Grüner Wasserstoff hat Potenzial

Grüner Wasserstoff hat Potenzial

Was steckt hinter dem Hype „grüne Wasserstoff-Wirtschaft“?

„Wasserstoff muss ein Wundermittel werden“, wünscht sich Prof. Dr. Karsten Pinkwart, Hochschule Karlsruhe und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung. Vorsicht! „Wundermittel“, die im Alltag mit dubioser Werbung reißerisch und teuer als Wunderwaffe angepriesen werden, entpuppen sich oftmals als Betrug, ohne Wirkung oder sogar als schädlich. Genau hinschauen, welchen wissenschaftlich belegten Beitrag Wasserstoff zur Bekämpfung der Klimakatastrophe und Rettung der Menschheit leisten kann, ist also ratsam. Und andere Faktoren der globalen Umweltkatastrophe dürfen dabei auch nicht außer Acht gelassen werden.

Von dr
Was steckt hinter dem Hype „grüne Wasserstoff-Wirtschaft“?
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Wasserstofftechnologie – neues profitables Geschäftsfeld

Bereits unter der Merkel-Scholz-Regierung 2020 wurde eine „nationale Wasserstoff-Offensive“ ausgerufen, die offen die Weltmarktführerschaft beansprucht. Fast 9 Milliarden Euro Subventionen stellte sie bereit. 2022 genehmigte die EU 10,6 Milliarden Euro für Projekte in 13 Ländern. In den USA förderte Präsident Joe Biden 2023 mit 6,5 Milliarden Euro den Aufbau regionaler Wasserstoffzentren. So wundert nicht, dass im 26-köpfigen Nationalen Wasserstoffrat Monopolvertreter von Schaeffler, Linde, Covestro, Siemens Energy, MAN Energy Solutions, ThyssenKrupp Steel und Daimler Truck dafür sorgen, dass die dicken Subventionen in die Taschen der Monopolprojekte fließen. Der Hype um das „Wundermittel“ erweist sich so ganz nüchtern als scheinheilige Rechtfertigung der Umverteilung der Gelder im Staatshaushalt an die Monopole. Nach einer Schätzung der EU-Kommission beträgt der Umsatz 2050 in Europa 800 Milliarden Euro, ein äußerst lukratives Geschäft.

Grüner Wasserstoff hat Potenzial

Wasserstoff ist ein flüchtiges Gas, leicht brennbar in der Mischung mit Sauerstoff im Verhältnis 2 zu 1 explosiv („Knallgas-Reaktion“). Wasserstoff wird seit dem 19. Jahrhundert in der chemischen Industrie, als Auftriebsmittel für Zeppeline und Treibstoff für Raketen benutzt. Er verbrennt, ohne jeglichen Schadstoff zu hinterlassen. Wasserstoff ist nur „grün“, wenn er mittels Elektrolyseverfahren durch die Spaltung von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien und unter Beachtung von Wasserkreisläufen erzeugt wird. „Bunter“ Wasserstoff aus Erdgas mit Strom aus fossilen Energieträgern oder aus AKWs ist umweltschädlich. Der heute fossile Wasserstoff muss unbedingt durch regenerativen ersetzt werden.

Sinnvolle Nutzung erforschen und durchkämpfen

Zur Eindämmung des Ausreifens der globalen Umweltkatastrophe kann Wasserstoff einen wertvollen Beitrag leisten. ThyssenKrupp könnte bei der Stahlherstellung den CO2 -Ausstoß von über 20 Millionen Tonnen pro Jahr durch „Direktreduktion“ mit Wasserstoff senken. Auch würde dadurch die Belastung von Arbeitern und Bevölkerung mit Dioxinen, Feinstaub und Schwermetallen gemindert. Trotz zwei Milliarden Zuschüssen dafür will der Konzern bis 2050 weiter Koks und Erdgas oder alibimäßig etwas „bunten“ Wasserstoff einsetzen. Arbeiter- und Umweltbewegung müssen deshalb die Nutzung von Wasserstoff gemeinsam durchkämpfen. [1] Eine Nutzung als Energiespeicher von überschüssigem Wind- und Solarstrom unter Erhöhung des Wirkungsgrades, wie das die MLPD in den „Leitlinien für ein erweitertes Kampfprogramm“ vorschlägt, muss erforscht werden. [2] Die Nutzung als Antriebsmittel für schwere Fahrzeuge (LKW, Busse), Schiffe und Flugzeuge oder die Umwandlung in Methanol und Ammoniak als leichter transportierbares Antriebsmittel bzw. chemischen Rohstoff z.B. für die Produktion von Kunstdüngern ist möglich.

„Champagner unter den Energieträgern“

Seine elektrolytische Herstellung aus Wasser ist bisher mit hohen Energieverlusten verbunden und teuer. Aufgrund der acht Mal geringeren Energiedichte im Vergleich zu Erdgas bedarf es riesiger Schiffe. Hohe Sicherheitsstandards müssen gelten gegen Gefahren wie Explosionen oder Versprödung von Behältern und Leitungen. Entweicht Wasserstoff verlängert er die Lebensdauer von Methan und schädigt damit indirekt die Ozonschicht. Hauptproblem ist der bisher fehlende Strom aus erneuerbaren Energien, auch in Deutschland. Die installierte Wind- und Solarleistung müsste weltweit 40-fach erhöht werden. Die Bundesregierung will deshalb zwei Drittel des Wasserstoffs durch Importe decken.

Wasserstoff-Neokolonialismus

Wenn in Saudi-Arabien Demonstranten wegen des Widerstandes gegen ihre Vertreibung zum Tode verurteilt oder erschossen werden, kein Problem für die „wertbasierte Außenpolitik“ der Bundesregierung. Profit geht über Leichen. In 27 zumeist afrikanischen Ländern, wird die Bevölkerung für Wasserstoffprojekte vor vollendete Tatsachen gestellt. Nur eine kleine reiche Elite profitiert dort davon. Infrastrukturbedürfnisse durch diese Großprojekte stehen im Widerspruch zum Erhalt der Natur und zu einer selbstbestimmten wirtschaftlichen Entwicklung. Der große Verbrauch von Süßwasser in den oft trockenen Gebieten schafft neue ökologische Probleme.

Echter Sozialismus statt „Transformations“-Märchen

Wasserstoff ist keine Wunderwaffe, sinnvolle Nutzungen müssen erforscht und erkämpft werden. Auch dafür muss die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien durchgesetzt werden. Das ist technisch und finanziell möglich bis 2030 und geht nur mittels weltweitem aktiven Widerstand und in einem gesellschaftsverändernden Kampf für die Umwelt.