Impulsbeitrag von Gabi Fechtner bei der Strategiekonferenz

Impulsbeitrag von Gabi Fechtner bei der Strategiekonferenz

"Echter Sozialismus statt Untergang in der globalen Umweltkatastrophe!"

Am vergangenen Wochenende, am 20. und 21. April 2024, fand an der Universität Potsdam die umweltpolitische Strategiekonferenz „Arbeiter- und Umweltbewegung gemeinsam – weltweit! Retten wir die Lebensgrundlagen der Menschheit!“ statt.

Im Rahmen des Themenblocks "Strategien und Wege und Widerstandsformen zur Rettung der Lebensgrundlagen der Menschheit" hielt die MLPD-Vorsitzende Gabi Fechtner den Impulsbeitrag "Echter Sozialismus statt Untergang in der globalen Umweltkatastrophe!", den Rote Fahne News hier in der vorgetragenen Version dokumentiert.

 

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer!

 

Strategie und Taktik sind Begriffe aus der Militärwissenschaft. Die Strategie bestimmt den Zweck eines gesamten Krieges, sie legt das Ziel fest, und die Grundlinie, nach der die einzelnen, taktischen Gefechte zu erfolgen haben. Wenn wir eine Strategiedebatte führen, dann müssen wir uns der Dimension des Problems sowie des Ziels und Kampfes, der dafür nötig ist, bewusst werden.

 

Gibt es nicht immer noch eine Unterschätzung, natürlich in der Gesellschaft, aber auch bis in diese Konferenz hinein, dass es hier um die Dimension der Existenz der Menschheit geht? Vorhin sagte jemand, es geht um die ganze Umwelt. Nein, es geht darum, ob überhaupt die Menschheit auf diesem Planeten weiter existieren kann. Meine These für diese Strategiedebatte ist, dass die Lösung der Umweltkrise, überhaupt das Überleben der Menschheit, nur unter einer Voraussetzung möglich ist: Dass das imperialistische Weltsystem durch eine internationale sozialistische Revolution gestürzt und die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt auf dem Weg zum Kommunismus aufgebaut werden.

 

Hier gibt es dafür jetzt Applaus, aber: Beim Stichwort Revolution, Sozialismus, Kommunismus oder auch MLPD ist manchmal die Diskussion gleich wieder beendet. Das merken wir auch an dem systematischen Boykott unseres Buchs „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“. Es ist eine Streitschrift gerade auch für die sozialistische Alternative. Das geht dem Antikommunismus, der in Deutschland regelrecht Staatsreligion ist, zu weit!

 

Doch welchen Nutzen hat eine Strategiedebatte, die sich freiwillig Denkverbote auferlegt, über die Grenzen dieses Mensch und Natur zerstörenden kapitalistischen und imperialistischen Weltsystems hinaus zu denken und Perspektiven zu entwickeln? Ich habe mit Freude heute Morgen in Beiträgen wie von Extinction Rebellion aus Spanien gehört, dass es hieß, die Kapitalismuskritik ist bei uns immer stärker geworden. Aber warum hören solche Beiträge dann bei dieser Kritik auf? Es ist doch ein zahnloser Tiger, wenn man über Kapitalismuskritik redet, aber sich dann selbst ein »Stopp« auferlegt, weil man über die Perspektive des Sozialismus lieber nicht redet.

 

Uns dem Antikommunismus zu beugen, wäre das Ende einer Strategiedebatte, bevor sie überhaupt begonnen hat! Man könnte auch sagen, der Antikommunismus ist der Gegenpol zu jeder wirklich zielbringenden Strategiediskussion! Kein Wunder wird dieser Antikommunismus vor allem von den aggressiven Klimaleugnern massiv bemüht, wie von der AfD in ihrem Europawahl-Programm. Der „Klimawandel“ sei wissenschaftlich nicht bewiesen, sondern „ein ökosozialistisches Projekt.“ Klar ist der Sozialismus eine ernste Bedrohung für die Teile des internationalen Finanzkapitals, die die AfD vertritt, die die fossilen Energien oder auch den Verbrennungsmotor auf Teufel komm raus erhalten wollen.

