Rede von Stefan Engel zum Gedenken an Lenin, Liebknecht und Luxemburg am 14. Januar in Gelsenkirchen
Den eigenen Kopf gebrauchen, das Vordergründige überwinden und in die Hintergründe schauen
Stefan Engel, Redaktionsleiter des theoretischen Organs der MLPD, REVOLUTIONÄRER WEG, hat die folgende Rede beim LLL-Gedenken an der Gedenkstätte für Revolutionäre vor dem Willi-Dickhut-Haus in Gelsenkirchen gehalten:
Liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Teilnehmer, ich möchte dazu sprechen, was die großen Revolutionäre für unsere Zukunft bedeuten.
Rosa Luxemburg war eine glühende Revolutionärin, die sich von niemand hat einschüchtern lassen. Sie hat ihre Frau gestanden in einer männerdominierten Welt. Sie hat nie von ihren revolutionären Gedanken abgelassen. Sie war ein „Adler“, sagte Lenin. Sie war jedoch nicht unbedingt die theoretische Führerin der Arbeiterbewegung. Sie war eine glühende Antifaschistin, sie war eine glühende Antimilitaristin und eine glühende Kämpferin für die Befreiung der Frau.
Karl Liebknecht war Anwalt und ein guter Agitator. Er war Chefredakteur der Roten Fahne und er hat sein Rückgrat bewiesen, als er im Parlament als einziger gegen die Kriegskredite gestimmt hat. Darauf wurde er vom deutschen Imperialismus im Krieg verfolgt. Meine Urgroßmutter war mit beiden zusammen im Spartakus-Bund in Berlin. Sie betonte mir gegenüber, dass sie ausgesprochen freundliche und bescheidene Leute waren. Das gab es ja sonst auch nicht, dass Arbeiter mit Intellektuellen an einem Tisch saßen, dass sie sich geschätzt und geachtet haben, auf Augenhöhe. Das war ein anderer Stil, als ihn die Arbeiter aus der SPD kannten.
Lenin ragt aus dem Trio dieser Revolutionäre heraus. Er war praktischer und theoretischer Führer des Parteiaufbaus, der Revolution und des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion. Eine seiner besonderen Fähigkeiten war: Er hat differenziert. Er hat sich die dialektische Methode zutiefst angeeignet und sie überhaupt entwickelt. Ihr kennt sie: die Leninschen Gesetze der Dialektik. Dies ermöglichte ihm zu differenzieren.
Das ist auch heute das, was viele Leute an der MLPD so schätzen. Sie hat differenzierte Einschätzungen. Sie folgt nicht dem bürgerlichen Strickmuster „Entweder-Oder“, Schwarz oder Weiß. Entweder du bist für die Russen oder für die Ukrainer, entweder für die Palästinenser oder für Israel, entweder für oder gegen die Bauern. Das ist nicht die Denkweise der MLPD. Unsere Denkweise ist sehr differenziert. Wenn wir die Bauernproteste analysieren, so wissen wir ganz genau, dass in der heutigen Landwirtschaft Monopole stehen, die nur darauf warten, dass die Klein- und Mittelbauern ihre Höfe aufgeben, damit sie dieses Land auch noch übernehmen und ihre Macht vergrößern können, um ihre Maximalprofite zu machen. Und diese Monopole und die Agrarindustrie brauchen auch keinen Agrardiesel zu ihrer Existenz. Es gibt nicht „die Bauern“. Da gibt es eine Klassenstruktur und das muss man wissen, sonst landet man bei einer falschen Strategie und Taktik. Das zu erkennen und entsprechend differenziert zu handeln, das kann man nur mit der dialektischen Methode.
