Streik im ÖPNV

Streik im ÖPNV

Verboten gut – Solidarität!

Beim ersten Streiktag der Tarifrunde für einen neuen Manteltarifvertrag im Öffentlichen Nahverkehr waren wir vor dem Streiklokal in Stuttgart-Gaisburg. Ein Bericht.

Korrespondenz
Verboten gut – Solidarität!

An dem Mittwoch, 21. Februar, kamen wir, zwei Genossinnen der MLPD, etwa um 8.30 Uhr vor dem Streiklokal an. Es sind schon drei junge Leute von Fridays for Future (FFF) da.

 

Wir haben ein Plakat der Kinderorganisation ROTFÜCHSE dabei. Die Kinder mussten leider in die Schule, deshalb bringen wir es für sie mit. Glaubt nicht, dass das bei ihnen ohne Diskussionen abgegangen wäre. Für jene Rotfüchse, die zu Hause schon mal über Streik gesprochen hatten, war die Sache schnell klar. Die anderen fanden Streik erst nicht so gut. Wie sollten sie in die Schule kommen? Oder zum Sport? Das Ergebnis ihrer Diskussion stand dann auf dem Plakat: „Liebe Bus- und Straßenbahnfahrer/innen, vielen Dank, dass ihr uns immer fahrt. Wir finden es gut, dass ihr streikt, weil sich sonst nichts ändert. Wir finden es gut, wenn ihr kürzer arbeitet, dann seid ihr nicht so müde und besser gelaunt. Und dann habt ihr mehr Zeit mit euren Familien. Viel Erfolg! Eure Rotfüchse.“

 

Ich finde, das ist ein gutes Plakat. Die Kinder haben sich einiges überlegt. Jetzt stehen wir vor dem Werkstor mit dem Plakat und erfahren von den jungen FFF'lern, dass niemand „betriebsfremdes“ auf das Gelände darf. Sie berichten, dass immer wieder Kollegen zum Tor kommen. Als wir einen ansprechen, meinte er, dass er es im Streiklokal berichten will. Kurze Zeit darauf kommen etwa zehn Kolleginnen und Kollegen heraus. Ihnen lesen wir das Plakat der Rotfüchse vor und übergeben es. Das macht großen Eindruck. Ich stelle dann die Rotfüchse als Kinderorganisation der MLPD vor und erkläre, dass die MLPD für das Prinzip steht, dass kein Streik der Arbeiter allein bleiben darf. Daraufhin klatschen die Kolleginnen und Kollegen.

 

Wir erklären unsere Solidarität mit ihren Forderungen für kürzere Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und bessere Arbeitsbedingungen. Dann geht es los mit den Diskussionen, aber nicht nur um Tariffragen! Wir diskutieren, dass jeder Streik einen politischen Aspekt hat und dass es nicht allein um öffentliche Verkehrspolitik geht.

 

Die Arbeiter müssen sich über die Perspektive eines anderen Gesellschaftssystems, den echten Sozialismus, auseinandersetzen und diskutieren. Der  Kapitalismus fordert uns heraus, mit seinen Kriegen, seiner Umweltzerstörung und menschenverachtenden Politik, die Welt nicht so zu hinterlassen. Es geht um eine neue Gesellschaft, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, in der die Kinder und Jugendlichen eine Zukunft haben. Ein Kollege erzählt, dass seine vierjährige Tochter nach einer Sendung über Schadstoffe von Autos, ihn heulend gefragt hat, ob das Auto der Familie auch so schädlich für die Umwelt sei. Ein anderer berichtet, dass er für sein Kind zwar einen Kita-Platz bekommen hat. Doch die Kita schließt schon um 14.20 Uhr: „Es werden Milliarden in den Krieg investiert. Wir sind beide berufstätig und bekommen keinen vollständigen Kita-Platz, weil es an Erzieherinnen mangelt.“

 

In den Gesprächen erfahren wir, dass der Vorstand der SSB es dieses Mal ausdrücklich verboten hat, dass „Betriebsfremde“ auf das SSB-Gelände dürfen. Die Kollegen sind sauer und haben kein Verständnis für dieses Verbot der Solidarität. Hat der SSB-Vorstand etwa Angst vor der Unterstützung des Streiks durch die Bevölkerung? Denn diese zeigte Verständnis bis Sympathie: „Es gab kein Murren, als der Streik bekannt gegeben wurde.“

 

Auch bei den Kollegen ist die Streikbereitschaft groß, manche meinen gar:“Endlich wird richtig gestreikt!“ Die versuchte Verhinderung unserer Solidarität hat sich so eigentlich in das Gegenteil verkehrt. Solidarität – verboten gut!