Rüsselsheim
Opel-Management sagt Produktionsschichten am 21. März ab – ein Zufall?
Am Mittwoch, dem 20. März, erklärte das Management überraschend, dass in der Fahrzeugmontage im Werk Rüsselsheim die Spätschicht am 20. und 21. März sowie die Frühschicht am 21. März ausfallen müssen. Begründung: „Fehlende Kabelsätze“. Es gab in den letzten Jahren viele Stillstände aus Mangel an Teilen. Aber ausgerechnet am Internationalen Tag gegen Rassismus?! Am 22. März konnte die Produktion dann doch wieder im vollen Umfang weiterlaufen. Breit diskutiert die Belegschaft, was das wieder war – Management-Chaos oder Panik vor der Belegschaft?
Für letzteres spricht einiges: Bereits Anfang März machte die Kollegenzeitung Der Blitz in einer Extra-Nummer Pläne der Geschäftsleitung bekannt, die Produktion massiv zu kürzen und erste Leiharbeiter zu entlassen. Über 20.000 Fahrzeuge würden aus dem Programm fallen. Die Unruhe in der Belegschaft wuchs. Sollten sich die Pläne bewahrheiten, wären Hunderte Arbeitsplätze der Leiharbeitskollegen unmittelbar gefährdet. Die Diskussion flammte auf, den Kampf um die Übernahme, wie er im Juli 2023 erfolgreich begonnen wurde, wieder aufzunehmen. Mit Spannung wurde daher die Betriebsversammlung am 15. März erwartet.
Gleich zu Beginn der Versammlung zogen die Auszubildenden mit ihrem Demonstrationszug in die Halle ein und wurden von den älteren Kollegen mit großem Beifall begrüßt. Mit Transparenten, Trillerpfeifen, #Solidarität-IG-Metall-Westen, IG-Metall-Fahnen und dem gemeinsamen Ruf „Übernahme - unbefristet“ präsentierten sie sich kämpferisch. In der kurzen Rede des Jugend- und Auszubildenden-Vorsitzenden forderte dieser eine Zukunft für die Jugendlichen in der Ausbildung und für die Leiharbeiter. Damit sprach er der Belegschaft aus dem Herzen. In den weiteren Reden machten der IG-Metall-Ortsbevollmächtigte, Daniel Bremm, und Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Schäfer-Klug die Pläne des Vorstands bekannt, die Option zur Vernichtung weiterer 1000 Arbeitsplätze, vor allem in der Entwicklung, zu ziehen. Sie kritisierten heftig den Umgang mit den Leiharbeitskolleginnen und -kollegen und deren Rechtlosigkeit. Daniel Bremm deckte die Wahnsinns-Bonuszahlungen an Stellantis-Chef Carlos Tavares auf und warb für eine starke Tarifrunde 2024.
Unverständnis erntete er aber dafür, die „Realitäten dieses Wirtschaftssystems“ zu akzeptieren. Das kann doch nicht heißen, sich unterzuordnen – im Gegenteil! Die Kritik am Management wurde aus den Reihen der Belegschaft weiter geführt. In den vorgetragenen E-Mails aus der Belegschaft und in der Aussprache wurden die falschen Versprechungen des Managements, die Spaltung gegen andere Standorte, Rassismus, Repression, antikommunistische Spaltung und der Umgang mit der Jugend kritisiert. Die Forderungen nach dem Stopp der Arbeitsplatzvernichtung nach der Übernahme bei Opel und nach einem Ende des Verzichts kamen zur Sprache. Breit bekannt machten Redner den Vorschlag aus Köln, am 21. März für 15 Minuten die Arbeit gegen die AfD und die Gefahr des Faschismus niederzulegen.
In seiner Rede gab sich Personalchef Ralph Wangemann dagegen windelweich, ging auf keine der drängenden Fragen und Themen konkret ein. Selbst auf Nachfragen mauerte er „nichts stünde fest“ oder drehte sich vom Mikrofon weg. Dafür gab es massive Buh-Rufe und Pfiffe. Die Belegschaft machte klar: Der Kampf um jeden Arbeitsplatz kommt wieder auf die Tagesordnung. Umso mehr standen Aussagen von Daniel Bremm und Wolfgang Schäfer-Klug in der Kritik, einige Redner würden die Anliegen der Leiharbeiter politisch missbrauchen, würden die „falschen oder zu viele Tabletten nehmen, den Zukunftstarifvertrag zu kündigen würde Tavares freuen“. Dabei ist die Kritik an den immer neuen Sozialplänen berechtigt und muss in der IG Metall ausgetragen werden.
Nur drei Tage später platzte die Hinhaltetaktik von Wangemann. Die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion wurden von ihren Vorgesetzten in kurzen Ansprachen darüber informiert, dass in Kürze eine Schichtumstellung in Kraft tritt. Eine Schicht soll voll durchfahren und 300 Autos produzieren, die andere Schicht soll mit halber Belegschaftsstärke knapp 200 Autos fahren. Die Empörung in der Belegschaft war groß. Im Vertrauenskörper und in den Abteilungen gab es intensive Diskussionen. „Wenn Opel bei den Leiharbeitern durchkommt, haben sie freie Bahn. Soweit darf es nicht kommen.“ Andere meinten: „Das ist doch genau der Punkt: Die AfD will uns Arbeiter mit ihrem Rassismus spalten. Wir alle sollen rechtlos werden. Streiken wird bald ganz verboten. Da passt die Woche gegen Rassismus und die Idee, am 21. März zu streiken, ganz genau!“. Drei Tage lang gingen die Diskussionen hin und her, wurde sich mit Hoffnungen, Ängsten, falschen Versprechungen auseinandergesetzt, darüber, wo wir hier leben und fast keine Rechte haben, über das Vertrauen in die eigene Kraft diskutiert – und wie der Kampf praktisch geführt werden muss.
Das hat wohl auch das Management mitbekommen – und zog mit den Schichtabsagen die Reißleine. Das führt uns einmal mehr vor Augen, wie groß die Angst des Managements vor der Belegschaft ist.