Insolvenz

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Galeria-Karstadt-Kaufhof: Glücksritter auf Kauftour – neue Versprechungen nicht glaubhaft!

Nach der dritten Insolvenz will der Mannheimer Handelsmanager Bernd Beetz jetzt gemeinsam mit Richard Baker, dem Eigentümer einer US-Investmentgesellschaft, Galeria-Karstadt-Kaufhof übernehmen und „sanieren“. Eine endgültige Entscheidung fällt Ende Mai die Gläubigerversammlung.

Von ba
Galeria-Karstadt-Kaufhof: Glücksritter auf Kauftour – neue Versprechungen nicht glaubhaft!
August 2022, Arbeiter entfernen den Schriftzug der Galeria-Kaufhof-Filiale am Stachus in München (Foto: shutterstock_2194069075)

Der Konzern beschäftigt heute rund 12.800 Menschen in 92 Filialen. In den bürgerlichen Medien wird als großer Erfolg gefeiert, dass beide neuen Eigentümer 70 Filialen erhalten wollen. Auch von den bürgerlichen Politikern wird - wie bei den zahlreichen  Übernahmen seit 2010 - die Zukunft wieder in rosigen Farben gemalt. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen erklärte gleich, dass es nun eine Perspektive für die Mitarbeiter gäbe. Jetzt bestehe „für die Standorte eine echte Chance auf einen Neustart“. Für die Entlassenen würden die Städte mit „innovativen Konzepten und der Vermittlung von Arbeitsplätzen“ einspringen.

 

Die Kolleginnen und Kollegen von Galeria-Karstadt-Kaufhof können diesen Versprechungen nicht mehr glauben. Es ist ein jahrelanger Leidensweg, den sie bei diesem Konzern gehen mussten. Und der war immer mit hochtrabenden Versprechungen und scheinbar sicheren Zukunftsperspektiven gepflastert. Es ist aber auch ein jahrelanger Weg von Kämpfen um jeden Arbeitsplatz, Beharren auf Lohnforderungen trotz Krisengeschrei und vielfältiger Solidarität von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Kunden und Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Branchen.

 

2010 waren Karstadt und Kaufhof noch zwei selbständige Konzerne. Damals wurde Karstadt zunächst an den „Heuschrecken“-Investor Nicolas Berggruen verkauft. Der hoch bejubelte „Retter“ saugte Jahr für Jahr Millionen von Euro aus der Belegschaft. In kurzer Zeit wurden 8.000 der damals 25.000 Beschäftigten „abgebaut“. Für einen einzigen Euro vermachte Berggruen dann Karstadt 2014 an René Benko. Mit einem „Sanierungsprogramm" wurde 2.750 weitere Arbeitsplätze "abgebaut" und die restliche Belegschaft zu Lohnverzicht erpresst. Karstadt wäre nun auf einem guten Weg, hieß es. Aber schon drei Monate später wurden weitere Filialen dichtgemacht.

 

Benko wollte 2015 auch die Metro-Tochter Kaufhof übernehmen. Kaufhof bekam aber der kanadische Konzern Hudson’s Bay (HBC). Vorstandsvorsitzender dieses Konzerns war: Richard Baker! "Mit HBC haben wir den idealen Partner für eine erfolgreiche Zukunft von Kaufhof gefunden", hieß es damals. Der „Anfang vom Ende“, so charakterisieren heute die Beschäftigten diese Übernahme, die mit mehreren „Rettungsplänen“ verbunden war. Tausende Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz. Auch Bernd Beetz war damals schon dabei. Er war zeitweise Aufsichtsratsvorsitzender von Kaufhof.

 

2018 übernahm Benko doch Kaufhof. Kaufhof betrieb zu dieser Zeit in Deutschland 96 Filialen, Karstadt 82 Warenhäuser. 5.000 der knapp 20.000 Arbeitsplätze bei Kaufhof wurden sofort vernichtet und für die restlichen Mitarbeiter ein neuer „Sanierungstarifvertrag“ geschlossen – wie immer mit deutlich schlechteren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Was folgte, waren zahlreiche weitere Filialschließungen. Trotzdem beantragte im April 2020 Galeria-Karstadt-Kaufhof zum ersten Mal Insolvenz. Nach einem neuen Sanierungsplan wurden noch einmal 41 Filialen geschlossen und etwa 4.000 Stellen vernichtet.

 

Durch den Kauf der Gebäude, in denen die Filialen von Galeria-Karstadt-Kaufhof ihren Handel trieben, und deren Vermietung an den eigenen Konzern für Mondpreise hatte Spekulant Benko Riesengewinne gemacht, die Belegschaften ausgepresst und den Konzern an die Wand gefahren. Jetzt sollen erneut die Beschäftigten die Zeche zahlen.

 

Der Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms hält in einer bemerkenswerten Stellungnahme[1] zur jetzigen Übernahme die Verbindung von Beetz und Baker für einen "eine skurrile Kombination ... es scheint mir eher so eine Glücksritternummer zu sein. HBC hat sich damals nicht mit Ruhm bekleckert ...“. Die neuen Eigentümer von Galeria-Karstadt-Kaufhof würden nach kurzer Zeit voraussichtlich nur noch in Großstädten die Filialen weiter betreiben. Denn vor gut 15 Jahren hätten noch über 100.000 Einwohner für ein Kaufhaus ausgereicht, heute seien eher 200.000 nötig. Übrig blieben dann nur noch etwa 20 Filialen.

 

Nur mit sehr guten Service und der Einbindung der Kaufhäuser in eine Innenstadt, die zum Flanieren und Kaufen einlädt, könnten auch diese Kaufhäuser gegenüber dem Internet-Handel konkurrenzfähig bleiben. Nötig wäre dazu eine individuelle Anpassung des Sortiments an den jeweiligen Standort und den übrigen Einzelhandel in einer Stadt. Davon sei bei Baker und Beetz aber nicht auszugehen, so Funder.

 

Sie werden daher das Letzte aus den Beschäftigten heraus pressen. Der Konzentrationsprozess des Einzelhandels und der Internet-Handel führen unter kapitalistischen Vorzeichen zu Arbeitsplatzvernichtung, Lohnsenkungen und verstärkter Arbeitshetze. Eine planmäßige Umstrukturierung mit entsprechender Umschulung und Ersatzarbeitsplätzen wären erst unter sozialistischen Verhältnissen denkbar. Sämtliche „Zukunftsverträge“ sind das Papier nicht Wert, auf dem sie geschrieben sind.

 

Für die Belegschaften bei Galeria-Karstadt-Kaufhof und im Einzelhandel insgesamt sowie bei den Online-Händlern ist es daher dringend nötig, sich konzern- und branchenweit zusammenzuschließen und den Kampf um Arbeitsplätze, höhere Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen gemeinsam zu organisieren. In allen Branchen stehen die Arbeiter und Angestellten vor der Herausforderung, den Kampf um jeden Arbeitsplatz und um die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnsausgleich zu führen, da besteht mannigfache Gelegenheit des branchenübergreifenden Zusammenschlusses.