmörder“ berechtigt widersprochen und das als „Propagandalüge“ bezeichnet. Ich habe in meiner Antwort sachlich darauf hingewiesen, dass in der heutigen bürgerlichen Geschichtsschreibung sogar sämtliche bis zu 70 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs Stalin zugeschlagen werden, obwohl dieser Krieg immerhin von den deutschen Faschisten vom Zaun gebrochen wurde. Darauf gehen Sie mit keinem Wort ein. Sie fordern mich dagegen allen Ernstes dazu auf, dass ich beweisen muss, dass sämtliche diesbezüglichen Unterstellungen unwahr seien. Dabei wissen Sie ganz genau, dass das auf den wenigen Zeilen, die man für eine Antwort zur Verfügung hat, unmöglich ist. Außerdem: Nach allen bürgerlich-demokratischen Grundsätzen, die jedes bürgerliche Gericht beachten würde, müsste aber jemand, der eine solche Behauptung und Diffamierung in die Welt setzt, belegen, dass die Behauptung vom „Massenmörder“ zutreffend ist, und nicht der Kritiker daran. Ich verwahre mich gegen Ihre Art der Beweislastumkehr. Kein internationales Gericht hat jemals dazu entsprechende Feststellungen getroffen.
Sie wissen so gut wie ich, dass nach dem Zweiten Weltkrieg ein Drittel der Menschen in sozialistischen Ländern lebte, dort der Hunger überwunden, eine vorbildliche Friedenspolitik gemacht wurde und dergleichen. Dass es neben großartigen Errungenschaften und Fortschritten im sozialistischen Aufbau auch gravierende Probleme und bis zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit gab, ist kritischer Bestandteil unseres Programms. Das macht Stalin und Mao Zedong noch längst nicht zu „Massenmördern“. Die These von den „Massenmördern“ Stalin und Mao Zedong ist zentraler Bestandteil der bürgerlichen Ideologie und des bürgerlichen Antikommunismus – aber deshalb darf ich sie als Repräsentant der proletarischen Weltanschauung ja wohl noch kritisch hinterfragen!
Des weiteren zensieren Sie die wissenschaftlichen Begriffe von „internationalen Monopolen“ oder auch der EU als „imperialistischer Block“. Wenn Ihnen die Terminologie des wissenschaftlichen Sozialismus vollkommen fremd ist, dann disqualifiziert das Sie als Betreiber einer angeblich überparteilichen Plattform zur Befragung von Abgeordneten und Kandidaten für Wahlen.
Ich habe in meinem Buch „Götterdämmerung über der neuen Weltordnung“ ausführlich die Entstehung und Entwicklung internationaler Monopole behandelt. Monopole entstanden im Übergang zum Imperialismus und wurden von Lenin erstmals genauer untersucht. Sie schalten in einem Land die Konkurrenz aus und gehen zur Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Werktätigen in anderen Ländern über. Mit der Internationalisierung des Kapitalismus entstand ein Tendenz zur Herausbildung internationaler Monopole, bei denen der Kapitalexport und die Weltmarktbeherrschung immer mehr im Mittelpunkt standen.
In meinem vorgenannten Buch heißt es dazu: „2001 berichtete die UNO-Organisation UNCTAD bereits über 65 000 multinationale Konzerne mit 850 000 Tochtergesellschaften. Die Anzahl der Mutterkonzerne war seit 1969 sprunghaft auf das Neunfache angewachsen, die Zahl der Tochterunternehmen sogar auf das 31-fache. Multinationale Konzerne bestritten bis zum Jahr 2000 70 Prozent des Welthandels und 80 Prozent der weltweiten Investitionen. Bereits 1997 hatten sie ihren Anteil an der Weltproduktion auf über 25 Prozent erhöht. So wie Lenin in den Monopolen den »Übergang vom Kapitalismus zu einer höheren Ordnung« aufdeckte (Lenin, Werke, Bd. 22, S. 270), so führte die Herrschaft internationaler Übermonopole über die kapitalistische Weltproduktion zu einer neuen, höheren Ordnung. Es kam zu einer umfassenden Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion.“ (S. 28f.)