Das ist auch im Gaza-Krieg so. Wir verurteilen die Aggression von Israel gegen das palästinensische Volk. Wir verurteilen aber auch die Machenschaften der faschistischen Islamisten, der Hamas, Hisbollah usw. Sie haben ein gesellschaftliches Ziel der Unterwerfung der Völker, der Frauen, der Entdemokratisierung, der Unterdrückung der breiten Massen unter religiösen Gesichtspunkten. Wir erleben das zum Beispiel in Afghanistan. Es kann nicht sein, dass man diesen Leuten irgendetwas Richtiges zugesteht, ihnen Zustimmung oder Empathie gibt. Deshalb konnten wir auch hier ganz klar Stellung nehmen und dieser differenzierte Standpunkt ist heute, wenn man mit den Leuten spricht, in Deutschland Mehrheitsmeinung. Das Gros der Massen – auch aus den arabischen Ländern – akzeptiert nicht den Hamas-Anschlag mit seinen Massakern, sie akzeptieren aber auch und erst recht nicht, dass Israel heute ein ganzes Volk im Gaza eliminiert. Das führt zum Völkermord. Das darf man inzwischen sogar offiziell sagen, was die Polizei uns zunächst für unsere Montagsdemonstration verboten hat. Sie hatte den Gerichtsprozess verloren, und so hat der Polizeipräsident eilends einen Rückzieher gemacht. Wir haben Recht bekommen und dürfen sagen, dass es Völkermord ist, was Israel im Gazastreifen durchführt. Das tun sie, um auf Jahre hinaus den palästinensischen Widerstand zu brechen und ihnen die Freiheit zu nehmen, sich zu organisieren, um den Kampf gegen die Unterdrückung durch die Imperialisten fortzusetzen. Das sind differenzierte Standpunkte, das sind dialektische Standpunkte. Und dialektische Standpunkte sind überzeugende Standpunkte.
Man spricht in Deutschland immer von den großen Denkern und Dichtern. Was war das Besondere an ihnen? Sie waren Dialektiker. Goethe, Beethoven, Darwin usw., natürlich auch Karl Marx und Friedrich Engels.
Wir ehren heute Lenin, er hat uns das beigebracht, wie man die Dialektik wissenschaftlich verstehen kann und umsetzt. Die Dialektik macht es uns möglich, Dingen bis auf den Grund zu gehen, in dem die Gesetzmäßigkeiten angewendet und in der Sache aufgefunden werden. Diese Gesetzmäßigkeiten gibt es in Natur und Gesellschaft. Sie zu kennen und anzuwenden hilft uns für den Kampf und für den Aufbau des Sozialismus, aber auch für den Umgang untereinander und für die Streitkultur unter den Massen.
Hier dürfen wir uns aber auch keine Illusionen machen. Es dauert Jahre, bis dieses Bewusstsein unter den Massen verbreitet ist. Ich bin jetzt seit 56 Jahren, seit meinem 14. Lebensjahr, politisch aktiv. Ich habe mir auch gewünscht, den Sozialismus noch selbst zu erleben. Aber die Bourgeoisie hat eine große Macht, die Meinungen zu manipulieren. Trotzdem werden wir uns durchsetzen, weil der Imperialismus auf einem Lügengebäude aufgebaut ist und sie uns was vormachen, was mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.
Wenn heute über 70 Prozent der Bevölkerung sagen, sie seien mit der Regierung nicht einverstanden, dann ist das die Vorstufe der Kritik an diesem kapitalistischen Gesellschaftssystem. Wir müssen nur ein Augenmerk darauf legen, dass die Kritik nicht so vordergründig bleibt und sich die Schwarz-Weiß-Malerei durchsetzt. Diese Schwarz-Weiß-Malerei ist im Grunde eine negative Kritik, eine einfache Negation. Das fördert die Rechten, die AfD. Diese setzen sich auf berechtigte Proteste drauf. Sie waren die ersten, die für die Streichung der Subventionen für die Bauern waren, und spielten sich nachher als Unterstützer der Proteste der Bauern auf. Das ist für die breiten Massen nicht einfach zu durchschauen.
Die AfD sagt zum Beispiel, sie sei auch gegen die Mieterhöhung, sie sei für die Abschaffung der Grunderwerbssteuer. Diese Grunderwerbssteuer ist aber wiederum eine Kapitalistensteuer. Warum sollen diese denn nun weniger Steuern bezahlen? Was bekämpft werden muss, ist, dass die Kapitalisten diese Steuern auf die Mieter umlegen. Das ist das Gesetz, was abgeschafft werden muss. Die Kapitalistensteuer ist berechtigt! Diese ist viel zu niedrig in Deutschland. Diese Kapitalisten schwimmen im Geld und tragen für den Haushalt in Deutschland nichts bei.
