Börsenkurse gehen durch die Decke

Börsenkurse gehen durch die Decke

Inflationsrate bei 2,2 Prozent: Entwarnung? Keineswegs!

Im März ist die offizielle Inflationsrate in Deutschland auf 2,2 Prozent und im Euroraum auf 2,4 Prozent gesunken. Schon seit der zweiten Jahreshälfte 2023 geht sie deutlich zurück. Für Nahrungsmittel zahlten wir im März sogar 0,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Wie ist das zu beurteilen? Können wir jetzt mit stabilen Preisen rechnen? Oder werden die Preise demnächst wieder anziehen?

Von ba
Inflationsrate bei 2,2 Prozent: Entwarnung? Keineswegs!
Lebensmittel werden nicht billiger! (shutterstock_2017774268)

Die in den letzten Jahren hochgepiutschten Preise sinken jedenfalls nicht, mindestens bleiben sie auf hohem Niveau.

 

Von bürgerlichen Ökonomen und Politikern werden mehrere Gründe für das Absinken der Inflationsrate ins Feld geführt: So behaupten einige, die deutliche Erhöhung der Leitzinsen [1] seit Juli 2022 der EZB [2] bis auf 4,5 Prozent zeige jetzt Wirkung. Dadurch hätten Verbraucher weniger gekauft und mehr gespart, und die Unternehmen hätten weniger investieren können. Wegen der sinkenden Nachfrage könnten höhere Preise jetzt nicht mehr einfach auf dem Markt durchgesetzt werden (u.a. „Wirtschaft vor Acht“, 3.4.24). Aber wer konnte denn in den letzten Jahre mehr sparen? Und investiert haben die Unternehmen schon jahrelang vor der Preisexplosion nicht, weil eine Steigerung der Produktion aufgrund schrumpfender Märkte keine Höchstprofite versprach. Da spekulierte man lieber mit den Geldern aus Billigstkrediten.

 

Behauptet wird auch, dass vor allem der Krieg um die Ukraine für die Preissteigerungen verantwortlich war, weil er Energie und Rohstoffe zeitweise drastisch verteuert hätte. Jetzt seien die Folgen des Kriegs aber überwunden und die Preise würden sich stabilisieren, heißt es. Tatsächlich stieg die offizielle Inflationsrate aber schon bis Dezember 2021 auf über 5 Prozent, also lange vor dem Ukraine-Krieg. Ursache war die Umleitung von Unmengen an Spekulationsgeldern aus dem Bereich der Finanzanlagen in die Warenbörsen mit industriellen und landwirtschaftlichen Rohstoffen und Halbfertigwaren. Deren Preise stiegen rasant an, während die Aktienkurse in dieser Zeit deutlich fielen. Der Krieg in der Ukraine wurde zusätzlich benutzt, um mit der Angst vor einem Versiegen der Energiequellen und vor Engpässen in der Versorgung Riesenextraprofite zu machen.

 

Der Versorgungsengpass ist nicht eingetreten. Die spekulative Preistreiberei konnte deshalb in diesen Bereichen nicht unbegrenzt fortgesetzt werden. Das Spekulationskapital verlagerte sich wieder hauptsächlich auf Finanzspekulationen. Seitdem sinken die industriellen Erzeugerpreise wieder und in Folge dessen verlangsamt sich der allgemeine Preisanstieg. Die Börsenkurse klettern seitdem dagegen auf aberwitzige Höhen. Die Spekulanten in den Investmentabteilungen der Banken, Großkonzerne und Vermögensverwaltungen sowie die großen Finanzjongleure erwarten einen Wirtschaftsaufschwung, wenn die EZB die Leitzinsen wieder senken sollte. Sie rechnen  damit, dass dann die Unternehmen wieder mehr investieren und produzieren und die Geschäfte angekurbelt würden. Durch steigende Profite könnten sie dann einen großen Reibach machen.

 

Die Zinspolitik der EZB wirkt aber erstens nur sehr eingeschränkt gegen die Inflation. Denn sie hat auf die durch die Spekulation erzeugten, die Inflation treibenden Preise an den Warenbörsen so gut wie keinen Einfluss. Zweitens können auch noch so niedrige Zinsen heutzutage keinen „Aufschwung“ bewirken: Wenn die Absatzmärkte mit der Ausdehnung der Produktion nicht Schritt halten, können auch Nullzinsen Investitionen nicht beleben. Ein weltweit wachsender Absatzmarkt zeichnet sich aber nicht ab – nur bei der Rüstungsindustrie und bei der Entwicklung der „Künstlichen Intelligenz“ wird deutlich mehr investiert.

 

Die Rohstoffpreise liegen auch weiterhin etwa 40 Prozent über dem Niveau von Ende 2018. Und ein Sinken der Inflationsrate verlangsamt zwar die Preissteigerungen, verbilligt aber die Waren nicht. So lagen im Januar 2024 die Lebensmittelpreise offiziell um 36,5 Prozent über dem Stand von Juni 2018, die Energiepreise um 56,5 Prozent. [3] Außerdem schlagen demnächst die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent bei den Gastronomiebetrieben und bei dem Gaspreis zu Buche. Die CO2-Bepreisung wird zunehmend auf die Verbraucher abgewälzt. Die meisten Unternehmen geben Preissenkungen bei ihrer Energieversorgung nicht an die Kunden weiter. Auch die Netzentgelte steigen und verteuern Energie weiter. Zudem muss man berücksichtigen, dass in der bürgerlichen Statistik mit dem Warenkorb manipuliert wird.

 

Es ist zudem nur eine Frage der Zeit, wann das Kapital der Großspekulanten entweder wieder in die Spekulation mit Rohstoffen wandert, und dann die Inflation erneut hochtreibt, oder durch einen Börsen-Crash verloren geht. So klagt „Starinvestor“ Buffett trotz Riesengewinnen bereits, dass diese vor allem Buchgewinne seien und er kaum noch eine wirklich „sinnvolle Option für den Kapitaleinsatz“ sieht. [4] Sollte die riesige Spekulationsblase platzen, wird das die Weltwirtschafts- und Finanzkrise erneut anfeuern.