Leserbrief

Leserbrief

"Zwischen dieser Formalität und der Praxis lagen noch Welten"

Ein Leser aus Dresden schrieb zum Rote-Fahne-News-Artikel "Vor 67 Jahren: Bundestag beschließt formale Gleichstellung von Mann und Frau" an die Redaktion; "Rote Fahne News" dokumentiert den Leserbrief.

Liebe Freunde,

 

ein paar Sätze zu dem Artikel vom 5. Mai "Vor 67 Jahren: Bundestag beschließt formale Gleichstellung von Mann und Frau".

 

Es ist historisch zwar korrekt, dass das Gesetz 1957 beschlossen wurde, doch lagen zwischen dieser Formalität und der Praxis noch Welten: Bis in die 1970er-Jahre erhielten berufstätige Frauen bei Eheschließung die Kündigung und einen neuen Arbeitsvertrag, den der Ehemann unterschreiben musste. Sprich: Berufstätig sein durften sie, aber nur mit seiner Genehmigung. (Quelle: authentische Erfahrungsberichte von Frauen in Nordrhein-Westfalen).

 

Und da in diesem Artikel etwas fehlt, was sonst gern mal angewendet wird, nämlich die Gegenüberstellung der Zustände in der BRD und der DDR: Seit 1952 durften Frauen in der DDR ohne vorherige Erlaubnis durch einen männlichen Familienangehörigen oder Vormund Berufe erlernen bzw. berufstätig sein. UND: Gewalt in der Ehe wurde bereits da als Straftat deklariert.

 

Letzteres wurde im Sommer 2000 im Bundestag dahingehend diskutiert, ob nach BRD-Recht Gewalt in der Ehe strafbar sein soll oder nicht, ob man das ändern solle. Beschlossen wurde, dass Gewalt in der Ehe ein Straftatbestand ist, erst im Winterhalbjahr 2002/03. Zwar wurde bereits 1997 Vergewaltigung in der Ehe zum Straftatbestand erklärt (unter anderem stimmte Friedrich Merz (CDU) dagegen), aber schlagen "durfte" man nach bundesdeutscher "Rechtsprechung" seine Frau auch weiterhin.

 

Und bis das in den Köpfen ankam, unter anderem bei Mitarbeiterinnen von Jugendämtern, das dauerte nochmals Jahre. Noch 2009 war einer Bekannten meiner Ehefrau, in NRW lebend, von der zuständigen Sozialarbeiterin auf dem Jugendamt die Härtefallscheidung ausgeredet worden, die ihr laut Gesetz angesichts des zum Zuschlagen neigenden Ehemannes zugestanden hätte.

 

Diese Ergänzung halte ich zu dem benannten Artikel für notwendig.