Gewerkschaften

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Meine Erinnerungen an den ehemaligen Vorsitzenden der IG Medien, Detlef Hensche

In dieser Woche las ich in der „Publik“-Beilage „Druck+Papier“ den Nachruf auf Detlef Hensche, der am 13. Dezember letzten Jahres verstorben ist.

Von Henrik Kordes / Rüsselsheim

In den Streiks der Druckindustrie 1976, 1978 und im Kampf um die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich 1984 war Detlef, wie auch der Vorsitzende der IG Druck und Papier, Loni Mahlein, von den bürgerlichen Medien als „linksradikaler Einpeitscher und Aufrührer“ abgestempelt worden. Das war damals noch eine Stufe härter in der Auseinandersetzung als in den letzten Monaten mit dem GDL-Vorsitzenden Claus Weselski.

Etwas zur Vorgeschichte:

Anfang der 70er-Jahre waren spontane Arbeiterkämpfe um Lohn- und Arbeitsbedingungen deutlich zurückgegangen. Der kapitalistische Verband der Druckindustrie sah seine Chance und hetzte gegen die Tarifforderung der Gewerkschaft Druck und Papier von 9 Prozent als völlig inakzeptabel. Schützenhilfe bekamen die Druckmonopole vom damaligen SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die Industriegewerkschaft Druck und Papier führte eine Urabstimmung durch und trat 1976 in 48 ausgewählten, kampfstarken Großbetrieben in den Streik.

 

Daraufhin sperrten die Druckkapitalisten die Belegschaften fast aller größeren Druckbetriebe aus, um die Streikkasse der Gewerkschaft schneller auszubluten.
In dieser Phase erhielt der eigentlich ökonomische Streikanlass deutlich politische Elemente. Dies umso mehr, als die Kapitalisten mit Hilfe von Streikbrechern und unter massivem Polizeieinsatz versuchten, sogenannte Notzeitungen aus den Druckereien herauszuschmuggeln.

 

Am nächsten Abend wieder. Doch bevor die Bereitschaftspolizei anrückte, stürmte ein ganzer Pulk von Kollegen des Darmstädter Echos auf den Einsatzleiter zu. Sie schnappten sich ihre SPD-Parteibücher und warfen sie ihm vor die Füße. Vor dem Ausgang klirrten hunderte leere Flaschen auf der Straße. Unter massivem Polizeischutz mussten Streikbrecher mit großen Besen und unter dem gellenden Pfeifkonzert und den wilden Flüchen der Streikenden die Auslieferungsgasse frei fegen, damit die LKWs ausfahren konnten. In vielen Druckbetrieben, vor allem bei Zeitungen in der BRD, kam es zu Polizeieinsätzen, auch mit Hundestaffeln und Pfeffersprayeinsatz.


Am Ende der Tarifrunde standen zwar nur 6 statt 9 Prozent, aber die IG Druck und Papier hatte sich weder dem SPD-Kanzler noch den Druckmonopolen gebeugt.


Bis zu seinem Austritt mit ca. 65 Jahren war Detlef Hensche Mitglied der SPD. Ich habe ihn in den 1990er-Jahren persönlich kennengelernt. Die Belegschaft der zum Burda-Konzern gehörenden Tiefdruckerei in Darmstadt wurde nach dem erfolgreichen Manteltarifkampf gegen flexible Schichtmodelle und Contischichtpläne von der Geschäftsleitung massiv unter Druck gesetzt. Ein Großauftrag von Rupert Murdoch - inzwischen auch als enger Trump-Vertrauter bekannt - würde durchgehende Wochenendarbeit erfordern. Wenn Belegschaft und Betriebsrat dies ablehnten, sei der gesamte Druckstandort gefährdet. Detlef Hensche nahm fast eine Woche lang an den Beratungen von Betriebsräten, Vertrauensleuten und Belegschaftsvertretern teil.

 

Ich habe ihn in dieser Zeit als ehrlichen, kämpferischen Gewerkschafter ohne antikommunistische Vorbehalte kennen und schätzen gelernt. Der massive psychologische Druck auf die Belegschaft mit einer Unterschriftensammlung der Geschäftsleitung für Wochenendarbeit wirkte. Es gelang nicht, einen Kampf gegen die Flexibilisierung der Arbeitszeit zu organisieren, und Burda/Murdoch konnten ihre Pläne durchsetzen. Aber viele Kolleginnen und Kollegen konnten aus der Aufarbeitung dieser Auseinandersetzungen klare Schlussfolgerungen gegen die verbreitete „Burda-Familien-Ideologie“ und für die Erkenntnis knallharter kapitalistischer Machenschaften ziehen. Dass die kampflose Hinnahme kapitalistischer Erpressungsmaßnahmen keine Perspektive bietet, zeigte sich dann in der Schließung des Darmstädter Burda-Betriebes wenige Jahre später.