Keine halben Sachen
Ersatzlose Streichung des § 218 StGB!
Am Montag, dem 15. April 2024, stellte eine von der Regierung beauftragte Kommission ihren Abschlussbericht zum § 218 vor. Sie kam zum Ergebnis, dass die aktuellen Regelungen im deutschen Strafgesetzbuch einer "verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung" nicht Stand hielten.
Sie schlägt vor, dass ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen keine Straftat mehr ist. Dies ist ein Zugeständnis an den fortschrittlichen Stimmungsumschwung und die kämpferische Frauenbewegung.
Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau - Eine Streitschrift
337 Seiten
ab 12,99 €
Doch Wachsamkeit ist angesagt. Die Kommission stellt es der Regierung frei, ob es in den ersten drei Monaten weiter eine Beratungspflicht gibt. Das wäre eine Fortsetzung der bürokratischen Gängelung und Bevormundung. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht im Mai 1993 eine derartige Lockerung der Strafverfolgung zunichte gemacht. Das Gericht bestand auf der strafrechtlichen Verfolgung und beharrte darauf, dass „Menschenwürde schon dem ungeborenen menschlichen Leben“ zukomme. Wo zeigen diese Reaktionäre eine solche Sorge um die Würde des Menschen, wenn er dem Mutterleib entschlüpft ist? Und die Übernahme der Kosten muss durch die Krankenkassen wie bei anderen medizinischen sinnvollen Leistungen erfolgen. Wenn Lauterbach andeutet, dass diese nur bei besonderer Bedürftigkeit erfolgen könnte, ist das abzulehnen, weil es die Frauen wieder zu Bittstellerinnen herabwürdigt.
Ersatzlose Streichung des § 218StGB - Das ist die Forderung der kämpferischen Frauenbewegung!
Der Kampf gegen eine frauenfeindliche reaktionäre Abtreibungsgesetzgebung ist weltweit eine wichtige Frage im Kampf zwischen fortschrittlichem Stimmungsumschwung und der Rechtsentwicklung hin zu offen reaktionären Positionen, zu Faschismus und Krieg. Das zeigen die Erfahrungen der Frauenbewegung in Polen und den USA. Das faktische Verbot von Abtreibungen in Polen 1993, das Frauen erwiesenermaßen das Leben kostete, stieß auf eine wachsende kämpferische Frauenbewegung, die seit Jahren gegen die reaktionäre Gesetzgebung auf die Straße geht. Zu Erfolgen der Bewegung in Australien stellt ein Bericht fest: „Keine Frau muss Strafe fürchten, wenn sie ihre Schwangerschaft abbrechen lässt - egal, in welcher Phase das geschieht. Der Tatbestand Schwangerschaftsabbruch ist aus den Strafgesetzbüchern aller Bundesstaaten nahezu komplett getilgt.“
Die Ärztin Alicia Baier sagt in einem Interview: „Diejenigen, die abtreiben, sind oft Frauen, die ohnehin schon sehr viel Sorgearbeit übernehmen. Andere sind alleinerziehend und bekommen wenig Hilfe. Sie beenden die Schwangerschaft auch aus Verantwortungsbewusstsein für ihre vorhandenen Kinder. Man sollte diese Frauen nicht als Kriminelle betrachten, sondern sie unterstützen, egal ob sie sich für oder gegen die Schwangerschaft entscheiden.“ Sie legt in dem Interview auch ausführlich dar, wie eine ordentlich medizinische Versorgung der Frauen auf diesem Gebiet vom Gesundheitssystem behindert und hintertrieben wird, und welchen abscheulichen Angriffen sowohl die Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, wie auch die Frauen, die abtreiben lassen, ausgesetzt sind.
Eine andere Berliner Ärztin berichtet, dass sie auch Beratungen von Frauen aus anderen Bundesländern durchführt und Frauen hilft, die keine Arztpraxis gefunden haben, die eine Abtreibung durchführen. "Über die Hälfte dieser Frauen kommen aus Bayern", sagt sie im Interview mit der Zeit (18. April 2024).
In der Streitschrift: "Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau" heißt es im Kapitel "Die Kontrolle der Sexualität": "Die Kontrolle der Fortpflanzung zielt vor allem auf Schaffung und Erhalt menschlichen Lebens entsprechend den Erfordernissen des Ausbeutungs- und Unterdrückungssystems. Dies findet weltweit seinen Niederschlag in staatlichen Gesetzen, Verordnungen und Programmen. So verkündete der 'Tätigkeitsbericht der Bundesregierung für das Jahr 1958': 'Aus Gründen des Jugendschutzes, aber insbesondere auch zum Schutz von Ehe und Familie, hat das Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen an einem dem Deutschen Bundestag vorgelegten Regierungsentwurf betreffend Änderung der Gewerbeordnung mitgewirkt, der unter anderem ein Verbot des Verkaufs empfängnisverhütender Mittel aus Automaten vorsieht.'(»Deutschland im Wiederaufbau«, Hrsg. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn 1958, S. 467).
Bis heute kriminalisiert in Deutschland der reaktionäre § 218 die Entscheidung einer Frau gegen die Austragung einer Schwangerschaft und spricht ihr weitgehend das Recht der eigenen Entscheidung über Kinder ab. Darüber hinaus sind Frauen, die sich bewusst für ein Leben ohne eigene Kinder entscheiden, oft einem starken gesellschaftlichen und moralischen Druck ausgesetzt. Umgekehrt wird international gegenüber den Entwicklungsländern eine imperialistische, rassistische Bevölkerungspolitik betrieben. UNO-Programme zur Geburtenkontrolle verwirklichen unter der Flagge der Armutsbekämpfung und der Emanzipation der Frauen Zwangsmaßnahmen zur Eindämmung von Geburten.“