Geschichte

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Vor 76 Jahren in Palästina: Schlüsselmoment der Vertreibung - Das Massaker von Dēr Yāsīn

Die Säuberung des Dorfs Dēr Yāsīn (heute oft: Deir Yasin, mittlerweile im Stadtgebiet von Jerusalem) war ein Moment im Konflikt zwischen den Zionisten und der arabischen Nationalbewegung noch zu Zeit der Britischen Mandatschaft über Palästina, der wie kein anderer für die Eskalation steht. Mit dem Angriff jüdischer Guerilla auf das Dorf am 9. April 1948 gewann der Konflikt eine neue Qualität.

Von fu
Vor 76 Jahren in Palästina: Schlüsselmoment der Vertreibung - Das Massaker von Dēr Yāsīn
Massaker von Deir Yasin (Foto: Gemeinfrei)

Dēr Yāsīn war dabei eines jener Dörfern, die mit ihren jüdischen Nachbar-Orten ein Bündnis geschlossen hatten. Die zionistische Untergrundarmee „Hagana“ hatte dieses Bündnis offiziell bestätigt. Es war auch der Guerilla Irgun und Lechi bekannt. Die Einwohner des Dorfs hatten mehrfach arabischen Truppen den Zutritt verwehrt. Das letzte Mal nur fünf Tage vor dem Massaker.

 

Mochten die Dorfbewohner zu ihrem Wort stehen – die Hagana hatte keine solchen Absichten. Deren Kommandant von Jerusalem, David Shaltiel, stimmte am 7. April dem Überfall zu: „Ich habe nichts dagegen, dass ihr die Operation durchführt, vorausgesetzt, ihr seid in der Lage, das Dorf danach auch zu halten.“ Im Nachhinein begründete der Kommandant der Angreifer, Menachem Begin (israelischer Premierminister 1977 - 83 und Friedensnobelpreisträger 1978), den Überfall mit der Lüge, Dēr Yāsīn sei Stützpunkt syrischer und irakischer Guerilla gewesen.

Handgranaten in die Fenster

Lechi- und Irgun-Truppen griffen die nichtsahnenden Dorfbewohner am frühen Morgen gegen 4:30 Uhr an. Viele blieben in ihren Häusern, nur 200 flohen über einen „Fluchtkorridor“. Wer bewaffnet war, verschanzte sich und versuchte Widerstand zu leisten. Die Zionisten gingen dann von Haus zu Haus und warfen Handgranaten durch die Fenster. Obwohl sie mit solcher Rücksichtslosigkeit vorgingen, gelang ihnen die Eroberung des Dorfes erst nach Stunden als Einheiten des Palmach, der Elitetruppen der Hagana, zu ihrer Unterstützung kamen.

 

Die Zahl der Opfer konnte nie genau ermittelt werden. Die meisten Historiker gehen heute von 99 bis 110 Toten aus, von denen etwa zehn bewaffnet waren, es werden je nach Quelle aber auch vielfach höhere Zahlen angegeben. Die große Zahl getöteter Frauen und Kinder erklärte Begin damit, dass sich arabische Männer teilweise als Frauen verkleidet hätten. Deshalb habe man auch auf Frauen schießen müssen.

 

Der Bericht eines britischen Nachrichtenoffiziers, der überlebende Frauen vier Tage später vernahm, bestätigte allerdings Vorwürfe sexueller Gewalt als Teil des Überfalls: „Es lässt sich (…) nicht bezweifeln, dass viele sexuelle Verbrechen durch die angreifenden Juden begangen wurden.“

 

Das Massaker wurde offiziell von allen Seiten verurteilt, einschließlich der mitwissenden Hagana. Kein Ereignis des Palästinakriegs hatte am Ende mehr palästinensische Zivilisten zur Flucht vor den Zionisten getrieben.

 

Die Zionisten hatten Albert Einstein, den weltbekannten Wissenschaftler jüdischer Abstammung, um seine Unterstützung gebeten. Er schrieb ihnen am 10. April 1948: „Sollte uns eine reale und endgültige Katastrophe in Palästina ereilen, so würden in erster Linie die Briten und an zweiter Stelle die aus unseren eigenen Reihen gebildeten terroristischen Organisationen dafür verantwortlich sein. Ich bin nicht bereit, jemanden zu treffen, der mit diesen fehlgeleiteten und kriminellen Leuten in Verbindung steht.“