Türkische Angriffe auf Rojava
Verein Städtefreundschaft Frankfurt-Kobanê schreibt offenen Brief an Bundesregierung
Der gemeinnützige Verein Städtefreundschaft Frankfurt-Kobanê ist mit einem offenen Brief an die Bundesregierung ins Jahr 2024 gestartet. Im Schatten des Hamas-Massakers und des Krieges in Gaza bombadiert die Türkei massiv die zivile Infrastruktur Nord- und Ostsyriens. Die Folgen sind verheerend, auch Frankfurts Partnerstadt Kobanê ist betroffen.
Die Initiatoren des Offenen Briefs schreiben: "Die Bundesregierung ist über alles, was dort passiert, bestens informiert, ist aber nicht willens, die türkischen Kriegsverbrechen zu kritisieren, geschweige denn zu sanktionieren. Gleichzeitig schwadroniert Erdogan über Solidarität mit der Bevölkerung in Gaza, glorifiziert die misogyne (frauenfeindliche) Mörderbande Hamas und betreibt schlimmste antisemitische Hetze, die auch hierzulande in den DITIB-Moscheen und über türkische Fernsehsender verbreitet wird." Rote Fahne News dokumentiert Auszüge des Offenen Briefs.
Offener Brief an die Bundesregierung über die Auswirkungen der Luftangriffe der Türkei auf Nord- und Ostsyrien
Zwischen dem 23. und dem 26. Dezember 2023 flogen türkische Kampfflugzeuge und Drohnen 74 Angriffe auf die kritische Infrastruktur Nord- und Ostsyriens (medizinische Einrichtungen, Kulturgüter, Wasser- und Lebensmittelversorgung), was international als Kriegsverbrechen gilt. Die Bombardierungen hielten in minderer Intensität bis zum 30.12.23 an. Das türkische Verteidigungsministerium bezeichnete die Angriffe als „Vergeltung" für den Tod mehrerer türkischer Soldaten bei Guerilla-Aktionen in der Kurdistan-Region des Iraks (KRI).
Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) veröffentlichten eine Jahresbilanz, wonach die Türkei 2023 den Nordosten Syriens 798 Mal angegriffen hat, davon in 103 Fällen mit Kampfjets und Drohnen. Bereits Anfang Oktober 2023 hatte die Türkei innerhalb weniger Tage große Teile der zivilen Infrastruktur zerstört, dabei 92 Menschen getötet und 89 Menschen verletzt. Zu den Zielen gehörten Wasserwerke, Ölraffinerien, Elektrizitätswerke, aber auch Geflüchtetencamps und Krankenhäuser. Die Reparaturarbeiten hatten gerade erst begonnen, aber es mangelte nach wie vor an Wasser, Elektrizität und Gas.
Die Zivilbevölkerung in Nord- und Ostsyrien hat nichts mit den Kämpfen der Guerilla im Irak gegen die zunehmende Okkupation irakischen Territoriums durch die Türkei zu tun. Die Angriffe haben dramatische Folgen: Angesichts des umfassenden Embargos gegen Nord- und Ostsyrien sind zerstörte bzw. beschädigte Kraftwerke, Fabriken, Nahrungsmitteldepots und vor allem medizinische Einrichtungen nicht zu ersetzen.
Auch von deutschen NGOs getragene Einrichtungen wurden zerstört. Das durch die Angriffe vollkommen zerstörte ‚Kobani Medical Center'umfasste eine kostenlose Notfallambulanz für die Stadtbevölkerung, eine Ambulanz für Diabetikerinnen und Diabetiker sowie ein Kinderimpfzentrum. Der deutsche Verein „Armut und Gesundheit" hat es zusammen mit „Ärzte ohne Grenzen" gegründet und trägt die laufenden Kosten. (Rote Fahne News berichtete über die Zerstörung mit einem Artikel am 31. Dezember Gerhard Trabert: Ambulanz des Mainzer Vereins "Armut und Gesundheit" in Kobanê zerstört) ...
Wir fordern:
- Eine Verurteilung der Angriffe auf die Infrastruktur & Zivilbevölkerung durch die Außenministerin und die Bundesregierung
- Schnelle Hilfe für Wiederaufbaumaßnahmen der zerstörten Infrastruktur durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Gebiet der Selbstverwaltung
- Freigabe von BMZ-Mitteln auch für uns als kleine NGOs
- Einsatz bei der NATO und dem UN-Sicherheitsrat für eine Flugverbotszone gegen die Türkei über Nord- und Ostsyrien sowie den Nordirak und das ezidische Siedlungsgebiet in Shengal
- Keine Waffenlieferungen oder Lieferung von Drohnenkomponenten an die Türkei
Ungekürzt und mit Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern steht der Offene Brief hier zur Verfügung.
Willi Mast aus Gelsenkirchen hat den Initiatoren des Offenen Briefs die Solidarität von "Medizin für Rojava" übermittelt und versichert, dass sich "Medizin für Rojava" am Wiederaufbau der Ambulanz des Vereins "Armut und Gesundheit" beteiligt.