Kriegsführung

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Der Abhörskandal der Bundeswehr - Diskussion in den bürgerlichen Medien lenkt von Verschärfung des Kriegs ab

Fünf Offiziere der Luftwaffe wurden vom russischen militärischen Nachrichtendienst GRU abgehört. Die Besprechung von rund 38 Minuten sollte eine Beratung mit Verteidigungsminister Pistorius ausrichten – dieser wollte sich über den Taurus informieren lassen. Im Zuge der Besprechung erläutern die Offiziere die Einsatzmöglichkeiten des Taurus, die Anwesenheit britischer Militärangehöriger in der Ukraine, konkrete technische Fragen, (fehlende) Informationen über die russische Luftverteidigung – und wie sich mit dem Taurus die Krim-Brücke sprengen ließe. Beide Seiten nutzen den Vorfall für ihre psychologische Kriegsführung. Wesentlich ist nicht die Abhör-Affäre selbst, sondern die Verschärfung des Ukraine-Kriegs.

Von fu
Der Abhörskandal der Bundeswehr - Diskussion in den bürgerlichen Medien lenkt von Verschärfung des Kriegs ab
Die in Russland gebaute Su-24 könnte Taurus-Marschflugkörper tragen; allerdings hat die ukrainische Luftwaffe laut der abgehörten Besprechung nur noch eine "einstellige" Zahl. (Bild: Eugene Dmitriyenko)

Die russischen Akteure erklären, Deutschland plane konkrete Schläge gegen russisches Territorium. In der jüngsten Sendung von „Vesti Nedeli“ (dt. „Nachrichten der Woche“) des Senders Rossija 1 schlug der Journalist und Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja Dmitri Konstantinowitsch Kisseljow vier Brücken in Deutschland vor, die man als Vergeltung für eine mögliche Attacke auf die Krim-Brücke zerstören könnte: die Hohenzollern-Eisenbahnbrücke in Köln, die Fehmarnsund- und Rügenbrücken in Norddeutschland und die Wasserbrücke Magdeburg.

 

In den bürgerlichen Medien wird im Konjunktiv gesprochen, dieses oder jenes solle gesagt worden sein. Die Sprachrohre der deutschen Imperialisten lassen verlautbaren, Russland führe mit der Veröffentlichung seines Spionageerfolgs einen hybriden Krieg gegen die Bundesrepublik, einen Informationskrieg. Damit lenken sie aber auch von dem ab, was tatsächlich gesagt wurde.

Die Rote Fahne jedenfalls gibt sich nicht mit Spekulativen zufrieden und hat sich stattdessen mit dem Mitschnitt selbst beschäftigt: Wir behandeln, was gesagt wurde.

Hochrangigste Offiziere

Der Mitschnitt gelang dem russischen Geheimdienst wahrscheinlich über den Zugang von Brigadegeneral Frank Gräfe, der an der Konferenz aus seinem Hotelzimmer in Singapur teilnahm, weil der Mitschnitt mit seiner Konferenzanfrage beginnt. Die Mithörer gelangen also mit ihm in die Konferenz, während man ihn selbst zuvor schon hört. Gräfe ist Abteilungsleiter für Einsätze und Übungen im Kommando Luftwaffe in Berlin und war außerdem ab 2019 Militärattaché der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinigten Staaten an der Deutschen Botschaft Washington.

 

Darüber hinaus nehmen der Hauptmann „Irgang“ sowie die Oberstleutnant „Fenske“ und „Florstedt“ teil (Anm.: Die Namen können nicht sicher verstanden werden und ihre Schreibweise ist unklar, weswegen wir sie hier in Anführungsstriche setzen). Als letzter kommt der Ranghöchste in die Konferenz: Inspekteur der Bundesluftwaffe Generalleutnant Ingo Gerhartz.

 

Die Konferenz wurde einberufen, weil Kriegsminister Pistorius über den Taurus-Lenkflugkörper informiert werden wollte. Gerhartz bezeichnet die beiden Oberstleutnant im Gespräch als die „Experts“, die Pistorius zur Not alleine beraten sollen. Die Offiziere kommen vom Zentrum Luftoperationen der Luftwaffe und dem Taktisches Luftwaffengeschwader 33 – stationiert in Büchel. Dabei handelt es sich um die Einheit, die für den Einsatz der dort gelagerten Atomwaffen zuständig ist; sie soll die ersten F-35 Atomwaffenträger der Bundeswehr erhalten. Aus dem Gespräch geht außerdem hervor, dass in Büchel auch die Einsatzplanung für die deutschen Taurus-Lenkflugkörper stattfindet.

Britische Armee würde Taurus-Einsatz vor Ort unterstützen

Also besprachen die deutschen Offiziere, wie Taurus-Flugkörper in die Ukraine kommen und durch die Ukrainer eingesetzt werden könnten – und gegen welche Ziele.

