Bezahlkarte

Bezahlkarte

Nur 10 Prozent der Auslandsüberweisungen gehen in die Herkunftsländer der Flüchtlinge

Die Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge wird vor allem mit der Behauptung gerechtfertigt, Flüchtlinge würden große Geldsummen an ihre Familien ins Ausland schicken und nicht für sich selbst verwenden.

Von us

Die Bild-Zeitung schrieb am 23. Februar reißerisch: „Jeder zweite Flüchtlings-Euro“ geht ins Ausland. Quelle? Helene Bubrowski, früher bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), heute stellvertretende Chefredakteurin bei Table.Media, einem Verlag, der sich auf kostenpflichtige Newsletter mit einem monatlichen Abo-Preis von rund 200 Euro spezialisiert hat. Bei Markus Lanz sagte sie, sie wisse das von einer afghanischen Ärztin, die ihr das vor Jahren erzählt habe. Für Markus Lanz jedenfalls genug, um die ganze Sendung darauf aufzubauen. So viel zu seinem journalistischen Anspruch.

 

Abgesehen davon, dass es selbstverständlich ist, dass man sich in Notlagen innerhalb der Familie aushilft, bleibt es ein Rätsel, wie Asylbewerber mit einem Taschengeld von 146 Euro im Monat, das für alles außer Miete und drei Mahlzeiten in der Unterkunft reichen muss, solche Summen ins Ausland transferieren sollen.


Gut, das ist von der Bild-Zeitung und Markus Lanz, mag mancher denken, aber die Regierung hat sicher seriösere Zahlen. Doch weder bei den zuständigen Stellen im Bund noch in den Ländern gibt es Daten, die diese Behauptung stützen. Auf eine Anfrage von Telepolis antwortete die Berliner Senatsverwaltung: "Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, inwieweit Asylsuchende von ihren Leistungen Geld ins Ausland überweisen" Auch das Bundesfinanzministerium erklärte, es lägen keine Daten vor. Das rheinland-pfälzische Integrationsministerium räumte ein, dass es solche Daten gar nicht geben könne: „Über die tatsächliche Verwendung des gesetzlich normierten und verfassungsrechtlich bestimmten Bargeldbetrages (dem sog. Taschengeld) – als ein Teil der Leistungen an Asylbewerbende – [könne] keine derartige Prüfung oder Erhebung stattfinden". (telepolis, 28.2.24)


Für alle Landesregierungen und die Bundesregierung ist die fehlende Datenlage kein Grund, die Einführung der Bezahlkarte nicht zu beschließen. Gesetzgebung auf Basis von Fake News, anders kann man das nicht nennen. Verschiedentlich wird versucht, der Einführung der Bezahlkarte noch den Stempel des Bürokratieabbaus aufzudrücken, obwohl es bereits zahlreiche glaubwürdige Stellungnahmen dazu gibt, dass der bürokratische Aufwand steigen wird.

 

Die Weltbank schätzt, dass im Jahr 2022 17,74 Milliarden US-Dollar aus Deutschland in andere Länder überwiesen wurden. Daten zu Aufenthaltsstatus und Staatsangehörigkeit liegen nicht vor. Laut Mediendienst Integration gehen nur etwa 10 Prozent dieser Rücküberweisungen in die Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden. Der Großteil geht in europäische Länder wie die Türkei, Rumänien und Polen.


Die ganze Kampagne zur Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge dient also nur dazu, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen und ihre ohnehin minimalen Rechte weiter zu beschneiden.


Übrigens: Laut Weltbank flossen 2022 Rücküberweisungen in Höhe von 19,29 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland nach Deutschland, also 1,5 Milliarden mehr als abflossen. Müssen die wieder zurückgezahlt werden, an die Länder, aus denen sie stammen? Die Bundesregierung sieht das wohl nicht so eng.
Schluss mit der Entrechtung und Stigmatisierung von Flüchtlingen! Rücknahme der Einführung der Bezahlkarte! Volle Arbeitserlaubnis für alle Flüchtlinge! Gleiche Rechte und Pflichten für alle, die dauerhaft in Deutschland leben!