Die bayerische Wolfsverordnung

Die bayerische Wolfsverordnung

Wer schürt die Angst vor dem „bösen“ Wolf?

Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident (CSU), scheute bei der Jagd nach Wählerstimmen für die Landtagswahlen im Herbst 2023 auch den weiten Weg zu den Almbauern nicht. Ganz sorgender Landesvater erklärte er: „Der Wolf gehört hier nicht her!“ (1)

Von gof
Wer schürt die Angst vor dem „bösen“ Wolf?
Junger Wolf (Foto: shutterstock_553562218)

Beifall erhielt er von seinen Begleitern, darunter dem stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) oder dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Spottpreise für ihre Milch, das Preisdiktat der Handels- und Nahrungsmittelkonzerne gegenüber den Bauern – kein Thema. Stattdessen der Wolf.

Zum Abschuss freigegeben

Seit dem 1. Mai 2023 gilt die neue bayerische Wolfs- und Fischotterverordnung. Angeblich dient sie einem wirksamen Herdenschutz für die gefährdete Weidetierhaltung in den Bergen. Aber sie verbessert weder den Herdenschutz noch den Tierschutz. Wie viele rechtsgerichtete Gesetze und Verordnungen sieht sie drakonische Maßnahmen und weitgehende Befugnisse für Vollzugsorgane, in diesem Fall Jäger und Förster, vor. Die Verordnung erlaubt es, nach dem Riss eines Nutztieres Wölfe abzuschießen, ob das übergriffige Tier nun identifiziert ist oder nicht. Ein DNA-Nachweis ist nicht mehr nötig. Ebenso soll der Abschuss von Wölfen erfolgen, wenn sie sich mehr als 30 Meter einem Menschen oder mehr als 200 Meter einer Siedlung nähern.(3) Hoffentlich haben die Wölfe immer ein Maßband dabei!

Treibjagd von rechts

Es klingt kurios, aber diese Art von Wolfsverordnungen ist Teil der Rechtsentwicklung in Politik und Staat. Die bayerische Verordnung ist vielleicht sehr weitreichend, aber nicht die einzige. Zu den Landtagswahlen in Hessen und Bayern überschlugen sich die Kampfansagen an den Wolf. "Jetzt bejagen statt später bereuen", forderte (der hessische) Ministerpräsident Boris Rhein beim CDU-Parteitag. Auch FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas will das Tier im Jagdrecht sehen, "damit es nicht durch die hessischen Dörfer und Kleinstädte trabt". (3)

 

Hubert Aiwanger (Freie Wähler Bayern) ganz (pseudo)wissenschaftlich: Der Wolf „bedrohe" die Freilandtierhaltung und damit die Kulturlandschaft und den Artenreichtum in vielen Regionen Bayerns, die neben der Landwirtschaft auch für den Tourismus existenziell sind". (4) Dem kann der grüne Bundeswirtschaftsminister Cem Özdemir nur noch hinzufügen: „Ich sag nur, machen Sie es. Ich werde Sie nicht daran hindern“. Genau wie Parteikollegin und Bundesumweltministerin Steffi Lemke. „Das Bundesnaturschutzgesetz lässt nicht nur zu, dass Wölfe, die Nutztiere reißen und Zäune überspringen, entnommen werden, sondern auch ganze Rudel.“ (5)

 

Die faschistoide AfD setzt noch einen drauf: „AfD-Umweltpolitiker Karsten Hilse sagte im Bundestag: 'Wie ich in meiner ersten Rede andeutete, zeigen die Ansiedlung der Wölfe und die Migrationskrise viele Parallelen. Der überwiegende Teil lebt vom Sozialstaat und genauso läuft es beim Wolf.'“ (6) Das dümmste Argument ist der AfD für ihre rassistische Propaganda nicht zu schade. In einer „Kleinen Anfrage“ der AfD an die Bundesregierung werden die Wölfe für das Insektensterben verantwortlich gemacht, und eben nicht die Gifte der Agrochemiekonzerne (7). Auch die EU-Kommission will den Schutzstatus der Wölfe von „streng geschützt“ auf „geschützt“ senken. (8) Die Jagd auf die Tiere würde in weiten Gebieten freigeben. Forscher der Universität Amsterdam stellten fest, dass die AfD dort besonders gut abschneidet, wo der Streit um die Wölfe besonders heftig ist und es bereits Angriffe auf Nutztiere gab. Dieser „Wolfs-Bonus“ kann für die AfD bis zu 5 Prozentpunkte mehr ausmachen. Europaweit haben dies ultrareaktionäre bis faschistische Parteien als Thema für sich entdeckt und gehen mit besonders harten Positionen auf Stimmenfang. (9)

Der Wolf bereichert Ökosysteme

Der Wolf ist nicht das Problem. Natürlich ist Vorsicht geboten. Es sind Wildtiere, keine zahmen Hunde. Dennoch wurden in den letzten 30 Jahren keine Attacken auf Menschen bekannt. In Deutschland leben aktuell ca. 1400 Wölfe (184 Rudel, 47 Paare, 22 Einzelgänger). In Europa leben 20.000 Wölfe. Sie töten pro Jahr etwa 65.000 Nutztiere, meist Schafe und Ziegen. In Deutschland etwa 4.300 (in 2022). Bei einem Bestand von 60 Millionen Schafen in Europa sind das 0,065 Prozent, ein halbes Promille. (9)

 

Mit geeigneten Zäunen und Herdenschutzhunden ließe sich diese Zahl noch reduzieren. Die staatlichen Finanzhilfen hierfür sind viel zu gering. Wölfe sind Opportunisten, d.h. sie greifen sich die am leichtesten erreichbare Beute. Macht man ihnen die Jagd schwerer, kehren sie zu ihrer natürlichen Beute zurück, meist alte und kranke Wildtiere. Wölfe sind eine Art Gesundheitspolizei im Ökosystem. Ihr Nutzen ist noch größer, wie der österreichische Verhaltensbiologe Prof. Kurt Kotrschal erklärt: „In Sachsen-Anhalt habe man auf 125 Quadratkilometern Fläche von 2008 bis 2021 untersucht,wie sich die Anwesenheit der Wölfe auf die Natur auswirkt. „Es zeigte sich, dass Wölfe Wilddichten kontrollieren können … Damit verringert sich der Verbiss an vielen Arten von Baumkeimlingen erheblich. Das spare der Forstwirtschaft Geld und der Wald wird verjüngt. Dadurch wird er Klimawandel-fitter und beherbergt mehr unterschiedliche Arten von Lebewesen – die Biodiversität steige.“ (10)

 

Der „Schutz der Ökosysteme und Renaturierung geschädigter und zerstörter Ökosysteme!“ sind heute dringend geboten (11). Und dazu gehört die Rückkehr des Wolfes!