Ausstieg aus Ökostrom-Förderung
FDP-Europa-Parteitag unterwirft den Klimaschutz dem Konkurrenzkampf
„Wir wollen die Ökostrom-Förderung schnellstmöglich beenden“, so der Leitantrag des Parteivorstands. Der 75. ordentliche Parteitag der FDP fordert, dass es für die Ökostrom-Förderung „jetzt einen Plan für den Ausstieg“ brauche.
Erinnern wir uns der Dringlichkeit der Umstellung der gesamten Energieerzeugung auf erneuerbare Grundlage: „Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre stieg seit dem Jahr 1750 … um 50 Prozent … im Jahr 2022. In den 10 000 Jahren davor war sie annähernd konstant“ – so die glasklare Analyse im Gesamtband: „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ (S. 350)
Während die Klimafrage auf dem FDP-Parteitag eher zur rhetorischen Worthülse verkam, nennen die Autoren die Folgen klar beim Namen: „Die globale Erwärmung verlief seit den 1970er-Jahren etwa zehnmal schneller als die natürliche Erwärmung seit dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 20 000 Jahren. … Neben dem immer noch steigenden Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre sind inzwischen gewaltige selbstzerstörerische Prozesse eingetreten. ... Das kennzeichnet eine neue Qualität, die als beginnende Klimakatastrophe bezeichnet werden muss.“ (S. 352)
Die globale Klimakatastrophe wirkt verschärfend auf alle anderen Faktoren der globalen Umweltkatastrophe ein, so das Waldsterben, das Ozonloch, den Anstieg des Meeresspiegels und vieles mehr. Es liegt also auf der Hand: es geht um das Überleben der Menschheit.
Die Rechenkünste des Herrn Lindner
Doch Herr Lindner hat ganz offenkundig keine Ambitionen, die Geister seines heiß geliebten Kapitalismus wieder einzufangen, die der Menschheit dieses Verbrechen eingebrockt haben. War die Klimapolitik Deutschlands in den letzten Jahrzehnten schon unverantwortlich, so will die FDP trotz der begonnenen Klimakatastrophe noch einen obendrauf setzen. Und er hat dafür gute Argumente: „Zukünftig dürfen keine neuen Subventionen mehr für Photovoltaik und Wind gezahlt werden, weil sie sich heute bereits rechnen“, so Lindner.
Für das einzelne Energiemonopol rechnen sich Kohle, Gas und Atomstrom mit weitaus größeren Gewinnmargen. Doch das Problem am Rechenkünstler Christian Lindner ist, dass er keine nachhaltige und gesamtgesellschaftliche Rechnung aufstellt, sondern eine privatkapitalistische. Den deutschen Energiemonopolen passt es nicht, dass Solar, Wind und Biomasse stark dezentralisiert ausgebaut werden können und damit weniger Profite als aus einem Gaskraftwerk sprudeln. So mag es die FDP: die Gewinne bei der Zerstörung der Umwelt werden privatisiert, doch die Kosten von Umweltkatastrophen wie im Ahrtal werden auf die Gesellschaft und die breiten Massen abgewälzt.
Erneuerbare Energiequellen als Spekulationsobjekt
Lindners selbst ernannter „Klimaexperte“ Lukas Köhler erklärt, man solle die weitere Entwicklung der Energie aus Fotovoltaik, Windkraft und Biomasse „stattdessen vom Markt regeln lassen“. Dieses abgedroschene Dogma ist von der Wirklichkeit schon hundertfach widerlegt. So auch in der Klimafrage. Hier verspricht Christian Lindner: „Wir haben in Europa einen CO2-Handel, mit dem wir unsere Klimaziele erreichen.“ Es ist längst bewiesen und offensichtlich, dass der CO2 Zertifikatehandel keinerlei positive Wirkung auf den Klimaschutz hat. Denn der CO2-Ausstoß muss nach diesem Konzept in der Realität nicht tatsächlich reduziert werden. Vielmehr ist er zu einem gigantischen Spekulationsobjekt, Tauschgeschäft und zur riesigen Geldmacherei geworden.
Schon im ersten Teil des Buchs, der 2014 erschienen ist, hieß es zum CO2-Zertifikatehandel, der 1990 mit dem Kyoto-Protokoll eingeführt worden war: „Der Plan, Treibhausgase durch Handel mit »Verschmutzungsrechten « zu reduzieren, ist vollständig gescheitert. Tatsächlich lagen die CO2-Emissionen 2013 um 61 Prozent über dem Niveau von 1990.“ (S. 116) Mit ihrer „Wirtschaftswende“ will die FDP die Perversion noch perverser gestalten. Klimareporter.de berichten: „In Ländern wie Großbritannien, wo es eine vergleichbare EEG-Förderung nicht gibt, ist der Ausbau der erneuerbaren denn auch der alleinige Tummelplatz großer Investorengruppen. Nicht auszuschließen, dass das auch eine Intention der FDP ist.“ Ob Wind, Sonne und Biomasse ausgebaut werden oder nicht, soll man also in die Hände von Spekulanten legen, die einzig und alleine auf maximale Profite aus sind.
