Kommunikation im Netz

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Chatkontrolle stoppen – aber wie?

Die EU-Kommission plant eine neue Verordnung, die unter dem Stichwort „Chatkontrolle“ bekannt geworden ist. Angeblich zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch soll diese Verordnung durchsetzen, dass sämtliche Nachrichten – auch private – in sozialen Netzwerken, Messenger-Diensten, Webseiten usw. auf „illegale“ Aktivitäten und Inhalte geprüft werden. Zu diesem Zweck soll auch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufgebrochen werden – entweder durch verpflichtende Hintertüren in der Software oder durch Scannen direkt auf dem Handy oder Tablet.

Von ah
Chatkontrolle stoppen – aber wie?
(foto: https://pixabay.com/de/illustrations/virus-bin%C3%A4r-null-eins-computer-1891191/))

Gegen diese Pläne gibt es bereits entwickelte Proteste. Ein Bündnis von 133 Aktivisten und Organisationen veröffentlichte am 8. Juni 2022 einen offenen Brief, in dem sie das Vorhaben kritisierten und den sofortigen Stopp forderten. Ein weiterer offener Brief von rund 300 Wissenschaftlern positionierte sich am 4. Juli 2023 ähnlich. Auch ein Rechtsgutachten, welches von den Grünen und Piraten im EU-Parlament in Auftrag gegeben wurde, sowie selbst eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments kommen zu dem Schluss, dass die Pläne gegen bestehende Menschen- und Grundrechte verstoßen.

 

Allen gemeinsam ist, dass sie zwar zu dem richtigen Schluss kommen: „Mit der Chatkontrolle wird ein Überwachungspaket geschaffen, das sich gegen die gesamte Bevölkerung der EU richtet.“ (https://chat-kontrolle.eu/). Sie beschränken sich aber dennoch darauf, die Methode als ungeeignet in Frage zu stellen: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden Kinder nicht besser schützen. Stattdessen verengen sie den Blick auf technokratische Überwachungsinstrumente, die unverhältnismäßig unsere Grundrechte einschränken.“ (ebenda). Dementsprechend beschränken sich die Proteste im Wesentlichen auf offene Briefe an Abgeordnete, Petitionen und Protestaktionen vor dem Bundestag. Sie verzichten aber weitgehend auf die Mobilisierung der Massen zum aktiven Widerstand.


Tatsächlich muss man dieses Vorhaben vom Klassenstandpunkt aus analysieren. Die Legalisierung der Überwachung der Masse der Bevölkerung ist kein Fehler, sondern der beabsichtigte Zweck dieses Gesetzes. Den Herrschenden ist nicht entgangen, dass ein wachsender Teil der Menschheit sich nicht länger mit einer Welt mit wachsender Armut und Inflation, Weltkriegsgefahr und begonnener Umweltkatastrophe abfinden will. Die Menschen suchen nach einer Gesellschaftlichen Alternative, die Offenheit für den Sozialismus wächst. Dem begegnen die Herrschenden mit zunehmender Repression und Faschisierung des Staatsapparats. Offene Gewalt z.B. bei Pushbacks im Mittelmeer geht dabei Hand in Hand mit dem Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten. Allerdings ist die MLPD natürlich auch nicht dafür, dass alles im Netz erlaubt sein soll. Gegen Kinderpornographie, faschistische Propaganda - manchmal hängt hier beides durchaus auch zusammen - etc. muss ein entschiedener Kampf geführt werden. Gegen das Genannte sind die Protokolle allerdings kein probates Mittel.

(foto: https://digitalcourage.de/blog/2022/chatkontrolle-protestaktion-bmi, CC0 cven Public Domain))
(foto: https://digitalcourage.de/blog/2022/chatkontrolle-protestaktion-bmi, CC0 cven Public Domain))

Protestaktion vor dem Bundesinnenministerium am 8. Juni 2023.


Gleichzeitig müssen sie auch feststellen, dass es schwieriger wird die Massen auf ihre Linie zu bringen. Aktuell sind sich die Regierungen in der EU nicht einig, ob sie dieses Vorhaben tatsächlich so durchsetzen wollen. Aufgrund des Widerstands einiger Regierungen, darunter auch die deutsche, wurde die Abstimmung darüber zunächst zweimal verschoben. Aktuell wurde im EU-Innenausschuss eine abgeschwächte Version verhandelt, die zunächst das Scannen verschlüsselter Kommunikation explizit ausnimmt, aber Hintertüren für eine spätere Erweiterung offen lässt.


Es ist deshalb weiter notwendig, den Protest höher zu entwickeln und mit anderen Protesten zu verbinden. Gab es bis 2014 noch Demonstrationen unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ in Berlin zu diesen Themen, fand zuletzt Ende August unter dem gleichen Motto nur noch eine Konferenz in Brüssel statt, deren Höhepunkt ein verpflichtender (!) Besuch im EU-Parlament war. Es ist sicherlich richtig, Parlamente und Petitionen als Bühne für den Protest zu nutzen. Aber wer glaubt, auf diesem Weg grundsätzliche Veränderungen herbeiführen zu können, irrt sich gewaltig.


Der Widerstand gegen die Massenüberwachung muss auf die Straße und in die Betriebe. Er muss sich an die Masse der Bevölkerung richten, nicht nur an Aktivisten und politisch Interessierte, denn es betrifft die Masse der Bevölkerung. „Ich hab doch nichts zu verbergen“ zählt nicht – jeder, der mit der herrschenden Politik nicht einverstanden ist, ist betroffen. Der Kampf muss aber auch verbunden werden mit der weltanschaulichen Diskussion. Es ist eine Illusion zu glauben, man könne sich ein „freies Internet“ im Rahmen der kapitalistischen Verhältnisse „zurückerobern“. Das Internet unterliegt wie alles andere im Kapitalismus der Herrschaft einiger weniger Übermonopole, die im übrigen selbst gerne und fleißig Daten über uns sammeln und bei der Bekämpfung fortschrittlicher und revolutionärer Bewegungen eng mit den Behörden und Geheimdiensten zusammen arbeiten. Im Buch Revolutionärer Weg 37, „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“, heißt es dazu „Bittere Erfahrungen machten 2011 die revolutionären Aktivisten der Aufstandsbewegungen, die von der bürgerlichen Öffentlichkeit auch „arabischer Frühling“ genannt wurden. Sie hatten zunächst alle ihre Aktivitäten sehr wirksam über das Internet organisiert und sich auf diese Möglichkeit der Kommunikation verlassen. Doch dann schalteten die Herrschenden schlicht die Zugänge zum Internet ab – und alle vorher zustande gekommenen Verbindungen rissen schlagartig ab. (…) Sie konnten den demokratischen Kräften eine Niederlage beibringen, zu der auch deren illusionäres Vertrauen in das Internet beitrug“ („Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“, S. 87f).