Vorgezogene Parlamentswahlen

Vorgezogene Parlamentswahlen

Portugal: Ultrarechte, faschistoide Strömung gewinnt an Einfluss

Am Sonntag fanden in Portugal vorgezogene Parlamentswahlen statt. Sie waren angesetzt worden, weil der bisherige Regierungschef Costa (Partido Socialista) wegen Korruptionsvorwürfen gegen sein Umfeld im November seinen Rücktritt eingereicht hatte.

Von agl/fjs
Portugal: Ultrarechte, faschistoide Strömung gewinnt an Einfluss
Das portugiesische Parlamentsgebäude in Lissabon. Von Joaomartinho63 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16714743

Es wurde abkassiert beim Bau eines Computerzentrums und bei der Vergabe von Lithiumrechten. Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten. Die Partido Socialista, seit 2015 an der Regierung, stürzte von 41,4% vor zwei Jahren ab. Sie erhielt nur noch 28,7% der Stimmen und landete auf dem zweiten Platz. Die Wahlbeteiligung ist stark gestiegen. Sie lag bei rund zwei Drittel der 10,8 Millionen Wahlberechtigten. Vor zwei Jahren waren es 58 Prozent.

 

Die Ergebnisse der vorgezogenen Parlamentswahlen zeigen eine Loslösung der portugieischen Massen von den bisher regierenden bürgerlichen Parteien. Die Massen sind unzufrieden über die steigende Inflation, Armut und Wohnungsnot. Die Wahlen zeigen aber auch, dass den Massen noch eine fortschrittliche Alternative fehlt, und eine gefährliche Rechtsentwicklung. Die União Marxista-Leninista Portuguesa (Marxistisch-Leninistischer Portugiesischer Bund; UMLP - Mitglied der rrevolutionären Weltorganisation ICOR) schreibt in ihrer Erklärung vor der Wahl: "Alle vier Jahre, dieses Mal früher, sind wir aufgerufen, eine Grenze zwischen dem größeren Übel und dem kleineren Übel zu ziehen, mit der wir in den folgenden Jahren regiert werden."

 

Die Regierungsparteien der letzten Jahrzehnte wurden abgestraft, die letzte Regierungspartei PS verlor gut 436.000 Stimmen und auch der "Wahlsieger", die konservative PSD (angetreten im Wahlbündnis AD) verlor 259.000 Stimmen. Offenbar hat ein größerer Teil der bisherigen Nichtwähler die faschistoide Chega gewählt, die stark dazu gewinnen konnte (18 Prozent, über eine Million Stimmen, +723.000 Stimmen). Diese tritt ähnlich wie die  AfD in  Deutschland mit rassistischer Flüchtlingshetze auf, aber auch mit sozialer Demagogie, scheinbar gegen die Korruption und soziale Mißstände. Übersetzt heißt ihr Name Chega "Es reicht".

 

Eine wirkliche Perspektive ist den Massen insbesondere auch erschwert durch den in Portugal starken Revisionismus. Die sogenannte kommunistische PCP, die auch den größten Gewerkschaftsdachverband dominiert und in der Vergangenheit Minderheitenregierungen der PS unterstützt hatte, wurde abgestraft und bekommt noch vier statt bisher sechs Parlamentssitze (- 34.000 Stimmen). Gewonnen haben aber kleinere linksreformistische,  revisionistische und trotzkistische Parteien, "livre" gewann sogar 130.000 Stimmen dazu, BE über 33.000 und die PCTP/MRPP fast 4000.

 

Die UMLP schreibt richtig: "Reaktionäre und sogar offen faschistische Kräfte zeigen bei diesen Wahlen, 50 Jahre nach dem 25. April, ihr Wesen und treten durch die 'Türen, die der April' nicht geschlossen hat, ein, weil er es nicht geschafft hat, den Kapitalismus und seinen Unterdrückungsapparat zu zerstören." Sie kritisieren damit sehr berechtigt die Illusionen, die die portugiesischen Revisionisten mit dem 50. Jahrestag des 25. April 1974 verbinden. Mit der sogenannten "Nelkenrevolution"  wurde zwar erfolgreich die Militärdiktatur gestürzt und die bürgerliche Demokratie wieder installiert, was aber vor allem gegen den Einfluss der Kommunisten und die Gefahr einer sozialistische Revolution gerichtet war. Damals war übrigens auf Betreiben des deutschen Staates und der SPD die PS als Bollwerk gegen den Einfluss der Kommunisten gegründet worden - jene Regierungspartei, die jetzt in Portugal abgestraft wurde. 

 

Die UMLP schlussfolgert so: "Wir wissen, dass, solange es Kapitalismus gibt, die Gefahr des Faschismus bestehen wird, weil der bürgerliche Parlamentarismus ihn in sich trägt. Damit wir eines Tages wirklich 'Nie wieder Faschismus' bekräftigen können, ist die Zeit reif für eine neue Offensive für den echten Sozialismus, denn Antikommunismus und Faschismus wollen uns unsere Gedankenfreiheit stehlen und die Kampfkraft der Arbeiter und der Massen schwächen. .... Für den Aufbau der Portugiesischen Revolutionspartei! Für die sozialistische Revolution!"

 

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