Aachen

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Verleihung des „Orden wider den tierischen Ernst“: Hauptsache Spaß haben?

Die Verleihung des Ordens Wider den tierischen Ernst ist ein regelrechter "närrischer Staatsakt", der seit 1952 durch den Aachener Karnevalsverein durchgeführt wird. Geehrt werden sollen „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ... mit Menschlichkeit und Humor im Amt“.

Von cw

Den tatsächlichen Charakter dieses Schauspiels verrät dann allerdings bereits die Liste der "Ordensritter".  Unter ihnen Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), Helmut Schmidt (SPD), Vizekanzler Walter Scheel (FDP), Franz Josef Strauß (CSU), Gloria von Thurn und Taxis, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Gregor Gysi (Linke), Armin Laschet und Friedrich Merz (CDU). Geehrt werden also stets prominente Führungspersönlichkeiten, die sich Verdienste um das Ansehen der bürgerlichen Demokratie erworben haben. Dementsprechend saß auch diesmal in den ersten Reihen der hochgelobte Kreis bürgerlicher Politiker: Christian Lindner, Grünen-Vorsitzende Lang, Wolfgang Kubicki, Armin Laschet, Julia Glöckner und andere Promis.

 

Mit dem wachsenden Misstrauen in die Ampel-Regierung und in die Parlamente überhaupt wird es jetzt immer schwieriger, Preisträger zu präsentieren, die auch noch Ansehen in der Bevölkerung haben. Das mag dann 2024 mit zur Auswahl von Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, geführt haben. Er ist nicht gerade für sein sprühendes Temperament und für närrischen Witz bekannt. Entsprechend langweilig war auch seine Rede. Annalena Baerbock, die 2023 den Orden erhalten hatte, hielt die Lobrede für den neuen „Ordensritter“. Sie nutzte ihre Rede aber vor allem, um „unsere Demokratie“ als weltweites Vorbild darzustellen und uns alle dazu zu beglückwünschen. Vom Unmut der Massen über Inflation, zunehmende Armut, Verschärfung der Abschiebungen, die existenziellen Gefahren usw. sah sie dabei ab.

 

Als erster Stargast durfte sich der Komiker Guido Cantz als Hofnarr vor den versammelten Prominenten betätigen, sich auch – in gebotenem Maß – über sie lustig machen. Sein Vorschlag, man solle die „Ampel“ für zwei Wochen in das „Dschungelcamp“ schicken, damit man mal Ruhe habe, hatte die Lacher in diesem Saal auf seiner Seite. Das Problem gelöst wäre damit aber natürlich nicht.

 

Den Gipfel der Einheit mit „unserer Demokratie“ erklomm dann der als besonders gesellschaftskritischer Kabarettist bekannte Wilfried Schmickler. Er erklärte im Gewand des Kaiser Karls des Großen in gewohnt geschliffener Wortwahl: Seine ganze Hoffnung auf eine „friedliche, intakte, demokratischen Welt“ setze er in die Vernunft unserer Politiker und ihre Fähigkeiten, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen. In unserem Land gäbe es doch volle Warenhäuser, wir seien gegen alles versichert, an jeder Ecke stehe eine Apotheke mit Mittelchen gegen alle möglichen Wehwechen. „Lebt ihr in der Ukraine, in Israel, im Gazastreifen? Nein, ihre lebt in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde. Es gibt bei uns also keinen Grund für Angst, nirgends!

 

Es gibt Probleme, große Probleme, Klimawandel, die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, die Kinder- und die Altersarmut, die Bildungsmisere.“ Aber das sei alles lösbar, „das Geld ist da, die Pläne.“ Und mit der Europawahl solle man ein Zeichen setzen „für ein friedliches Europa in einer friedlichen, intakten, demokratischen Welt!“ Schmickler blendet die gesellschaftliche Realität der Klassenwidersprüche aus und dichtet dem krisengeschüttelten Kapitalismus eine Lösungsfähigkeit selbst für existenzielle Probleme an, die eben dieser Kapitalismus geschaffen hat und vertieft. Da kann man sich dann ruhig in Aachen von den Herrschenden und ihren Politiker bejubeln lassen und mit ihnen feiern - Hauptsache Spaß haben.