Die Rechten und Faschisten bleiben auch nicht dabei stehen, ihre Argumente zu verbreiten. Sie setzen sie auch um. Das ist eine sehr große Gefahr, nicht nur in Deutschland, sondern international. Faschismus, Krieg und Umweltzerstörung sind die drei großen Gefahren, die die Menschheit vor sich hat und die sie bekämpfen muss. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass dieser Weg für die Menschheit in die Barbarei führt.
Lenin hat klar gesagt, natürlich sind die Imperialisten überlegen. Sie haben Millionen Soldaten und dennoch hat Lenin im Dezember 1916 mit ca. 11.000 Mitgliedern der bolschewistischen Partei zur Revolution aufgerufen. Die meisten Menschen der Bevölkerung sind zunächst mit den Opportunisten und den Sozialrevolutionären mitgegangen, diese sind ähnlich wie die Grünen heute. Die Bolschewiki waren damals mit Lenin eine kleine Gruppe. Sie haben sich niemals unterkriegen lassen. Lenin hat vor allem Wert darauf gelegt, Klarheit zu schaffen. Was hat er gemacht vor der Revolution? Er hat Bücher geschrieben um den Imperialismus besser zu durchschauen, um die Schwäche des Imperialismus besser zu begreifen. Er hat eine Anleitung gegeben, wie eine Revolution vor sich gehen muss, dass der alte Staatsapparat ersetzt werden muss, durch einen neuen Staatsapparat. Dass man nicht über den friedlichen Weg zum Sozialismus kommt. Und er hat sich mit der Dialektik beschäftigt und diese auf alle diese Fragen der Revolution angewendet. Er hat sich mit Hegel auseinandergesetzt. Leider konnte er diese Schrift 1915 nicht mehr weiterschreiben. Das hat der revolutionären Arbeiterbewegung später gefehlt. Lenin hat uns aber damit eine Perspektive gegeben. Er hat uns eine Anleitung gegeben, wie man Politik macht, wie man in die Tiefe und in die Perspektive denkt und wie man vor allem Siegeszuversicht wissenschaftlich belegt und damit gefeit wird gegen jede Art von Schwankungen.
Und deshalb wurde auch von der ICOR¹ beschlossen, dass dieses Jahr 2024 unter der Losung steht: „Lenins Lehren sind lebendig!“ Alle Organisationen der ICOR werden weltweit Lenin gedenken und von Lenin lernen. Wir werden im September ein großes öffentliches Seminar in Thüringen durchführen, zum Gedenken Lenins und was man von ihm lernen kann.
Ich möchte an dieser Stelle besonders hervorheben, dass man die jetzige Zeit der Verwirrung nicht nur negativ sehen darf! Diese Zeit ist auch unverzichtbar. Der Verwirrung liegt auch die Auflösung bisher geltender, scheinbar unumstößlicher Standards und Meinungen zu Grunde. Die Verwirrung ist bereits etwas, wo sich das, was bisher klar erschien, auflöst und deutlich macht: gar nichts ist mehr klar. Diese Verwirrung ist gut, aber man braucht Klarheit und diese muss dazu führen, dass die Verwirrung nicht bleibt. Das sind unsere wichtigen Aufgaben der marxistisch-leninistischen Partei, die Verwirrung aufzulösen und die Leute zu ermuntern, ihren eigenen Kopf zu gebrauchen, das Vordergründige zu überwinden und in die Hintergründe zu schauen. Bei aller Lebensleistung von Liebknecht und Luxemburg war Lenin herausragend, weil er uns in dieser komplizierten Situation hilft und insbesondere uns anleitet, die dialektische Methode in Theorie und Praxis anzueignen und schöpferisch umzusetzen.
Alles Gute für heute und das ganze Jahr 2024!