Batterieproduktion
Northvolt-Fabrik in Dithmarschen: Ein großer Wurf?
Mit dem Werfen von Boßel-Kugeln, einem an der Nordseeküste traditionsreichen Spiel, wollten am Montag Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sowie aus Schweden der Northvolt[1]-Firmenchef (CEO) Peter Carlsson und Botschafterin Wand-Danielsson den Baustart einer großen Batteriefabrik im ländlichen Dithmarschen als großen Wurf und „zukunftsweisend“ für Deutschlands Wirtschaft präsentieren.
Diese grenzüberschreitende Investition sei ein Beweis dafür, dass Deutschland ein starkes Industrieland ist, beeilte sich Scholz zu erklären. „Dithmarschen-Geschwindigkeit“ nannte er den Pragmatismus, mit dem alle Bedenken der Anwohner gegen den Bau schnell vom Tisch gewischt wurden.
Dabei hatte Northvolt sich vor allem deshalb für den Standort bei der Kleinstadt Heide entschieden, weil 902 Millionen Subventionen für den 4,5 Milliarden Euro teuren Bau von den deutschen Behörden zugesagt wurden. Northvolt hatte im Oktober 2022 seine Zusage fast schon zurückgezogen, als in den USA das „Inflation Reduction Act" verabschiedet wurde, das ebenfalls hohe Subventionen versprach. Aber die deutschen Regierungsstellen überboten im „Subventions-Wettbewerb“ die amerikanischen. Außerdem wurden von den überörtlichen Politikern eine Reihe weiterer Versprechen gemacht. So soll der Ausbau der Infrastruktur u.a. durch die Anbindung des Werkes an eine neue Bahnlinie ausgebaut oder die Versorgung mit besonders billigem Industriestrom gewährleistet werden.
Um die Zustimmung der breiten Öffentlichkeit zu erhalten, wurde die neue Fabrik als wahres grünes Wunder vorgestellt. „Für uns müssen Sie keine Stromtrasse bauen!“ versicherte Northvolt-Deutschlandchef Christofer Haux. Klar, weil Dithmarschen einer der wenigen Landkreise in Deutschland mit einem Überschuss an grünem Strom ist. Und Habeck fabulierte, der Hauptgrund für Northvolts Entscheidung sei „die Dichte an grünem Strom. Die Windkraft wird zu einem Magneten für Firmenansiedlungen."
Die neue Bahnlinie müsste durch viele landwirtschaftlich genutzte Flächen führen. Der Gleisanschluss werde mindestens zehn Jahre dauern, so der Bürgermeister von Norderwöhrden, Kay-Uwe Evers. LKWs werden von Heide aus also massenhaft durchs Land brettern.
Ende 2023 verkündete Northvolt, dass ihnen die Entwicklung des Prototyps einer Natrium-Ionen-Batterie gelungen sei. Allerdings steht der Zeitpunkt der Serienreife noch in den Sternen. Bislang kommt die neue Batterie bei weitem nicht an die Reichweite von Lithium-Ionen-Akkus heran. Zudem ist Northvolt bisher vor allem bekannt als Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien. Erst 2022 vereinbarten Northvolt und der portugiesische Energiekonzern Galp den Bau einer großen Lithium-Aufbereitungsanlage. Eine durchschnittliche Batterie eines Elektrofahrzeugs enthält etwa 10 Kilogramm Lithium, 14 Kilogramm Kobalt und 20 Kilogramm Mangan. Lithium wird äußerst umweltschädigend in Chile und Australien produziert. Für ausreichend Mangan sollen große Teile des Meeresbodens irreversibel zerstört werden. Und bei der Produktion von Kobalt werden im Kongo Kinder bis hin zu tödlicher Erschöpfung ausgebeutet. Hier ist keinerlei „grüne“ Vision von Northvolt zu entdecken. BMI, eine Forschungseinheit von Fitch Solutions, prognostizierte schon für 2025 ein Lithium-Versorgungsdefizit. Eine Verknappung ist auf jeden Fall absehbar. Das könnte zu starken Preiserhöhungen bei Lithium-Ionen-Batterien führen. Deshalb treibt die kapitalistische Konkurrenz zur Entwicklung neuer Batterie-Arten.
Allerdings stammen fast 90 Prozent der Patente im Zusammenhang mit der Natrium-Technologie aus China [2]. "Wir hinken China im Bereich Batteriezellen und Elektromobilität meilenweit hinterher. Aber dennoch ist es entscheidend, dass wir an dem Punkt nun ansetzen, um den Anschluss nicht zu verlieren", erklärte Professor Dr. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) die Hintergründe der „Dithmarschen-Geschwindigkeit“.
Aber selbst wenn zukünftig Natrium-Ionen-Batterien für eine stark steigende Anzahl von E-Autos produziert würden: Die Produktion jeder Art von Batterien für Antriebssysteme ist sehr CO2-intensiv – erst durch eine längere Nutzung in E-Autos kann das wieder ausgeglichen werden. Die geplante Millionenproduktion solcher Batterien bedeutet daher in jedem Fall eine Zementierung des Individualverkehrs, statt umzusteuern auf den massiven Ausbau eines öffentlichen Nahverkehrs, der mit ebenfalls neu zu entwickelnden Batterien betrieben werden könnte. Das ist aber auf der Grundlage der kapitalistischen Profitwirtschaft kaum vorstellbar.