Sehenswerte Dokumentation in der ARD-Mediathek

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„Wir waren in der AfD“ - Aussteiger berichten

Jörg Meuthen, der ehemalige Bundesvorsitzende, verbreitet vor der Kamera seine Eitelkeiten und Rechtfertigungen. Unehrlich und uninteressant, keine Silbe wert. Aber es sprechen auch mehrere junge ehemalige Mitglieder der AfD zu ihren Motiven. Und das gibt einen seltenen Einblick in das Innenleben dieser Partei.

Von dw / Magdeburg

Alle interviewten Aussteiger hatten Funktionen, bis zur ehemaligen Landesvorsitzenden in Sachsen. Sie sind eingetreten, als die AfD noch die Partei von Bernd Lucke war, ultrarechts, aber noch nicht offen faschistisch. Die Dokumentation zeigt, wie der „Flügel“ um Björn Höcke die AfD systematisch zu einer faschistischen Partei umbaute. „Es gab keinen, dessen rote Linien nicht unfassbar oft verschoben wurden“ sagt Alexander Leschik.

 

Die meisten dieser Aussteiger haben „Migrationshintergrund“, in ihrem persönlichen Umfeld gab es zum Teil Sozialdemokraten und Betriebsräte. Alexander Leschik ist Sohn einer deutschstämmigen Aussiedler-Familie aus Polen. Sein Motiv war das Bekenntnis gegen den „Kommunismus“. Ursache der Armut und Unfreiheit in Polen war allerdings nicht der Sozialismus, sondern sein Verrat durch den bürokratischen Kapitalismus nach 1956. Marco Schild ist Halb-Italiener, war Sozialpädagoge und arbeitete mit Flüchtlingen. Er ist multikulturell aufgewachsen und sagt, er habe „Verachtung dafür empfunden, dass die Deutschen nicht zu ihrer Nationalität stehen wollten“. „Ich bin sozial konservativ. Ich will das Deutschland halten, daß wir früher hatten. Auf der untersten Ebene entstehen die Konflikte. Die Leute in den besseren Stadtteilen haben damit kein Problem.“  Das bedeutet eine Haltung, nach unten zu treten und so auf die Konkurrenz um Arbeitsplätze und Wohnungen zu reagieren. Nicolai Boudaghi kommt aus dem Essener Norden und sieht dort nur „soziale Verrohung“. „Durch die Reden von Björn Höcke hat die AfD die bürgerliche Bindung verloren. Aber ein Teil der Migranten ist für die AfD, meist Konservative mit religiösem Einfluss.“

 

Alle heutigen Aussteiger haben nach ihrem Eintritt Bestätigung gefunden, „eine sehr erfüllende Zeit“, und eine Partei-Karriere gemacht. Marco Schild beschrieb, wie schnell er mit Mitte Zwanzig im Landesvorstand NRW war, durch die Politik Geld verdiente und sich Anzüge für 700 € leistete. „Das ist wie eine Droge. Viele sind aufgrund finanzieller oder sozialer Abhängigkeit in der AfD.“ Die Aussteiger wollten nach eigenen Aussagen die Partei auf dem „gemäßigten Kurs“ halten. Das war eine Selbsttäuschung, denn der immer stärkere Einfluss der Faschisten war nicht zu übersehen.

 

Alle beschrieben, wie die AfD die Zweifler in ihren Reihen hält. Franziska Schreiber: „Je härter die Aussagen, das Horrorszenario, desto höriger werden die Menschen. Das hat die AfD gut verstanden. Ich hatte Befürchtungen wegen dem Islam - werde ich meine Frauenrechte verlieren? Man darf nicht vergessen, welche Wirkung das auf die Psyche hat. Ich habe einen großen Bogen um Flüchtlingsunterkünfte gemacht. Ich behaupte, mit der stillen, leisen Beeinflussung wird jeder ein anderer Mensch. Es gibt eine Kultur des „Nicht-mehr-zurück-kommens“. Am Anfang steht das Love-Bombing und viel Alkohol. Dann werden Witze gemacht, mach doch auch mal einen. Und jemand filmt das. Es gibt Hitler-Grüße als eine Art Mutprobe.“ So ist jeder Einzelne auch erpressbar. „Man ist komplett verbrannt, man kommt nicht mehr raus“, sagt auch Marco Schild. Es gibt kein persönliches Umfeld mehr, nur noch Leute von der AfD. Nachdem Franziska Schreiber einen Post für die FDP veröffentlichte, erwartete sie massive Angriffe. „Die häuten mich.“ So kam es, Hunderte von Haß-Mails gingen ein, ihr wurde Krebs und Vergewaltigung gewünscht. Eine faschistische Partei ist auch nach innen faschistisch, zu den eigenen Mitgliedern.

 

Die offen faschistische Entwicklung der AfD gab den Ausschlag für die Aussteiger. Manche Äußerung erscheint subjektiv ehrlich gemeint. Diese Sendung zeigt die Bedeutung des Kampfs um die Denkweise im antifaschistischen Kampf. Selbst bis hinein in Anhänger der AfD.

 

Hier der Link zur Sendung