 

Als Plattform für den Taurus in der ukrainischen Luftwaffe kamen die US-amerikanische F-16 und die russische Su-24 in Frage. Alleine für die Aufhängung, so habe der Taurus-Entwickler MBDA angegeben, brauche man ca. 6 Monate. Die Ausbildung solle dann in Deutschland erfolgen, und zwar zuerst durch „die Industrie“ und dann durch die Bundeswehr. Wie aber könnte die Missionsplanung laufen? Gerhartz erklärt offenherzig: „Ich weiß, wie’s die Engländer machen. Die machen’s ja komplett im Reachback¹. Die haben auch ein paar Leute vor Ort.“ Sie würden nicht nur die Beladung mit der britischen Storm Shadow überwachen, sondern auch der französischen SCALP. „Da haben sie mir schon gesagt, ja Herrgott, sie würden auch den Ukrainern beim Taurus-Loading über die Schulter gucken.“ Dafür bräuchte man also keine deutschen Soldaten vor Ort – weil man britische Soldaten vor Ort hat!

„Stell dir mal vor, das kommt an die Presse“

„Wenn es nachher um den Einsatz geht“, so Oberstleutnant „Fenske“, „dann wäre tatsächlich die Empfehlung, dass wenigstens die ersten Missions unterstützend durch uns erfolgen werden.“ Dazu aber müssten keine deutschen Soldaten vor Ort sein. Eine sichere Leitung aus Büchel könnte eine indirekte Einsatzführung ermöglichen. In jedem Fall müssten die Daten aber in Büchel vorbereitet werden.

 

Generalleutnant Gerhartz schlägt vor, falls das der Politik zu heiß ist, könnte man ein bis zwei „Experts“ zur MBDA nach Schrobenhausen schicken und von dort die Ukrainer anleiten. Falls selbst das der Politik zu brisant wäre, könne man ansonsten ja auch mit einem Auto den Datensatz über die polnische Grenze schmuggeln. Darin sieht Gerhartz nicht das Problem, denn: „Wir wissen ja auch, dass da viele Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten rum laufen.“, deswegen hätten die Ukrainer zumindest die Satelliten-Aufnahmen schon mal. Nachdem er die Anwesenheit britischer Militärberater beiläufig erwähnte, deutet der Inspekteur der Luftwaffe somit auch die Anwesenheit von US-Spionen an.

 

Nach gut zehn Minuten bricht Brigadegeneral Gräfe diese Gedanken ab: „Stell’ dir mal vor, das kommt an die Presse. Wir haben unsere Leute in Schrobenhausen oder wir fahren irgendwie mit dem Auto durch Polen.“ Stattdessen schlägt er vor, die Ausbildung in „Fast-Track“ und „Long-Track“ zu teilen. Fast-Track soll eine verkürzte Ausbildung sein, damit weniger anspruchsvolle Ziele angegriffen werden können. Mit dem Long-Track sollen wie Ukrainer dann in die Lage versetzt werden „die Brücke“ anzugreifen. Dieser Plan findet dann auch die Zustimmung von Luftwaffenchef Gerhartz.

Wie plant man einen Angriff auf die Kertsch-Brücke?

Die deutschen Offiziere besprachen sehr konkret, wie solche Schläge möglich gemacht werden könnten, ohne dass eine Verbindung zu Deutschland hergestellt werden könnte.

 

Oberstleutnant „Florstedt“ erläuterte – mit hörbarer Begeisterung für seinen Beruf – welche Ziele er „mit einem pragmatischen Ansatz“ als geeignet für den Taurus betrachtete. Das seien „einmal so eine Brücke im Osten“ und Munitionsdepots. Munitionsdepots könnten die Ukrainer mit dem Taurus nach wenigen Wochen Ausbildung angreifen. Verglichen mit den anderen Waffen habe man mit dieser Zielauswahl „ein ganz cooles Alleinstellungsmerkmal.“ Er schätzte, man bräuchte 12 Taurus, um die Brücke zu zerstören. „Das bringt es ja schon ganz gut auf den Punkt“, fasst Gerhartz diese Diskussion zusammen, „Wir alle wissen ja, dass sie die Brücke raus nehmen wollen. Das ist klar, wissen wir ja auch, was das am Ende bedeutet.“

 

Dabei macht Gerhartz selbst sich offensichtlich keine Illusionen über den Nutzen einer Waffe wie des Taurus im Krieg als solches, denn „das wird nicht den Krieg ändern.“ Opfer dieser Politik werden die einfachen Menschen sein, die in der Ukraine leben und kämpfen müssen: Gleichgültig, ob sie nun Ukrainer, oder Russen sind.