 

Dieser Antikommunismus ist aber auch in seiner nicht offen aggressiven, sondern moderneren Variante ziemlich zweckmotiviert: Nicht ohne Grund wird aktuell wie einmGegenfeuer eine Studie nach der anderen veröffentlicht, die oft viele treffende und analytisch interessante Teilanalysen machen – aber v.a. in einer Botschaft einig sind: „Wir können das Problem im Rahmen des Kapitalismus lösen!“

 

Aktuell der große Renner in vielen überregionalen Tageszeitungen ist das Buch von Hannah Richie, einer Umweltwissenschaftlerin, die sagt, sie will Optimismus verbreiten. Dafür vertritt sie durchaus auch Kapitalismuskritik, aber sagt dann: „Wir haben einfach keine Zeit dafür, das System zu stürzen.“ Das hört sich fast an wie eine Antwort auf unser Buch und die Diskussion um den Sozialismus! Weiter führt sie ihre Logik dann auch folgerichtig zu Ende: „Die Lösungen liegen auf dem Tisch – wir können viel mehr erreichen, wenn wir sie innerhalb unseres kapitalistischen Systems einsetzen, auf verantwortungsvolle Weise.“ Aber wie sieht die »verantwortungsvolle« Umweltpolitik unter kapitalistischen Vorzeichen aus? Sind es die neuen LNG-Terminals? Die sogenannten „sicheren“ Atomkraftwerke? Elektro-Panzer „E-opard“ statt Leopard?

 

Der katastrophale Raubbau an der Natur findet nicht in Unkenntnis über die Folgen, sondern mutwillig und sehenden Auges statt. Die Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur wurde zu einer Gesetzmäßigkeit in der Ökonomie des imperialistischen Weltsystems, worauf heute in einem Beitrag von Reinhard Funk schon eingegangen wurde. Die nach Maximalprofit und Weltmarktführerschaft strebende kapitalistische Produktionsweise ist „unter der Diktatur der internationalen Übermonopole (...) bei Strafe ihres Untergangs an den fortschreitenden Raubbau an der natürlichen Umwelt gebunden.“ Wir haben wirklich keine Zeit mehr– keine Zeit mehr für reformistische Illusionen in den Kapitalismus!

 

Wir sind uns insofern einig z.B. mit der Letzten Generation oder Extinction Rebellion, dass die globale Umweltkatastrophe die Menschheit bedroht. Aber wir sind uns nicht einig darin, uns als „die letzte Generation“ zu bezeichnen. Die Jugend von heute muss die Generation Sozialismus sein! Verbreitete Mainstream-Meinung zum Sozialismus ist allerdings heute noch, dass er eine gute Idee sei, die aber bekanntermaßen gescheitert sei. Oder ein weiterer Vorbehalt, gerade in der Umweltbewegung ist, im Sozialismus seien die gleichen, wenn nicht noch schlimmere Umweltverbrechen wie im Kapitalismus verübt worden.

 

Darum spricht die MLPD vom echten Sozialismus. In allen ehemals sozialistischen Ländern wurde der hoffnungsvolle Aufbau des Sozialismus verraten und der Kapitalismus restauriert. Das Hauptproblem war das Vordringen einer kleinbürgerlichen Denkweise in der Partei-, Staats- und Wirtschaftsführung und dass nach der Machtergreifung einer entarteten Bürokraten-Clique nach und nach alle sozialistischen Prinzipien revidiert wurden. Bezeichnenderweise wurden im selben Atemzug auch die großen Fortschritte in der sozialistischen Umweltpolitik weitgehend wieder zunichte gemacht. Die Haltung der MLPD ist, dass wir aus diesem Aufbau des Sozialismus schöpferische Lehren ziehen, sowohl aus den Errungenschaften, als auch aus den Fehlern und Niederlagen.

 

In unserem Buch heißt es: „Vereinigte sozialistische Staaten der Welt haben als einziges Gesellschaftssystem das grundlegende Interesse und verfügen über die gesellschaftlichen Voraussetzungen, das weitere Ausreifen der globalen Umweltkatastrophe zu dämpfen, zu stoppen und die noch nicht irreversiblen Prozesse umzukehren. (...) Vergesellschaftetes Eigentum an Produktionsmitteln und eine internationalisierte sozialistische Plan- und Kreislaufwirtschaft ermöglichen es, Industrie und Landwirtschaft, Verkehr und Bau, Handel und Konsumtion darauf auszurichten, die Einheit von Mensch und Natur so weitgehend wie möglich zu erhalten, zurückzuerobern und weiterzuentwickeln.“

 

Als die Sowjetunion und China noch sozialistisch waren, waren sie in vielen Umweltfragen Vorreiter zukunftsweisender Maßnahmen. Die Elektrifizierung der riesigen Sowjetunion beruhte wesentlich auf Wasserkraft, also auf erneuerbarer Energie. Im sozialistischen China wurde in den 1970er Jahren bereits geschafft, was heute weltweit als Zukunftsmusik erscheint. Es wurde damals bewusst entschieden, keinen individualisierten Autoverkehr mit entsprechender Industrie aufzubauen. Ein deutscher bürgerlicher Schriftsteller, Holger Strohm, war damals in China und schrieb: »Mit den Transportmitteln: Eisenbahn, Bus und Fahrrad hat China die meisten Umweltprobleme umgangen, unter denen westliche Großstädte so stark zu leiden haben. …«

