Arbeitsplatzvernichtung bei ZF
Wohin mit der „Wut im Bauch“?
Zum Jahreswechsel eröffnete der internationale Industriekonzern ZF Friedrichshafen AG seinen Generalplan im Kampf um die Weltspitze im Bereich Autozulieferer. Dieser macht 94% der Beschäftigten und 91% des Umsatzes von 43,8 Mrd Euro (2022) aus. [1] Dabei würden mindestens 12.000 Arbeitsplätze vernichtet werden.
Als erstes die Schließung „kleinerer“ Werke in Gelsenkirchen, Eitorf und Damme. Was sind schon ein paar hundert für einen Konzern mit 164.000 Beschäftigten, davon 94.000 in Europa und 50.000 in Deutschland? Allerdings wurden diese paar hundert in Null Komma Nix zu über 3.000 ZF-Kolleginnen und -Kollegen aus ganz Deutschland, die am 14. Januar in Friedrichshafen schon einmal den Vorstand ihre „Wut im Bauch“ spüren ließen.
Auch Annina Reimann, Korrespondentin der „Wirtschaftswoche“, bekam auf dem Marsch zur Konzernzentrale ein erstes Gefühl davon: „Dann setzt der DJ vorne im Auto noch eins drauf. Das Arbeiterlied ‚Internationale‘ dröhnt durch die Gassen. ‚Völker hört die Signale auf zum letzten Gefecht!‘ Und ‚Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun.‘“
Was ist zu tun? Weiter darauf warten, bis der Vorstand mit den angekündigten neuen „Zielbildern“ um die Ecke kommt? Wo doch die Zielbilder des 2020 abgeschlossenen „Tarifvertrag Transformation“ mit der Schließung der Werke in Gelsenkirchen und Eitorf gekrönt werden sollen! Und dies, so die Personalvorständin Dr. Lea Corzillus, dürften die Kollegen „als Erfolge nicht kleinreden, sondern auf ihnen aufbauen. Wir sind dazu bereit“. Wenn sie sich mal nicht zu früh gefreut hat. Aus der „Wut im Bauch“ über diese Dreistigkeit und Aggressivität der Konzernspitze kann eine überlegene Kraft werden, wenn die Belegschaften selber die Initiative ergreifen und sich das Klassenbewusstsein festigt.
Der erste Schritt dazu ist, die Konzernpläne restlos zu zerpflücken. Also das Hin- und Her-Geeiere des Vorstands als Ausdruck der gesetzmäßigen Krise der kapitalistischen Produktionsweise und Defensive angesichts der Kampfbereitschaft und des erwachenden Klassenbewusstseins zu entlarven. Und als Grundlage für Strategie und Taktik zur Führung konzernweiter Kämpfe statt am Ende Sozialtarifverträge als letztes Mittel zu schlucken.
Nicht der „Transformationsprozess“ der Einführung der E-Mobilität ist die Ursache der Werksschließungen, sondern die oberste Maxime des Maximalprofits unter den Zwängen des Konkurrenzkampfes mit der Logik „E-Mobilität kostet generell Beschäftigung“ (ZF-Vorstand). Nur der Weltmarktführer überlebt. Um hinter Bosch und Denso nicht weiter zurückzufallen, hat ZF Wabco (Bremssysteme für den Bereich Nutzfahrzeuge) und TRW (Lenksysteme) aufgekauft. Während zwei Wabco-Töchter in Russland inzwischen schon wieder abgeschrieben werden mussten, hat die Verschuldung von über 11,5 Mrd Euro nach dem Zinsanstieg dazu geführt, dass der Profit jährlich um 500 Mio Euro Zinsen geschmälert wird. Bezogen auf die Profitrate, nämlich das Verhältnis von eingesetztem Kapital und was unter dem Strich als Profit übrig bleibt, sieht ZF alt aus. Mit 0,6% (2022) ist es gerade mal die Hälfte von Bosch (1,3%) und ein Siebtel von Denso (4,2%). Das ist aber der ganze Sinn und Zweck überhaupt, warum das Kapital tätig wird. Das ist der eigentliche Grund für eine weitgehende Umstrukturierung („Reshaping“) des Konzerns. Diese Bereiche werden in weiteren Artikeln in loser Folge untersucht und es wird mit Legenden aufgeräumt werden.
Legende 1: Alles ist der Transformation geschuldet.
Um in der Neuorganisation der internationalen Produktion überhaupt zum Zuge zu kommen, muss die Produktion dort stattfinden, wo „die Kunden sitzen“. Für Weltkonzerne wie ZF bedeutet dies die weitestgehende Abhängigkeit von den internationalen Automobilkonzernen, die auch fünf Jahre nach Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise erst 84% der Produktion von 2018 wieder erreicht haben. Lenker- und Achssysteme werden trotz „Transformationsprozess“ in jedem Fahrzeug gebraucht, aber künftig in Ungarn gebaut. Der Grund, die Karawane Autokonzerne und ihre Zulieferer ziehen weiter ins gelobte Land.
ZF baut die Produktionswerke von Vorder- und Hinterachsen in Debrecen für BMW und in Kecskemet für Mercedes „just-in-sequence“ auf (Beginn Ende 2024). Dort ist man dann auf Augenhöhe mit chinesischen Konkurrenten, die Ungarn als Eingangstor für den E-Automarkt in Europa auf der „chinesischen Seidenstrasse“ entdeckt haben. Und genießt ganz nebenbei die paradiesischen Ausbeutungsbedingungen des Faschisten Victor Orban. (Siehe auch Rote-Fahne-News-Korrespondenz Orban und die deutschen Automonopole).
Mit Gelsenkirchen soll ein kampferprobter Betrieb geschlossen werden. Und überhaupt treibt die Monopole die Sorge um, dass im Prozess der Arbeiteroffensive unter dem Einfluss der MLPD die Alternative des echten Sozialismus an Zuspruch gewinnt. Joe Kaeser [2] warnt vor der Gefährdung des „gesellschaftlichen Miteinander“ durch „extremistische Parteien egal, ob von links der rechts.“ [3] Trotz wissentlich falscher Gleichsetzung von links und rechts und Diffamierung als „extremistisch“ ist dabei unverkennbar die MLPD gemeint.
Wenn die ZF-Belegschaften mit der Jugend zusammen betriebs- und konzernübergreifend um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz kämpfen, werden sie Solidarität anderer Arbeiter und aus der Bevölkerung erfahren. Diese Perspektive hat Zukunft!