Höherer Fleischpreis

Höherer Fleischpreis

Wie die Kosten für die Tierwohlabgabe auf die Massen abgewälzt werden

"Fleisch soll teurer werden" - so schreckte kürzlich die Bildzeitung mal wieder mit einer Titelschlagzeile ihre Leser. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat schon lang geplant, Fleisch weiter zu verteuern.

Von wr
Wie die Kosten für die Tierwohlabgabe auf die Massen abgewälzt werden
Wer diese vorbildliche Weidehaltung praktiziert, sollte belohnt werden (rf-foto)

Der Plan besteht seit gut fünf Jahren und wurde seitdem von allen Bundesregierungen vorangetrieben. Seitdem geistern die Begriffe „Umbau der Nutztierhaltung“ und „Tierwohlabgabe“ in der öffentlichen Debatte. Sie wird auch im Europawahlkampf eine Rolle spielen.

 

Alle CDU/CSU-geführten Bundesregierungen vor der Ampel überließen es der tierverarbeitenden Industrie, „freiwillige“ Standards und Labels einzuführen. Diese führte nach eigenem Gutdünken Haltungsstufen ein, die mehr Verbrauchertäuschung statt -aufklärung waren. Die niedrigste Haltungstufe bestand in der Einhaltung gesetzlicher Mindestbestimmungen für den Platzbedarf von Tieren. Zum Beispiel für eine Legehenne die Größe eines Schuhkartons!

 

Der Wildwuchs an einer unübersichtlichen Vielzahl unverbindlicher Standards war nicht mehr haltbar. Im Jahr 2019 richtete das Bundeslandwirtschaftsministerium ein „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ ein. Es bekam nach seinem Vorsitzenden, dem früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU), den Namen „Borchert-Kommission“. Sie sollte Vorschläge erarbeiten für eine allgemeine Hebung des Tierwohls bei Steigerung des Produktivitätsniveaus. Eine Aufgabe, die im Kapitalismus unter dem Diktat des Maximalprofits einer Quadratur des Kreises gleicht und so löste sich die Borchert-Kommission im August 2023 frustriert auf.

 

Die Borchert-Kommission hatte den Umbau der Landwirtschaft auf moderne Stallhaltung bis 2040 auf ca. 3 bis 8 Milliarden Euro geschätzt. Einigkeit herrschte unter allen Monopolparteien, dass die Kosten dafür auf die Massen abgewälzt werden durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Tierprodukte vom ermäßigten 7-Prozentsatz um 12 auf 19 Prozent. Die Idee der Finanzierung durch eine Tierwohlabgabe hört sich besser an als Steuererhöhung. Denn wer lehnt schon ab, dass es Tieren besser gehen soll? Es stimmt keineswegs, dass Verbraucher zu massenhaft Billigfleisch greifen ohne Rücksicht auf Tier- und Umweltschutz. Auch reduzieren viele Menschen aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen ihren Fleischkonsum.

 

So standen viele Varianten im Raum: Eine erste sollte auf der Endverbraucherstufe mit einem Aufschlag von 40 Cent pro Kilo Fleisch erhoben werden. Also wenn der Lebensmittelhändler die Ware aus seinem Warenlager entnimmt, dürfte er diese Verbrauchssteuer in seinen Verkaufspreis einkalkulieren und auf die Kunden abwälzen. Kritik kam aus den Verbraucherverbänden und vom Lebensmitteleinzelhandel. Diese versucht Özdemir jetzt zu umgehen, indem er scheinbar die großen Vermarkterkonzerne der Wertschöpfungskette (Schlachtereien, Zerlegungsbetriebe, Molkereien) in die Pflicht nehmen will. Sie sollen den Tierwohlcent als Abgabe vom Nettopreis an das Zollamt abführen. Damit ist der eigentliche landwirtschaftliche Produzent außen vor, d.h. beim Bauern kommt davon kaum was an. Sicher ist nur: demVerbraucher wird ähnlich wie die Mehrwertsteuer die Tierwohlabgabe auf den Endpreis aufgeschlagen.

 

Der Umbau der Nutztierhaltung ist bereits im vollen Gange und soll bis 2025 das Ende aller kleinen Anbinde- und Kombiställe mit ca. 20 Milchkühen bedeuten. Ein Milchbauer aus Oberbayern berichtet: „Unser Nachbar hat jetzt einen Laufstall für mehr als eine Million Euro gebaut. Auch mit Fördergeldern ist er erst in mehr als zehn Jahren abbezahlt. Damit sich ein Laufstall rechnet, musst du die Zahl der Milchkühe mindestens auf 40 verdoppeln. Wie sich der Milchpreis entwickelt, weiß keiner, aber wir müssen uns durch ein selbst erwirtschaftetes Überangebot den Preis kaputt machen.“ Eine Milchbäuerin: „Wir haben zehn Milchkühe im Anbindestall, die sind mehr als 200 Tage im Jahr auf der Weide. Wir kennen unsere Viecher und wissen, was ihnen wohl tut.“

 

Die Tierwohlabgabe ist eine neue Massensteuer. Mit ihr werden die Kosten für die Umwelt auf die Masse der Bauern und der Verbraucher abgewälzt, und dies ohne Garantie, dass damit wirklich Umweltschutzmaßnahmen finanziert werden. Die EU ist gerade auf dem Trip, bereits vorgesehene, sogar noch völlig ungenügende Maßnahmen abzubauen. Es wäre eigentlich ganz einfach: man legt klare Haltungsrichtlinien fest und alle Lebensmittel-Verkäufer müssen die Verbraucher über die Haltungsbedingungen und Herkunft der Nutztierprodukte informieren, die Landwirte bekommen höhere kostendeckende Erzeugerpreise und die Verbraucherpreise werden gesenkt – auf Kosten der Profite der Handels- und Agrarkonzerne. Freiwillige Einhaltung von Umweltmaßnahmen sollten durch Fördergelder belohnt werden, statt Landwirte zu bestrafen, die bestimmte Standards für Flächenstilllegung, Fruchtfolgen, höhere Tierwohlstandards nicht einhalten (können).

 

  • Für artgerechte Tierhaltung!
  • Abbau der Massentierhaltung und Deckelung durch Förderobergrenzen, verpflichtende Weidehaltung!
  • Keine Massensteuer auf Grundnahrungsmittel!