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Betriebsversammlung bei Ford: Respekt, viele offene Fragen und kämpferische Beiträge

Am Dienstag, dem 28. November, fand in Köln-Niehl die letzte Betriebsversammlung von Ford in diesem Jahr statt. Und diese Versammlung war außergewöhnlich politisch. Der Betriebsratsvorsitzende rief gleich zu Beginn zu Solidarität und Zusammenhalt auf, angesichts von rechten Kräften, die Spaltung und Hetze verbreiten. An der Bühne prangte ein großes Transparent gegen Rassismus und für Respekt, wozu auch eine Fotoaktion stattfand.

Von Korrespondenten
Betriebsversammlung bei Ford: Respekt, viele offene Fragen und kämpferische Beiträge
Ford-Zentrale in Köln-Niehl (rf-foto)

Kerstin Klein, erste Bevollmächtigte der IG Metall Köln Leverkusen, kritisierte BDA-Präsident Dulger für seine Aussagen gegen angebliche Einwanderung in die Sozialsysteme und verteidigte das Recht auf Asyl. Ein Kollege berichtete von der IG-Metall-Delegiertenversammlung, die eine Woche zuvor den Flüchtlingsaktivisten Alassa Mfouapon zu Gast hatte. Zwei Beiträge gingen unabhängig voneinander auf die große Bedeutung der Umweltfrage ein.

 

Der Versuch des Arbeitsdirektors Rainer Ludwig, sich unter dem Stichwort „Respekt“ nahtlos einzureihen, wurde von mehreren Kollegen kritisiert. Beim Umgang mit den Belegschaften lässt das Management jeden Respekt vermissen. Erstmals nahm das Management Stellung zur über 1,5 Jahre anhaltenden Kritik, dass die Erstrettung auf dem Werksgelände nicht mehr von der Werkfeuerwehr, sondern von der Stadt Köln geleistet wird, was trotz aller Versprechen in manchen Fällen zu inakzeptabel langen Anfahrtszeiten geführt hat. Ein Kollege sagte: „Vielleicht legen sie sich mal hier auf den kalten Boden, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie lange 20 Minuten sein können.“

 

Als Hauptthema zog sich durch, wie es mit Ford in Europa weitergeht. Das Werk in Saarlouis und das Forschungszentrum in Aachen stehen vor dem Aus. Die Produktentwicklung in Köln wird gerade radikal zusammengestrichen, die Fahrzeugfertigung baut aktuell keine Autos. Das Werk im spanischen Valencia hatte eigentlich den sogenannten Bieterwettbewerb gewonnen. Lohnbestandteile wurden den Kollegen dafür bereits abgepresst. Selbst der Kölner Betriebsratsvorsitzende rechnet aber nicht damit, dass Ford das versprochene E-Auto dort je bauen wird. Der Arbeitsdirektor brachte es fertig, nur bekannte kurzfristige Pläne zu wiederholen und zu all den Fragen, Kritiken, Vorschlägen und Sorgen zu sagen: „Ich teile ihre Ungeduld“ und auf weitere Diskussionen im US-Management zu vertrösten.

 

Dazu hagelte es Kritik in der Aussprache und der Betriebsrat bekam am meisten Applaus für kämpferische Töne. Ein Kollege kritisierte, dass man ja nicht zuerst den Kollegen sagen kann, wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, um dann mit der Ford-Future-Rahmenvereinbarung der Vernichtung Tausender Arbeitsplätze zuzustimmen. Statt weiter auf Verhandlungen zu setzen, in denen die Belegschaften nur verarscht werden, müssen wir andere Seiten aufziehen. Eine bewusste Minderheit klatschte zu dieser Kritik.

 

Die Betriebsversammlung verabschiedete mit einfacher Mehrheit und nur einer Gegenstimme eine kurze Solidaritätserklärung an die Hafenarbeiter in Hamburg. Gegen die Abmahnungen nach ihrem selbständigen Streik ist Solidarität Ehrensache, auch wenn der Betriebsrat mahnte, dass sowas nicht zur Gewohnheit werden sollte.

 

Hellhörig wurden die Kollegen angesichts des Plans, die Produktentwicklung in eine eigene GmbH auszugliedern, angeblich nur, um einer von Trump eingeführten Strafsteuer für größere Anteile ausländischer Dienstleistungen in den USA zu entgehen.

 

Eine Kollegin sprach den Elefanten im Raum an. Offiziell ist die Produktion des Elektro-Explorer in Köln auf Juni 2024 verschoben. In einem Teil der Belegschaft wächst die Sorge, Ford könne sich das anders überlegen. Ein anderer Teil ist sich sicher, dass Ford schon gar nicht mehr vor hat, das Auto hier in Köln zu bauen. Eine Kollegin berichtete, wie bis Ende 2023 Presswerkzeuge von Köln in die Türkei verlagert werden. Das Kölner Presswerk verliert damit die letzte Produktion von Teilen für andere Werke. Genau so lief das auch, bevor das Werk in Genk/Belgien 2012 geschlossen wurde. Weitere Indizien kamen zur Sprache und gegen Ängste und Zweifel gab es viele  Argumente, jetzt einen selbstständigen Streik dagegen vorzubereiten. Der Betriebsratsvorsitzende bekräftigte ganz am Schluss noch, dass er fest an den Start des Explorer glaube und alles dafür getan werden müsse, dass das Auto ein Erfolg wird. „Was ein anderes Szenario bedeuten würde, möchte man sich gar nicht ausmalen.“ Dafür gab es natürlich Applaus, weil viele sich das wünschen.

 

Während die Zukunft also unsicher ist, gibt sich Ford Mühe, vieles konkret zu dämpfen. Kollegen aus dem Druck-Guß und der Schmiede, sowie dem Getriebewerk bekamen oder bekommen Ford-Verträge, Azubis werden erstmals seit ca. 20 Jahren wieder sofort unbefristet übernommen. Damit kommt Ford gerade jetzt Forderungen nach, die die Belegschaft seit Jahren hat. Die Stimmung unter den Kollegen ist daher eher nachdenklich als kämpferisch und zurück in den Hallen gibt es viele Diskussionen.