Steigende Insolvenzzahlen

Steigende Insolvenzzahlen

Anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise fordert Tribut

Wir erleben zurzeit den Beginn einer Insolvenzwelle. Die Zahl der Insolvenzen¹ ist im Jahr 2023 auf 17.814 gestiegen. Das war gegenüber 2021 ein Anstieg um fast 35 Prozent. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 stiegen die Insolvenzen auf ihren bisher höchsten Stand mit 32.687.² Die Firmenpleiten erfassten 2023 auch immer größere Betriebe – es gab über ein Drittel mehr Großinsolvenzen¹ ³ als im Jahr zuvor. Auch weltweit steigt seit drei Jahren die Zahl der Insolvenzen. Die Tendenz zeigt eine ansteigende Kurve. Global zeichnet sich im Jahr 2024 ein Anstieg um 9 Prozent ab.

Von ba
Anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise fordert Tribut
Ein Sinnbild für ein Insolvenzdesaster: Galeria Karstadt Kaufhof. Hier die seit 2020 geschlossene Filiale in Mainz (foto: BankenSusanne (CC BY-SA 4.0))

Insolvente Firmen können nicht nur ihre Schulden bei den Banken nicht mehr begleichen, in der Regel zahlen sie auch keine Löhne mehr. Dann muss beim Arbeitsamt „Insolvenzgeld“⁴ beantragt werden, das für drei Monate bezogen werden kann. Solange muss auch weiter gearbeitet werden – sofern die Belegschaft nicht mit einem Streik den Kampf um jeden Arbeitsplatz aufnimmt. Eine insolvente Firma wird entweder verkauft oder dichtgemacht. Dann verliert die ganze Belegschaft oder ein Teil davon ihre Arbeitsplätze. So haben die Käufer der insolventen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bisher 16 Filialen von 92 geschlossen und von den 12.800 Kolleginnen und Kollegen stehen jetzt 1400 auf der Straße. Oft werden solche Firmen aber auch nur aufgekauft, um unter dem Deckmantel von sogenannten „Zukunfts-“ oder „Sanierungsverträgen“ mit den „Filetstücken“ des aufgekauften Konzerns durch Entlassungen und Lohnkürzungen noch so viel Profit wie möglich herauszuschlagen. Meist folgen weitere Schließungen von Filialen bzw. die „Abwicklung“, das heißt, das Restvermögen wird an die Gläubiger aufgeteilt, während die Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten meist in die Röhre gucken.

 

Bisher betreffen die Insolvenzen zum großen Teil Firmen, die schon zu Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise ab Mitte 2018 kurz vor dem Ruin standen, aber im Zuge der Corona-Krise durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im April 2020 und durch zusätzliche staatliche Hilfen „gerettet“ wurden. Im Mai 2021 wurde diese Antragspflicht wieder aktiviert. Ab 2022 waren die stark gestiegenen Zinsen für die in den Jahren vorher aufgenommenen Firmenkredite, die Konzentration von Geldern und die höheren Energiepreise vielfach der Auslöser für Insolvenzen. Lapidar heißt es bei bürgerlichen Experten, dass „viele Geschäftsmodelle nur unter Annahme von niedrigen Zinsen bestehen“ könnten.⁵ Und staatliche Milliardensubventionen erhalten nur noch die „systemrelevanten“ Großkonzerne. Eine neue „Notlage“ will die Ampel-Regierung auch nicht wieder ausrufen – „muss“ sie doch mit Hunderten Milliarden Euro die Aufrüstung finanzieren.

 

2024 wird daher mit deutlich steigenden Zahlen, d.h. mit 20.000 bis 25.000end Insolvenzen gerechnet.⁶ In den nächsten ein bis zwei Jahren wird voraussichtlich vor allem die Anzahl der Einzelhandelsgeschäfte drastisch sinken. Etwa 5000 Schließungen sind wahrscheinlich. Die größeren Insolvenzen wie von Galeria Karstadt Kaufhof, Maredo oder Peek & Cloppenburg werden sich auch auf andere Geschäfte in den Innenstädten negativ auswirken. In der Gesundheitsbranche, insbesondere in den Krankenhäusern, ist ebenfalls der Beginn eines profitorientierten Konzentrationsprozesses zu beobachten – mit Krankenhausschließungen bzw. Zusammenlegungen, die eine deutlich verschlechterte Versorgung mit sich bringen.

 

Die Insolvenzentwicklung hat sich in den ersten drei Monaten 2024 schon deutlich verstärkt. „Allein im März 2024 mussten 1297 Firmen in Deutschland Insolvenz anmelden. Seit Beginn dieser Erhebungen im Jahr 2016 gab es noch nie so viele Firmenpleiten in einem Monat. …. Damit liegt das Ergebnis im März um 35 Prozent höher als im März 2023 ...“⁷. Durch die Krise im Bau- und im Immobiliensektor kam es dort zum höchsten Anstieg: von 353 Insolvenzen seit der Corona-Krise Anfang 2020 auf 510 Anfang 2024. Dagegen mussten bisher „nur“ 339 Industriebetriebe im ersten Quartal 2024 Insolvenz beantragen. Das ist ein relativ leichter Anstieg um 5 Prozent gegenüber 2020. Das heißt, dass die Pleitewelle bei den industriellen Kapitalisten erst beginnt. Aber durch die zehn größten Unternehmensinsolvenzen im Februar und im März sind schon jeweils etwa 11.000 Kolleginnen und Kollegen betroffen. Diese Zahl liegt um ca. 42 Prozent höher als in Vergleichsmonaten vor 2020. Das bedeutet, dass die Insolvenzwelle immer größere Firmen erfasst und zum Teil mit Massenentlassungen verbunden ist.

 

Die Kapitalvernichtung im Zuge der Weltwirtschafts- und Finanzkrise in Form von Firmenpleiten steigt also an. Das wird verstärkt die Industriebetriebe und auch größere Konzerne erfassen. Der Kampf um jeden Arbeitsplatz und für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich - gegebenenfalls auch für gleichwertige Ersatzarbeitsplätze - muss also verstärkt aufgenommen werden. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise mit ihren immer drastischeren Folgen für die arbeitende Bevölkerung zeigt zugleich immer deutlicher die Untauglichkeit des ganzen kapitalistisch-imperialistischen Systems.