Berlin
Internationalismus live mit israelischen Revolutionären und Pro-Palästina-Aktivisten im Treff International
„Eine solche Berichterstattung über das Bewusstsein der Massen in Israel, ihre Gefühle und den Kampf gegen die Regierung und den Krieg ist ein echter Trumpf,“ so das Fazit einer Teilnehmerin.
Während des Berlin-Besuchs zweier junger Aktivisten aus Israel fand letzte Woche in Berlin eine Veranstaltung zur aktuellen Situation dort statt. Zuvor hatten sie auch an der Strategiekonferenz „Arbeiter- und Umweltbewegung gemeinsam“ in Potsdam teilgenommen. Sie berichteten von dem Kampf, den 100.000 Israelis gegen die sogenannte Justizreform 2023 führten, ebenso wie aktuell für die Freilassung der Geiseln, die noch in den Händen der Hamas sind, und einen Waffenstillstand. Sie selbst setzen sich in diesen Bewegungen mutig für die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf und gegen den Völkermord Israels ein.
Über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten die Solidaritätslieder des Straßenmusikers Nümmes und die Live-Berichte und diskutierten mit. Die Solidarität zwischen arabisch-palästinensischen und jüdischen Menschen in Israel und Palästina kam auch kulinarisch zum Ausdruck. So hatten die israelischen Besucher selbstgemachtes Tabouleh, Baba Ghanoush und Shakschuka [1] gekocht. Zusammen mit der Spendensammlung kamen so insgesamt 374 Euro zusammen – aufgeteilt für die Spendensammlung „Gaza soll leben“ und die Reisekosten.
Während der lebendigen Berichte hatte man immer wieder den Eindruck, selbst mitten drin zu sein. Es gab viele Parallelen zu den Erfahrungen im Kampf gegen die faschistische Tendenz von Regierung und Monopolen international. Die über rund 40 Wochen stattfindenden Massenproteste gegen die geplante "Justitzreform" der Netanjahu-Regierung waren in der Hauptseite eine antifaschistische Bewegung. Die große Masse der Teilnehmer ging jeden Samstag für den Erhalt demokratischer Rechte und Freiheiten auf die Straße. Zugleich fehlte ihnen vielfach die Klarheit über die Hintergründe und Zusammenhänge der Krise des Imperialismus. So saßen breite Teile der Bewegung der Illusion auf, man könne die Demokratie in Israel verteidigen, ohne gegen die seit Jahrzehnten andauernde Besatzung und Unterdrückung des palästinensischen Volks zu kämpfen.
Einer der Aktivisten berichtet: „Wir haben es als Kommunisten von Beginn an als unsere Aufgabe gesehen, in der Massenbewegung eine bewusstseinsbildende Arbeit zu machen. Es gibt keine Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten im Kampf gegen die Jusitzreform ohne die Einheit zum Kampf gegen die Besatzung Palästinas. Am Beginn der Proteste wurden wir vereinzelt dafür angefeindet. Im Verlauf wuchs unser Block, indem immer Palästina-Fahnen wehten, von ca. 50 auf bis zu 1.000 Teilnehmer an. Wir selbst haben uns dabei auch bewusst für den Sozialismus als gesellschaftliche Alternative positioniert.“
Sie mussten aber auch miterleben, wie insbesondere Kräfte des Militärs und der Herrschenden die teils diffuse Situation und die zu geringen revolutionären Kräfte ausnutzen. Die Massenproteste sollten um jeden Preis im Rahmen des kapitalistischen Systems bleiben. Diese Kräfte verteilten tausende Israel-Fahnen, bestimmten zunehmend die Redner und die Kultur, um den Fokus einseitig auf den Kampf gegen die Justizreform zu reduzieren. „Viele Teilnehmer waren dazu im Widerspruch, aber sie sahen auch keine Alternative für ihren Kampf. So waren viele auch unkritisch den Israel-Fahnen gegenüber. Für sie waren sie ein Symbol der Verteidigung der Demokratie gegen die Faschisten in der Regierung,“ berichteten sie weiter. Das unterstreicht die große Bedeutung, weltweit revolutionäre Parteien aufzubauen, die das Fundament und die Verankerung unter den Massen haben, solchen Kämpfen eine fortschrittliche Perspektive zu geben.
Nach dem Beginn der israelischen Aggression gegen die palästinensische Bevölkerung baute die Regierung Israels ihrer Spaltung und Hetze gegenüber der Bevölkerung massiv aus. In den israelischen Medien wurde demagogisch eine Panik-Stimmung erzeugt, dass der Angriff sich vor allem gegen „linke Kibuzzim gerichtet hätte“ und dort vor allem Menschen umgebracht wurden, die solidarisch mit Palästina sind. Keiner wäre mehr sicher in Israel. Die scheinbare Sicherheit, die die Regierung mit dem Kriegsrecht und dem Gaza-Krieg gewährleisten will, ist ein massiver Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten. Wer heute durch Israel geht und sich offen solidarisch mit Palästina zeigt und gegen den Krieg, wird häufig von der Polizei verhaftet und verprügelt. Die Hetze des Geheimdiensts und der Faschisten diffamiert Israelis wie die Aktivisten als „israelische Selbsthasser“ und ruft u.a. in sozialen Medien zur „Selbstjustiz“ ihnen gegenüber auf. Sehr beeindruckend war zu spüren, wie sie mit viel Optimismus und Vertrauen in die Massen, ihrer tiefen Überzeugung im Kampf um den Sozialismus und der internationalen Solidarität dem trotzen.
Weltanschaulich versucht die Regierung, ihrer faschistisch-zionistischen Politik einen scheinbar demokratischen Anspruch zu geben. So berichteten die Aktivisten weiter, dass die These vom „linken Zionismus“ in Israel noch weit verbreitet ist. Damit wird dem Zionismus eine angebliche Ideologiefreiheit bescheinigt und jede Kritik an seinem reaktionären Charakter als Antisemitismus verleumdet. Sie positionieren sich dem entgegen klar: „Es gibt keine Einheit von Sozialismus und Zionismus. Der Zionismus ist und bleibt eine nationalistische reaktionäre Ideologie. Er ist die weltanschauliche Grundlage für die Rechtfertigung des Völkermords unserer Regierung an der palästinensischen Bevölkerung“. Das wirkt zweifelsohne noch unter Teilen der Bevölkerung.
Auch persönlich haben sich teilweise palästinensische Freunde und Bekannte von ihnen distanziert, weil sie u.a. die Hamas kritisieren und für das Existenzrechts Israels und eine übergangsweise Zweistaaten-Lösung stehen. Andererseits haben sich israelisch-jüdische Freunde von ihnen distanziert, weil sie den Völkermord Israels kritisieren. Es wurde deutlich, dass man gegen den Strom zu schwimmen als Revolutionär auch lernen muss auszuhalten. Nicht zuletzt dafür ist die internationale Solidarität unverzichtbar.
So schlussfolgerte einer der Teilnehmer: „Das palästinensische Volk hat nur die Wahl, für seine Befreiung gegen Imperialismus und Faschismus zu kämpfen, das verbindet uns hier in Deutschland und euch in Israel eng mit ihnen. Und dieser Kampf ist auch unsere Wahl.“ Und so war es nur konsequent, die Veranstaltung mit dem dreisprachigen Singen der Internationale zu beenden.
[1] Arabischer Bulgursalat, Auberginenmus, Ei auf Tomate