Ampel platzt akut noch nicht
Lindner setzt Schuldenbremse für 2023 aus und verordnet weiter verschärfte Umverteilung von unten nach oben
"Die FDP stiehlt sich nicht aus der Verantwortung", lässt Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner gestern Abend verlautbaren, und setzt die Schuldenbremse für 2023 nochmals aus. Danach werde sie aber strengstens eingehalten und auch heuer werde man noch einen eisernen Sparkurs in Angriff nehmen. Heute Nachmittag folgten dann neue Nachrichten zum Thema: Lindner hat sich von seinem Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer getrennt, der als "Architekt" des Kreditlabyrints gilt, das jetzt durch den Karlsruher Richterspruch als verfassungswidrig eingestuft wird. Und die Energiepreisbremse läuft zum Jahresende aus und wird nicht - wie geplant - bis April 2024 verlängert.
Offenbar will man an höherer Stelle, in den Chefetagen der in Deutschland tätigen Monopole und Übermonopole, aktuell (noch) keinen Regierungswechsel. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, sagt bekanntlich der Volksmund.
Taschenspielertricks
Bereits Anfang nächster Woche will das Bundeskabinett den Entwurf für einen Nachtragshaushalt 2023 beschließen. Dieser soll dann auch gleich im Bundestag befasst werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die massive Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit Krediten aus der Corona-Pandemie für unzulässig erklärt. Fieberhaft suchen jetzt die Ampelparteien - und etliche Länderregierungen - nach Auswegen. Einmal, um das Geld umzudeklarieren. Zumal auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) vom Urteil betroffen sein wird. Dessen Infragestellung wäre ein empfindlicher Rückschlag für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Monopole. Er enthält u.a. die Subventionen für die Hersteller von Halbleitern in Deutschland, darunter Milliardensubventionen für die Ansiedlung von Chip-Fabriken in Dresden und in Magdeburg. Rückfall im internationalen Konkurrenzkampf oder die Massen weiter gegen die Regierung aufbringen? Das ist das Dilemma von Monopolen und Staat, insbesondere angesichts des auf breiter Front erwachten Klassenbewusstseins des Industrieproletariats und eines Aufschwungs gewerkschaftlicher und selbständiger Arbeiterkämpfe.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt nicht, die Bundesregierung dürfe gar keine "Sondervermögen" mehr bilden. Unter anderem ist das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr auch bei einem Ausgabenstopp vollständig ausgenommen. Dafür wurde bereits das Grundgesetz geändert. Sondervermögen, also Gelder außerhalb des Etats, müssen begründet werden durch "Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen". Da müssen sich die Koalitionäre jetzt was einfallen lassen.
Für die Maßnahmen zur Kürzung der Ausgaben sind sich Regierungsparteien, Opposition und Monopolverbände im Kern einig: Verschärfung der Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf die Arbeiterklasse und die breiten Massen und zu Lasten der Umwelt. Hier sind die Arbeiter- und die Umweltbewegung und die kämpferische Opposition für Monopole und Staat die großen Unwägbarkeiten. Deshalb debattiert man in den Regierungsparteien, in welchem Ausmaß und welcher Form die Abwälzung erfolgen soll und wird.
Schuldenbremse ist Betrug
2009 hatten Bundestag und Bundesrat die sogenannte Schuldenbremse jeweils mit Zweidrittelmehrheit gebilligt. Schuldenbremse bedeutet eigentlich: Null Neuverschuldung. Das war aber bereits bei Beschlussfassung ein löchriges Gebilde. Erlaubt blieben für den Bund jährlich neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die "Sondervermögen" kommen oben drauf. Der gesamte offiziell geplante Bundeshaushalt für das nächste Jahr war gerade 4,5 mal so hoch wie das "Sondervermögen" für die Bundeswehr. An der Staatsverschuldung ändert die Schuldenbremse nichts ernsthaft. Die Staatsverschuldung ist für das Finanzkapital ein höchst profitables Geschäft, denn der Staat nimmt die Kredite bei Banken auf, die dadurch eine staatlich gesicherte sprudelnde Profitquelle haben.
Monopolverbände geben den Takt an
Auf der Tagesordnung des SPD-Parteitags, der vom 8. bis 10. Dezember stattfinden wird, steht ein Leitantrag des Parteivorstands zur "Reform" der Schuldenbremse: "Die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form ist ein Standort- und Wohlstandsrisiko für Deutschland geworden. ... Wir wollen die Schuldenregel ändern, damit mehr Investitionen in die produktive Kapazität der Wirtschaft-Infrastruktur, Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung möglich sind." Das könnte direkt von BDI oder BDA stammen. Nur ja keinen Cent vom gigantischen Subventionsprogramm für Monopole und Konzerne abziehen. Es kann doch nicht sein, dass für ihre Maximalprofite keine "Planungssicherheit" mehr da ist! Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Rainer Dulger ermunterte die Bundesregierung, die Massen bluten zu lassen. Fast die Hälfte des Bundeshaushalts seien Sozialausgaben. Ohne es direkt auszusprechen, ist seine Botschaft natürlich: Die müssen rigoros gekürzt werden.
"Würden Subventionen eine Volkswirtschaft fitter machen, müsste es Deutschland blendend gehen", schreibt süffisant die Neue Züricher Zeitung. Laut der jüngsten Ausgabe des jährlichen Subventionsberichts des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft (IfW) steigen die "Finanzhilfen" des Bundes (ohne Steuervergünstigungen, ohne Hilfen der Bundesländer) von 77 Milliarden 2021 auf geplante 208 Milliarden in diesem Jahr!
Die MLPD fordert, dass angesichst der begonnenen globalen Umweltkatastrophe die notwendigen Sofort- und Schutzmaßnahmen aus den Kassen der Monopole und Konzerne finanziert werden und das Verursacherprinzip konsequent angewandt wird. Dann kann man auf die von den Steuerzahlern finanzierten Sonderfonds verzichten.