Bundesweite Montagsdemo
Montagsdemobewegung trägt Kontroversen offen aus
Die Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemo antwortet auf den kritischen Brief von Monika Gärtner-Engel von der Gelsenkirchener Montagsdemo zum Vorschlag eines sozialpolitischen Kampfprogramms.
Rote Fahne News hat den kritischen Brief hier veröffentlicht: Zum Vorschlag eines sozialpolitischen Kampfprogramms der bundesweiten Montagsdemobewegung
Die hier dokumentierte Antwort der Koordinierungsgruppe steht auf der Webseite der Bundesweiten Montagsdemobewegung ungekürzt zur Verfügung.
Liebe Monika, vielen Dank für deinen kritischen Brief zu unserem Vorschlag zu einem sozialpolitischen Kampf- und Forderungsprogramm, den du uns direkt vor den regionalen Herbstdemonstrationen geschrieben hast. Es hat uns gefreut, dass du gewürdigt hast, dass wir dem Umweltkampf große Bedeutung beimessen. Das ist seit 2011 unverzichtbarer Bestandteil des Tags des Widerstands, wird jetzt aber noch wichtiger. In unserer komplexen Welt können die sozialen Fragen nicht isoliert von den anderen Problemen betrachtet werden. Deswegen kümmern wir uns als Tag des Widerstands genauso um Umwelt, Frauenrechte, Frieden usw.
Du hast aber auch kein Blatt vor den Mund genommen zu verschiedenen kritischen Punkten in unserer Vorlage. Das ist typisch Montagsdemobewegung, dass wir die Kontroversen offen, sachlich, kameradschaftlich und vorwärtstreibend austragen. So wie wir das auch am Offenen Mikrofon bei unseren Kundgebungen machen. Die kritisch-selbstkritische öffentliche Diskussion zu den von dir angesprochenen Punkten bietet auch die Chance, diese Fragen, um die ja auch real ein Kampf um die Denkweise in der Montagsdemobewegung und auch in der Koordinierungsgruppe stattfindet, gründlich auszutragen und zu vereinheitlichen. ...
Das Programm verstößt im Aufbau und in Schwerpunktsetzung und Anzahl der konkreten Forderungen gegen die Einheit von Arbeitslosen und Arbeitern. Diese Einheit ist aber gerade Wesensmerkmal und Alleinstellungsmerkmal der bundesweiten Montagsdemobewegung von Anfang an. Der Kampf um jeden Arbeitsplatz, für die 30-Stunden-Woche usw. wird in unserem Vorschlag erst am Ende und nur sehr knapp behandelt. Dadurch bekommt es eine Stoßrichtung, sich mit der Massenarbeitslosigkeit von 3,4 Millionen Menschen inklusive derjenigen in Maßnahmen abzufinden und vor allem Forderungen aufzustellen, die Situation der Bürgergeld-Bezieher und Familien in Armut auszugestalten. Den Punkt 9 werden wir in der Überarbeitung des Programms nach vorne ziehen und ausbauen.
Ganz einig sind wir mit dir auch, dass die Forderung nach einer Mindestsicherung von 1150,- € „für alle, auch Kinder“ falsch und abgehoben ist. Diese Ergänzung war gegenüber bisherigen Veröffentlichungen in das Programm aufgenommen worden, ohne sie bewusst zu diskutieren. Wir müssen die wachsende Kinderarmut bekämpfen, aber nicht so. Kinder leben ja nicht alleine. Solche Forderungen begünstigen eher die Spaltung und Vorbehalte zwischen Arbeitern mit geringem Einkommen und Arbeitslosen. Vor allem in ihrer Kombination bekommen die Forderungen eine fragwürdige Richtung. ...
Deine Kritik ist richtig, dass sich unser Programm kaum mit dem Kampf um die Denkweise um den Schulterschluss von Arbeitslosen und Arbeitenden befasst. Insgesamt wird das verwirklicht bei den Montagsdemos, aber wir müssen das auch bewusst verstärken. Arbeitslose und Erwerbslose kämpfen hier gemeinsam für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen und für einen würdevollen Umgang mit Arbeitslosen. Wie du richtig ausführst, nagt eine lange Erwerbslosigkeit an dem Selbstbewusstsein vieler Betroffener. Man muss diesen Erwerbslosen - sei es auf der Montagsdemo oder im privaten Umfeld - klar machen, dass die Arbeitslosigkeit vor allem ein gesellschaftliches Problem ist, nicht von ihnen verschuldet ist. Wenn jemand laufend zu spät kommt oder unentschuldigt fehlt, trägt er natürlich eine gehörige eigene Verantwortung, muss daraus auch lernen und sich ändern. Da hilft Mitleid und Schonung auch nicht weiter. Eine Gesellschaft, ein Zusammenarbeiten und -leben funktioniert nur mit solchen Regeln. ...
Wir bekämpfen konsequent die willkürliche Sanktionspraxis und lehnen auch eine Sanktionierung auf null Prozent ab. Die Forderung nach allgemeiner vollständiger Sanktionsfreiheit, die wir jetzt erstmals in einem Dokument der Bundesweiten Montagsdemo aufgenommen haben, unterscheidet aber nicht zwischen willkürlicher und schikanöser Sanktion und wann Sanktionen auch eine Berechtigung haben können. So wenn jemand keinerlei Initiative entwickelt, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen oder auf Kosten anderer leben will. Das so zu formulieren, läuft letztlich auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hinaus. Das ist ein Konzept, das Erscheinungen von Egoismus, Faulheit usw. akzeptiert und fördert anstatt hilft, dagegen anzukämpfen. Wir stehen dafür, dass sich jeder entsprechend seinen gesundheitlichen, familiären und altersbedingten Voraussetzungen an der Arbeit beteiligt. Mit einer Denkweise „ich habe keine Lust zu arbeiten“ oder „ich lass mich doch nicht ausbeuten“ sind wir nicht einverstanden. ...
Eine kontroverse Diskussion hatten wir, was wir für eine unzumutbare und zur eine zumutbare Arbeit sehen. Außer Frage steht, dass eine kleine zierliche Person oder ein Mensch mit gesundheitlichen Problemen nicht körperliche Schwerstarbeit leisten kann. Oder dass Eltern oder gerade Alleinerziehende mit kleinen Kindern nicht einen Job annehmen können mit Arbeitszeiten außerhalb der Kita-Zeiten, Nachtschicht usw.. Wir kämpfen gegen Leiharbeit und Niedriglöhne. Jedoch zu sagen, ich nehme keine solche Arbeitsstelle auf, damit werden diese Verhältnisse nicht abgeschafft, sondern das ist ein individueller Ausweg. Wir müssen dagegen den gemeinsamen Kampf organisieren.
Dass „Arbeitende und Arbeitslose Schulter an Schulter kämpfen“, ist uns ein großes Anliegen. Hier haben diskutiert, dass das eine Selbstveränderung für beide ist. Dass wir nicht nur fordern, dass die Arbeiterklasse sich mehr mit den erwerbslosen Teilen ihrer Klasse solidarisiert, sie nicht im Regen stehen lässt, sondern sich auch die Arbeitslosen bewusst werden, dass sie Teil der Arbeiterklasse sind.