Leserbrief zur GDL-Berichterstattung
„Das halte ich für eine falsche, sektierische und gefährliche Ausrichtung“
Die Rote Fahne Redaktion erreichte der folgende Leserbrief auf den Artikel "Schlichtung oder warum die DB keine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich will" vom 17. Januar:
Liebe Genossinnen und Genossen, der Korrespondent schreibt am 17. Januar in seinem Artikel "Schlichtung oder warum die DB keine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich will" folgendes: "Eine Schlichtung ist der institutionalisierte Kompromiss. Wo aber die Klasseninteressen aufeinanderprallen, ist bei einem Kompromiss immer einer – die Arbeiterklasse – der Verlierer." Das halte ich für eine falsche, sektierische und gefährliche Ausrichtung. Lenin hat sich sehr ausführlich in der Schrift über den linken Radikalismus mit der Frage von zulässigen und faulen Kompromissen befasst.
Faule Kompromisse muss man ablehnen und sie werden bei einer Schlichtung die Regel sein. Aber nicht jeder Kampf kann bis zum endgültigen Sieg geführt werden. Dann muss er möglichst geordnet beendet und der Teilerfolg gesichert werden.
Lenin schreibt: "Jeder Proletarier hat einen Streik mitgemacht, hat „Kompromisse“ mit den verhaßten Unterdrückern und Ausbeutern miterlebt, wo die Arbeiter die Arbeit aufnehmen mußten, entweder ohne überhaupt etwas erreicht zu haben oder indem sie darauf eingingen, daß ihre Forderungen nur teilweise befriedigt wurden. Jeder Proletarier erkennt, dank dem Milieu des Massenkampfes und der starken Zuspitzung der Klassengegensätze, in dem er lebt, den Unterschied zwischen einem Kompromiß, das durch die objektiven Verhältnisse erzwungen ist (wenn die Streikkasse leer ist, wenn die Streikenden keine Unterstützung von außen erhalten, wenn sie bis zum äußersten ausgehungert und erschöpft sind), einem Kompromiß, das bei den Arbeitern, die ein solches Kompromiß geschlossen haben, die revolutionäre Hingabe und Bereitschaft zum weiteren Kampf keineswegs beeinträchtigt – und anderseits einem Kompromiß von Verrätern, die ihren Eigennutz (Streikbrecher schließen ebenfalls ein „Kompromiß“!), ihre Feigheit, ihren Wunsch, sich bei den Kapitalisten lieb Kind zu machen, ihre Empfänglichkeit für Einschüchterungen, manchmal auch für Überredungskünste, für Almosen, für Schmeicheleien der Kapitalisten, hinter objektiven Ursachen verbergen."
Ein notwendiger und zulässiger Kompromiss, der einen Teilerfolg erreicht und die Organisiertheit stärkt, ist in meinen Augen keine Niederlage. Wie seht ihr und der Korrespondent das?
Herzliche Grüße