Tausende Arbeitsplätze vernichtet

Tausende Arbeitsplätze vernichtet

Saarlouis: "Einzigartiger" Sozialplan?

2022 hatte Ford angekündigt, die Produktion des Focus und damit die Autoproduktion in Saarlouis im Mai 2025 einzustellen. Davon sind rund 4300 Arbeitsplätze direkt bei Ford und rund 2000 bei Zulieferern von der Vernichtung bedroht.

Von gp
Saarlouis: "Einzigartiger" Sozialplan?
Eingang zum Ford-Werk in Saarloius (foto: Phrontis (CC BY-SA 3.0))

Vorausgegangen war eine perfide Spaltung des Ford-Vorstandes, der die Werke in Valencia und Saarlouis seit 2019 in einem Unterbietungswettbewerb gegeneinander auszuspielen versuchte.

 

Ford traf 2022 die Entscheidung zugunsten von Valencia und gegen Saarlouis. Die Belegschaft war aber nicht bereit, ihre Arbeitsplätze kampflos aufzugeben. Das brachten sie in vielen Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen zum Ausdruck. Sie erfuhren breite Unterstützung von der Bevölkerung und aus anderen Betrieben. Die MLPD schlug den Kolleginnen und Kollegen vor, Verbindung zu den Fordbelegschaften in Köln, Valencia und England aufzunehmen und einen selbständigen Streik zur Verteidigung der Arbeitsplätze vorzubereiten und zu führen. Diese Vorschläge wurden von vielen begrüß und es gelang auch, einige selbständige Kampfaktionen durchzuführen.

 

Die IG-Metall-Führung zermürbte im Verbund mit der Landesregierung die Kolleginnen und Kollegen mit der vagen Hoffnung auf der Suche nach immer neuen Investoren zur Übernahme des Werkes. Als sich dies in eine Luftblase auflöste, verkündete die BR-Spitze, „jetzt bleibt uns nur noch die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag.“ In der zweiten Februarwoche haben sich Geschäftsleitung von Ford, IG-Metall-Führung und BR über einen Sozialtarifvertrag geeinigt, der am 29.2.2024 in Kraft treten soll.

 

Um sich nicht mit der Belegschaft anzulegen, hat Ford sich den Vertrag einiges kosten lassen. Er beinhaltet u. a.:

 

  • Eine Weiterbeschäftigung von 1000 Ford-Beschäftigten bis 2032 zu gleichen Bedingungen. Was die Kolleginnen und Kollegen arbeiten sollen, ist allerdings noch völlig unklar.
  • Ford will eine Abfindung bezahlen: Jeder Beschäftigte soll einen Sockelbetrag von entweder 40 000 oder 70 000 Euro bekommen, je nachdem, ob er vor oder nach 2006 ins Unternehmen kam. Dazu wird ihm das Gehalt bis zur Kündigungsfrist ausgezahlt und je nach Alter und Betriebszugehörigkeit noch eine gewisse Anzahl an doppelten Bruttomonatsentgelten.
  • Bis zu 100 Beschäftigte können noch während ihrer Beschäftigung bei Ford an Qualifizierungsprogrammen teilnehmen und es wird eine Transfergesellschaft gegründet.
  • Die Schließung des Werkes wird bis 30. November 2025 gestreckt, indem schrittweise die Produktion runtergefahren wird.
  • Wer nicht „freiwillig“ die Abfindung nimmt oder sich für einen der 1000 Arbeitsplätze bewirbt, kann ab 31. Mai 2025 betriebsbedingt gekündigt werden! Von wegen „keine betriebsbedingten Kündigungen“ – wer nicht „freiwillig“ seine Kündigung unterschreibt, wird von Ford gekündigt.

 

Am Donnerstag, dem 22. Februar, konnten die noch 3750 Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung über den Sozialtarifvertrag abstimmen. Laut IG Metall war die Zustimmung mit 93,28 Prozent „gigantisch“. Lars Desgranges, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Völklingen, lobte den Sozialtarifvertrag, dass „sich unser Kampf der letzten Monate und Jahre gelohnt“ hat. Die IG-Metall-Führung hat aber nicht, wie von vielen Kolleginnen und Kollegen erwartet, den Kampf um jeden Arbeitsplatz gemeinsam mit den Zulieferern geführt, sondern lediglich um die Bedingungen, unter denen die Arbeitsplätze vernichtet werden. Und natürlich wird der Sozialtarifvertrag über den Klee als „einzigartig im Saarland und in ganz Deutschland“ gelobt. Auch wenn Ford durch die Kampfbereitschaft der Belegschaft zu Zugeständnissen gezwungen war, kann kein noch so „einzigartiger“ Sozialtarifvertrag den Kampf um jeden Arbeitsplatz ersetzen. Denn die Arbeitsplätze sind unwiderruflich für die Jugend verloren.

 

MLPD-Genossinnen und -Genossen haben vor der Abstimmung ein Extra der Kollegenzeitung „Scheinwerfer“ verteilt, in dem sie aufforderten, bei der Abstimmung zum Sozialtarifvertrag mit Nein und für einen selbständigen Streik zu stimmen. Das hat widersprüchliche Reaktionen ausgelöst. Eine Kollegin meinte: „Kampf um jeden Arbeitsplatz, bin ich für, aber dazu ist es jetzt spät.“ So lange Ford produziert, haben die Kolleginnen und Kollegen aber einen Trumpf in der Hand. Und ein Kollege: „Die internationale Einheit der Arbeiterklasse – schön und gut. Aber was ist, wenn wir uns statt der Abfindung auf den Kampf einlassen und die Leute aus Valencia, Köln und England nicht mitziehen?“ Wer sagt denn, dass die anderen Belegschaften nicht mitziehen? Und wer sagt, dass bei der Weiterführung weniger herauskommen kann?

 

Einer der Kollegen meinte: „Wer gegen diesen Kompromiss ist, stellt der sich gegen die Gewerkschaft.“ Es ist genau umgekehrt! Der faule Kompromiss akzeptiert die Arbeitsplatzvernichtung.

 

Die bisherige Geschichte von Ford Saarlouis ist eine Bankrott-Erklärung der Politik des Co-Managements der rechten Gewerkschaftsführung. Eine wichtige Lehre für alle Arbeiterinnen und Arbeiter, die angesichts der in vielen Konzernen angekündigten Pläne zur Arbeitsplatzvernichtung vor der Entscheidung zum Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz und die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich stehen. Diese Forderungen, die die MLPD seit Jahren vertritt und aufgestellt hat, werden aktuell in vielen verschiedenen Belegschaften und Gewerkschaften diskutiert und der Kampf um Arbeitszeitverkürzung wird geführt.