"Fahndungserfolg"

"Fahndungserfolg"

Verhaftung von Daniela Klette wirft Fragen auf

Die plötzliche Verhaftung der jahrzehntelang polizeilich gesuchten Aktivistin der kleinbürgerlich-anarchistischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) wirft zahlreiche Fragen auf.

Von ms.

Daniela Klette hat offenbar seit ihrem Untertauchen jahrelang unter falscher Identität in Berlin gelebt - und das trotz des enormen Aufwands, der angeblich vom Staatsapparat bei der Fahndung nach sogenannten "linken Terroristen" betrieben wurde. Selbst Jörg Schleyer, Sohn des von der RAF 1977 getöteten damaligen BDA- und BDI-Präsidenten Hanns Martin Schleyer, sagte nun gegenüber der Bildzeitung, es sei ihm "unheimlich", dass Klette vom "Verfassungsschutz" unentdeckt und unbehelligt mitten in Berlin leben konnte.

 

Bereits Michael Buback, Sohn des ebenfalls von der RAF getöteten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, hat in seinem Buch "Der zweite Tod meines Vaters" nachgewiesen, dass Spuren für die Verstrickung der RAF mit den Geheimdiensten bewusst verwischt wurden. Er fand heraus, dass diese indirekt mit der Ermordung seines Vaters zu tun hatten und vor allem die daran beteiligte Verena Becker gedeckt haben. 30 Jahre lang hatten die Ermittlungsbehörden behauptet, zwei Männer seien auf dem Motorrad gesessen, von dem die tödlichen Schüsse abgegeben wurden. Bis das ehemalige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock auf Michael Buback zukam und ihm offenbarte, dass Verena Becker auf dem Sozius saß.

 

Ein Teil der Akten dieses Falls liegt nach wie vor unter Verschluss, darunter die über eine mutmaßliche Zusammenarbeit von Verena Becker mit dem "Verfassungsschutz". Der kürzlich verstorbene langjährige Innenminister der Großen Koalition, Wolfgang Schäuble, verweigerte strikt jede Akteneinsicht für Untersuchungsausschüsse und Medien - seine Nachfolger haben daran bislang nichts geändert. Vor allem die Anschläge der "dritten RAF-Generation" werfen wegen ihrer hohen Professionalität, Komplexität und verdeckten Vorbereitung Fragen auf. Alle gefassten Beteiligten hüllen sich seitdem in Schweigen.

 

Die verschiedenen Regierungen nahmen die Attentate und Banküberfälle der RAF von Anfang an zum Vorwand für eine bis dahin beispiellose Faschisierung des Staatsapparats - und zu einer massiven Stimmungsmache für die antikommunistische "Rechts gleich Links"-Theorie. Haben die Geheimdienste also bei weiteren "Terrorakten" nachgeholfen, nachdem die meisten Angehörigen der ersten und zweiten Generation der RAF verhaftet, im Gefängnis unter mysteriösen Umständen gestorben waren oder resigniert aufgegeben hatten?

 

Es spricht viel dafür, dass auch der Aufenthalt von Daniela Klette gedeckt wurde. Es waren vor allem die eigenständigen Nachforschungen von Journalisten der Podcast-Serie "Legion" gemeinsam mit Experten des Recherchekollektivs "Bellingcat", die zu ihr führten.1 Musste der Staatsapparat darauf reagieren, um nicht weitere Nachforschungen zu riskieren, die möglicherweise auf die Spur der Geheimdienste geführt hätten?

 

Die MLPD und ihre Vorläuferorganisation, der KABD, haben stets gegen die Aufrüstung des staatlichen Gewaltapparats unter dem Vorwand der sogenannten Terrorismusbekämpfung Stellung bezogen. Sie haben aber auch nachgewiesen, dass die RAF mit ihren anarchistischen Ideen, planlosen Aktionen und der vollkommenen Loslösung vom Denken, Fühlen und Handeln der Massen zum willenlosen Spielball des Staatsapparats geworden war und dem Befreiungskampf der Arbeiter und Völker dadurch objektiv auch Schaden zugefügt hat.

 

Lenin, den die Antikommunisten gerne als "geistigen Vater" der RAF bezeichnen, schreibt dazu unmissverständlich: "Zwischen dem Sozialismus und dem Anarchismus liegt ein tiefer Abgrund, den die Lockspitzel der Geheimpolizei oder die Zeitungsknechte der reaktionären Regierungen vergeblich als nicht vorhanden hinstellen möchten. Die Weltanschauung der Anarchisten ist eine umgestülpte bürgerliche Weltanschauung: Ihre individualistischen Theorien und ihr individualistisches Ideal sind das gerade Gegenteil vom Sozialismus." (Lenin, Werke, Bd. 10, S. 58/59)