Innovation: negativ. Der planlose Lindner
Mit seiner Grundsatzrede stellt Christian Lindner seiner ganzen Klasse des Monopolkapitals ein Armutszeugnis aus. Innovation? Fortschrittskräfte? Von wegen. Lindner rechtfertigt sich: „Wir können doch nicht wissen, welche Technologie, welche Branche, welches Unternehmen bahnbrechenden Erfolg haben wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. … Wir können es schlicht nicht wissen und deshalb sollten wir nicht politisch entscheiden, welche Branche, welche Technologie, welches Unternehmen Zukunft haben soll. Wir können es nämlich schlicht nicht wissen.“ Wenn er das alles nicht weiß, wozu braucht es dann ihn als Minister?
Man kann allerdings sehr wohl wissen, wohin die Technologie der nuklearen Kernspaltung ebenso wie der Kernfusion führt und wohin die Verbrennung fossiler Rohstoffe führt. Doch Lindner geht es nicht um einen wissenschaftlichen Ansatz, sondern um die Durchsetzung von Monopolinteressen. So deklariert er offen, dass „nicht Politikerinnen … die zukünftige Wirtschaftsstruktur bestimmen“ sollen, sondern die „Menschen, die die Wirtschaftsstruktur bestimmen“. Zum Teufel mit der Demokratie! Warum sollen wählbare Politiker entscheiden, in welche Richtung sich die Wirtschaft und die Umweltpolitik entwickeln soll? Entscheidungen von solcher Tragweite sind in Lindners Weltbild denen vorbehalten, „die die Wirtschaftsstruktur bestimmen“. Und wer ist das? Das sind eine Handvoll Monopole, die sich die Energiebranche, die Chemie, den Verkehr oder das Finanzwesen vollständig untergeordnet haben.
Zu welchen Verwerfungen, Krisen, Kriegen, inflationären Entwicklungen dieses staats monopolistische Konzept bereits geführt hat, sieht man in der krisenhaften Weltordnung des Jahres 2024. Lindner betreibt das Geschäft derjenigen, die die Menschheit mutwillig und gradlinig in die globale Umweltkatastrophe manövrieren.
Gesamtgesellschaftliche Innovation: die sozialistische Kreis- und Planwirtschaft
Moralisch, politisch und rechnerisch weit überlegen ist dagegen der Sozialismus: „Der Paradigmenwechsel wird die gesamte Gesellschaft erfassen, einschließlich der Produktionsarbeiter und –arbeiterinnen als führende Kraft, der Handwerker, der Kleingewerbetreibenden, der Bauern, der Frauen und der Jugend sowie der technischen Intelligenz. Er trägt so zur Entwicklung der revolutionären Produktivkräfte bei; immer mehr Menschen beteiligen sich am Forschen und Experimentieren, schaffen neue Möglichkeiten, die Ursachen und Auswirkungen der globalen Umweltkatastrophe zu bekämpfen. Dann kann sozialistische Kreislaufwirtschaft auf Basis erneuerbarer Energien und recycelter Rohstoffe gesamtgesellschaftlich und global angewendet werden. Alle diese Veränderungen verwirklichen eine höhere gesamtgesellschaftliche Rentabilität, die notwendig ist, die Einheit von Mensch und Natur so weit wie möglich wiederherzustellen.“ (ebenda, S.4 48)
Richtig und dringend notwendig ist bereits heute der Kampf um Maßnahmen aus dem folgenden Sofortprogramm:
- Sofortige Umstellung auf den Auf- und Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie für Strom, Wärme und Kühlung durch Sonne, Wind, Wasser- und Wellenkraft sowie Erdwärme. Dezentraler Ausbau bei gleichzeitiger Ausnutzung der weltweit besten Standorte. Verbindliche Nutzung sämtlicher Bioabfälle für die Biogaserzeugung.
- Verpflichtende Ausstattung aller geeigneten Dächer öffentlicher und industrieller Gebäude, Wohn-, Geschäfts- und Bürohäuser mit Fotovoltaik- und Solarthermieanlagen.
- Kostenübernahme von 80 Prozent aller Klimaschutzmaßnahmen in neokolonial abhängigen Ländern. Zahlen müssen die imperialistischen Regierungen vor allem der G20, der BRICS-Staaten und die internationalen Monopole entsprechend ihren Emissionen und ihrem Platz im Ranking der Länder beim Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen.
- Öffentlicher Personennahverkehr zum Nulltarif. Ersetzung aller mit fossilen Energien betriebenen Verkehrsmittel durch Elektro-, Wasserstoff-, Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge; vorrangiger Ausbau des öffentlichen Schienenverkehrs. Reduzierung des Neubaus von Autobahnen und vierspurigen Schnellstraßen. Güterverkehr auf Schienen und Wasserwegen auf Grundlage regenerativer Energien. Verbot von Kurzstreckenflügen außer in Notfällen. Förderung eines umweltverträglichen Tourismus.
- Sofortmaßnahmen zum vollständigen Ausstieg aus fossiler und anderer umweltschädlicher Energiegewinnung, Stilllegung aller Kraftwerke auf Grundlage fossiler Brennstoffe. Schaffung von Millionen gleichwertiger Ersatzarbeitsplätze im Umwelt-, Pflege-, sozialen und industriellen Bereich.
- Stopp der staatlichen Subventionierung, neuer Staatsschulden und Unternehmenskredite für fossile Industriezweige, umweltschädliche Maßnahmen und überflüssige Großprojekte.
- Schluss mit dem Merit-Order-Prinzip im Stromhandel.
- Abschaffung des Handels mit Emissionszertifikaten und der CO2-Bepreisung.“
Quelle: „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ S. 450ff