Ukraine

Ukraine

Demobilisierung der Wenigen und Mobilisierung der Vielen

Selenskyj entlässt langjährige Wehrdienstleistende in Reserve – für 12 Monate. Gleichzeitig bereitet seine Regierung ein Gesetz vor, mit dem Hunderttausende eingezogen werden sollen und das ein schärferes Vorgehen gegen Wehrdienstverweigerer bedeutet.

fu
Demobilisierung der Wenigen und Mobilisierung der Vielen
In einem gepanzerten Fahrzeug auf dem Weg zur Front: 500.000 weitere Ukrainer sollen diese Reise antreten, wenn es nach dem Willen der ukrainischen Regierung geht. (Foto: АрміяInform)

Per Dekret hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 7. März erklärt: Ab April dürfen diejenigen, die bereits vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs im Wehrdienst waren, in die Reserve versetzt und für zwölf Monate von der Einberufung befreit werden. Das heißt auch: Weder Freiwillige, die vor dem 24. Februar 2022 in die Armee eintraten, noch Wehrpflichtige, die danach eingezogen wurden, dürfen nach Hause. Trotzdem ist es ein Zugeständnis gegenüber den Soldatenfrauen und -müttern, deren Demonstrationen trotz allgemeinem Demonstrationsverbot zu einem Symbol der Kriegsmüdigkeit der breiten Massen wurden.

Eine halbe Million neuer Soldaten für die Ostfront

Die zeitweise Entlassung eines Teils der seit zwei Jahren kämpfenden Soldaten soll auch die Debatte um ein neues Gesetz dämpfen, mit dem eine neue Mobilisierungswelle vorbereitet wird. Die ukrainische Armee gerät zunehmend in die Defensive. Im Dezember 2023 hat Selenskyj erklärt, sie brauche 500.000 neue Soldaten.

 

Mit dem Gesetz soll unter anderem das Mobilisierungsalter von 27 auf 25 verringert werden, wovon Zehntausende betroffen wären. Der aktuelle Entwurf sieht allerdings vor, den aktiven Dienst auf drei Jahre zu beschränken. Selbst das ist ein Zugeständnis, denn bisher gibt es überhaupt keine Grenze. Dafür sollen alle Männer ab 18 Jahren dann in einen „Grundwehrdienst“.

Mit Härte gegen Wehrdienstverweigerer

Jetzt schon gibt es in der Ukraine faktisch kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Etwa 750.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter haben das Land verlassen, 200.000 von ihnen haben sich nach Deutschland gerettet. Das neue Gesetz richtet sich auch gegen sie. So forderte Präsidentenberater Serhij Leschtschenko bereits im Februar von den EU-Ländern, die Unterstützung von Flüchtlingen zu beenden. So sollen sie zur Rückkehr in die Ukraine gezwungen werden, wo sie für die Kriegswirtschaft und die Front gebraucht würden.

 

Auch die bisherige Freistellung von Studenten und Männern mit Behinderung sowie von Mitarbeitern in systemrelevanten Berufen steht jetzt zur Debatte. Wer potenziell wehrpflichtig ist, soll in digitalen Datenbanken erfasst werden. Und wer flüchtet, dem droht das Gesetz mit dem Einfrieren seiner Konten und dem Entzug des Führerscheins.