 

Auch wenn schon während des Sozialismus Erscheinungen einer einseitigen Fokussierung auf zentralistische Großprojekte auftraten, stellte die Gigantomanie und verstärkte Nutzung von Kohle, Erdöl und Atomenergie nach der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion oder auch in China alles in den Schatten. Heute ist das neuimperialistische China, das sich demagogisch immer noch „kommunistisch“ nennt, mit 30,2 Millionen Autos allein in 2023 der weltweit größte Automobilproduzent.

 

Wir sind aber heute in der Lage, eine dialektische Infragestellung der Probleme im sozialistischen Aufbau vorzunehmen. Angesichts begrenzter Ressourcen sind wir z.B. der Meinung, dass es nicht mehr richtig ist, wie es z.B. in der alten sozialistischen Sowjetunion hieß, von ständig wachsenden Bedürfnissen und ununterbrochenem Wachstum zu sprechen. Wir qualifizieren, dass ein gesamtgesellschaftlicher Paradigmenwechsel im Sozialismus sich heute beziehen muss auf die „Sicherung der Befriedigung der sich stets verändernden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen und Verwirklichung einer gesamtgesellschaftlichen »Rentabilität«“ .

 

Die begonnene globale Umweltkatastrophe ist eine große Hypothek für den sozialistischen Aufbau. Auch das darf man nicht idealisieren – nach dem Motto „wir erkämpfen den Sozialismus, der Schalter ist umgelegt und die globale Umweltkatastrophe zu Ende“. Alles, was irreversibel eingeleitet wurde, das Abschmelzen der Pole, das Auftauen der Permafrostböden, die Vergiftung – das kann man auch im Sozialismus nicht einfach stoppen. Das sind sich selbst beschleunigende Prozesse, die auch dann weiter wirken.

 

Trotzdem hätte der Sozialismus als einziges System es in der Hand, die Bereitschaft und die Möglichkeiten, das zu verändern und zu bekämpfen. Es ist also heute ein regelrechter Wettlauf mit der Zeit, in welchem Grad die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit gerettet werden können. Dem internationalen Finanzkapital und seinen imperialistischen Regierungen muss die Macht über die Produktionsmittel, und damit die Möglichkeiten zur rücksichtslosen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, entrissen werden. Das wiederum ist nur auf revolutionärem Weg möglich und unter Führung der Arbeiterklasse im Bündnis mit den breiten Massen der Ausgebeuteten und Unterdrückten und aller, die auch zu den Opfern dieser globalen Umweltkatastrophe gehören.

 

Zu unserer Strategie und Taktik gehört, die Arbeiterklasse, zunächst eine entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse, dann aber auch der Masse der Bevölkerung für diesen gesellschaftsverändernden Kampf zu überzeugen. Deswegen ist es nicht unsere Taktik, spektakuläre Aktionen zu machen, mit einer kleinen bewussten Gruppe vorzupreschen. Sondern wir nennen das systematische Kleinarbeit, in den Betrieben, in den Gewerkschaften, unter den Massen, in den Wohngebieten, unter der Jugend zu arbeiten und dort Überzeugungsarbeit zu machen.

 

Dazu müssen wir Kämpfe um Reformen natürlich führen. Aber vorhin wurde im Vortrag von Extinction Rebellion gesagt, wir müssen heute reformistisch arbeiten – ich bin dagegen, reformistisch zu arbeiten. Kampf um Reformen ja, wir haben dazu ein Sofortprogramm in diesem Buch, mit vielen konkreten Forderungen. Aber das muss eine Schule des Klassenkampfs, eine Schule des gesellschaftsverändernden Kampfs sein, denn wer reformistisch arbeitet, der trägt auch dazu bei, den Kapitalismus zu erhalten – und das können wir uns nicht mehr erlauben.

 

Unsere Kräfte werden sich also erweitern, wenn wir es verstehen, uns richtig zusammenzuschließen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, dem echten Sozialismus zu einem neuen Ansehen zu verhelfen! Jeder fortschrittliche Mensch sollte heute auch ein Interesse daran haben, darüber sachlich, solidarisch, natürlich auch streitbar, aber breit gesellschaftlich über diese Perspektive des echten Sozialismus zu diskutieren.