Russland
Putin wird (ohne echte Konkurrenz) wieder gewählt
114 Millionen Menschen waren wahlberechtigt, zumindest theoretisch. Putin nimmt 87 Prozent der Stimmen für sich in Anspruch und ist damit, wieder einmal, Präsident der Russischen Föderation. Es wird seine fünfte Amtszeit. Landesweit gab es verschiedene Proteste bis hin zu Sabotage-Akten, ebenso massive Einschüchterung und Gewalt gegen die Opposition. Die Wahlbeteiligung wird dennoch mit über 70 Prozent angegeben, der höchsten Wert bei einer russischen Präsidentenwahl.
Steinmeier gratuliert übrigens nicht – nun denn. Irgendwie möchte man doch überrascht sein, wenn man bedenkt, dass deutsche Bundespräsidenten traditionell doch eigentlich jede noch so blutige Hand mit Begeisterung schütteln, aber gerade jetzt wäre das nicht im Sinne des westlichen Imperialismus.
Westliche Beobachter stellen den systematischen Betrug heraus: Angestellte staatlicher Firmen seien zur Stimmabgabe gedrängt worden und hätten Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein vorlegen müssen. Ebenso sollen Urnen mit vorher ausgefüllten Stimmzetteln gestopft worden sein. Ob derart offensichtliche Methoden des Wahlbetrugs sinnvoll gewesen wären, sei mal dahingestellt. Denn bei allen Rufen, die Wahl sei manipuliert gewesen (woran wir auch keinen großen Zweifel haben), müssen selbst westliche Analysten einräumen, dass Putin nach wie vor eine mehrheitliche Unterstützung unter der Bevölkerung hat. Das liegt natürlich zu einem guten Teil daran, dass er – wie sagen wir in Deutschland so schön – „alternativlos“ ist. Doch unzweifelhaft griff das Regime auch zum Mittel der Gewalt, so wenn in den besetzten ost-ukrainischen Gebieten bewaffnete Soldaten die Wahlhelfer begleiteten, die mit den Urnen von Haus zu Haus gingen.
Der Ultrareaktionäre Sluzkij von der LDPR hat 3,19% der Stimmen erhalten. Der bürgerlich-liberale Dawankow („Nowije Ljudiy“) hat 3,79% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung ist offiziell gestiegen auf 74,22% (67,5% in 2018).
Charitonow hat für die KPRF 4,3% der Stimmen erhalten. Die revisionistische Partei ist offen auf Putins Kriegskurs geschwenkt und steht auf Grundlage des Sozialchauvinismus. Dass der Parteivorsitzende Sjuganow alles andere als ein Kommunist, sondern ein daher gelaufener Chauvinist ist, wird in seiner heutigen Stellungnahme deutlich, in der er Putin huldigt: „Wir sollten auch Wladimir Putin gratulieren, der als nationaler Führer zu den Wahlen angetreten ist. Er hat erklärt, dass seine Priorität die Souveränität ist ... All dies hat großes Vertrauen in den Präsidenten geschaffen." Die DKP, die immer noch unter dem Firmenschild des Kommunismus in Deutschland agiert, hat die sozialchauvinistische Erklärung der KPRF zum Ukraine-Krieg unterschrieben und veröffentlicht regelmäßig deren Artikel. Die KPRF bezeichnet die DKP als ihre Bruderpartei. So tief sind die Revisionisten gesunken, dass sie chauvinistischen Kriegstreibern wie Putin liberal oder gar aktiv unterstützend gegenüber treten!
Putin macht sich den revisionistischen Verrat ehemals kommunistischer Organisationen zunutze. Er deklariert, dass der Zusammenbruch der UdSSR eine Katastrophe für Russland gewesen sei – wobei er nicht dem Sozialismus nachtrauert, sondern der sozialimperialistischen Supermacht Sowjetunion. Er nutzt das Ansehen Stalins, um dessen Leitung des antifaschistischen Kampfs gegen den Hitler-Faschismus als Eroberungsfeldzug Russlands zu diffamieren.
Mit dieser Mischung aus offener Reaktion, Unterdrückung und Faschismus bei raffinierter Demagogie ist es Putin gelungen, sich noch an der Macht zu halten und eine bestimmte Massenbasis aufzubauen. Doch: Seine Massenbasis bröckelt. Das vor dem Hintergrund, dass der Krieg in der Ukraine mittlerweile für keine Seite zu gewinnen ist.
Der fortschrittliche Stimmungsumschwung in Russland ist angesichts des Umfangs der Wahlmanipulation und der Unterdrückung jeglicher linker oder gar revolutionärer Opposition im Stimmenergebnis kaum abzulesen. Dennoch existiert und entwickelt er sich unübersehbar! Dies nicht nur in der Tatsache, dass Tausende im ganzen Land bei der Aktion „mittags gegen Putin“ teilnahmen. Die "Union der Maoisten aus dem Ural", Mitglied der revolutionären Weltorganisation ICOR, berichtet davon: „In vielen Wahllokalen in Tscheljabinsk und Jekaterinenburg wurden verschiedene Massenversammlungen organisiert. Alle diese Massenversammlungen wurden entweder bis 12 Uhr mittags organisiert oder waren für 13 Uhr geplant.“
Bereits 70.000 Frauen haben sich auf der Plattform „Der Weg nach Hause“ für die Rückkehr russischer Soldaten, ihrer Männer und Söhne, zusammen gefunden. Die Kriegsmüdigkeit greift um sich. Genossen aus Russland berichten Rote Fahne News, dass selbst nach bürgerlichen Umfragen 40% und mehr das Ende des Kriegs fordern. Der Kandidat Boris Nadeschdin ist ein bürgerlich-liberaler Politiker, der aber eine Anti-Kriegshaltung einnimmt. 200.000 Menschen unterschrieben in diesem Ansinnen für seine Wahlzulassung – mehr als benötigt – doch die russischen Behörden ließen ihn nicht zur Wahl zu unter vorgeschobenen Begründungen.
In Baschkortostan demonstrierten bis zu 10.000 Menschen gegen die Inhaftierung des kämpferischen Umweltaktivisten Fail Alsynov und lieferten sich heftige Gefechte mit dem Staatsapparat. Er hatte ausdrücklich auch gesagt: „Das ist nicht unser Krieg!“ Auch in Demonstrationen wegen des plötzlichen Tods von Nawalny kommt der Protest gegen das brutale Vorgehen des Putin-Regimes zum Ausdruck – ungeachtet der Tatsache, dass Nawalny selbst ein reaktionärer Nationalist war.