„Zu den weltmarktbeherrschenden internationalen Monopolen gehören heute die 500 größten Industrie-, Bank-, Versicherungs- und Handelsmonopole der Welt. Lenin nannte sie »Übermonopole«, weil sie eine solche Stellung im Kreis der nationalen Monopole einnehmen, dass sie diese ihren ökonomischen und politischen Interessen unterwerfen können. Im Jahr 2000 kamen die 500 Übermonopole der Welt zusammen auf einen Umsatz von 14 Billionen US-Dollar. Das entspricht rund 45 Prozent – also fast der Hälfte – des Weltsozialprodukts.“ (S. 41f.)
Heute prägen 114.000 internationale Monopole mit rund 900.000 Tochterfirmen, davon etwa 500 internationale Übermonopole als führende Schicht des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals, das Gesicht der Weltwirtschaft1. Das ist eine monopolistische Ausprägung der kapitalistischen Produktion in ungeheurem Ausmaß
Diese Analyse von mir wird mittlerweile in 62 Ländern vertrieben und ist in elf Sprachen übersetzt. Sie wird von renommierten Soziologen oder Medienschaffenden wegen ihrer wissenschaftlichen Analyse hochgeschätzt und gewürdigt. So führte Professor Jean Ziegler, bekannter Autor und langjähriger UNO-Kommissar für das Recht auf Nahrung aus: "Das Buch von Herrn Engel ist großartig - Punkt! Was soll ich mehr dazu sagen. Ich habe bei jedem Abschnitt zustimmend genickt ..."
Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Ihr Team keine vertiefte Ahnung von marxistischer Gesellschaftsanalyse und wissenschaftlichem Sozialismus hat. Ich werfe Ihnen aber vor, dass Sie solche wissenschaftlich begründeten Standpunkte ihrer gutsherrlichen Zensur unterstellen. In Unkenntnis soll dieser Fragen wäre auch etwas mehr Bescheidenheit angezeigt, statt sich als Oberzensor von regierungskritischen und kapitalismuskritischen Positionen aufzuspielen.
Des Weiteren bemängeln Sie, dass ich von der EU als „imperialistischer Block“ spreche. Entschuldigen Sie, aber das ist doch in guten Teilen der Bevölkerung sogar Konsens. In Großbritannien war es ein Hauptargument der Gewerkschaften für den Brexit. Es geht schlicht darum, dass die EU als ein imperialistischer Block weltweit agiert, sich Rohstoffe aus neokolonial abhängigen Ländern aneignet, massiven Kapitalexport betreibt und die EU sich aggressiv ausdehnt. Das war in der Ukraine so, das ist jetzt in Georgien so und das wird auch weiterhin der Fall bleiben.
Bei anderen Kandidierenden der Internationalistischen Liste/MLPD untersagen Sie völlig willkürlich die Verwendung von Begriffen wie „Völkermord“ in Gaza, „Weltkriegsvorbereitung“ o.ä. Darf man denn bei Ihnen eigentlich allen Ernstes nur noch vertreten, was der Regierungslinie entspricht? Was hat das mit Ihrem selbstgewählten Anspruch zu tun, überparteilich zu sein und für die demokratische Information der Öffentlichkeit zu sorgen?
Es ist an Dreistigkeit schwer zu überbieten, wie Sie sich hier zum obersten Zensor aufspielen. Ich protestiere dagegen, wie Sie nach Gutsherrenart ihre eigene Meinung über die wohlbegründete Meinung von Kandidierenden stellen. Immerhin bin ich ein zur Wahl stehender Kandidat, der demokratisch aufgestellt wurde. Ihre NGO ist dagegen ein selbsternanntes Gremium mit Monopolcharakter und immer strammer antikommunistisch ausgerichtet. Ich bestehe darauf, dass meine Antworten sofort veröffentlicht werden.
Und ich fordere, dass das Konsequenzen hat! Entweder sind es Ausrutscher des Moderatorenteams, oder es geht von Ihrem Leitungsgremium aus. Wer auch immer verantwortlich ist, müsste bei etwas Anstand umgehend von seinem Amt zurücktreten. Wer nämlich keinerlei sachliche Qualifikation zur Beurteilung von Beiträgen hat, darf das noch lange nicht durch blindwütigen Antikommunismus ersetzen.
Stefan Engel
Von Abgeordnetenwatch zensierte Antwort von Stefan Engel zur imperialistischen EU
Von Abgeordnetenwatch zensierte Antwort von Stefan Engel zur Politik der MLPD zur sozialen Lage