Kein Gedanke an Sozialismus

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Linke-Parteitag: Wäre eine Umbenennung nicht ehrlicher?

Kurz vor der geplanten Auflösung ihrer Bundestagsfraktion sollte der Europaparteitag der Linkspartei in Augsburg eine neue Aufbruchstimmung verbreiten.

Von fh
Linke-Parteitag: Wäre eine Umbenennung nicht ehrlicher?
Abstimmung auf dem Augsburger Parteitag der Linkspartei

In einigen Punkten bemüht sich die Linkspartei – auch in Abgrenzung zu Sahra Wagenknecht - um ein eher linkes Profil: Da sind zum einen die Parteilosen Carola Rackete und Gerhard Trabert, Kandidaten der Linkspartei zur Europawahl, die für ehrliches Engagement im Umweltkampf, in der Flüchtlingssolidarität und für soziale Belange stehen. Da ist auch der Beschluss, im Europawahlprogramm eine Vermögenssteuer und 15 Euro Mindestlohn zu fordern. Damit hört es aber auch schon auf.

 

Kern des Europawahlprogramms ist das Märchen von einer friedlichen, demokratischen, sozial gerechten und „klimagerechten“ EU. Unter der Fragestellung „Schaffen wir es, aus den vielen Krisen herauszukommen?“ wird nicht etwa der Imperialismus angegriffen, der die Ursache der vielen Krisen ist. Im Gegenteil, die Linkspartei macht sich zum Propagandisten des imperialistischen EU-Blocks: „Unsere Vision von einem geeinten Europa ist, dass es sich unabhängig von der Blockkonfrontation zwischen den USA und China macht.“

 

Raimon Brete von der Linkspartei aus Chemnitz schreibt zur Parteitagsrede der Co-Vorsitzenden Janine Wissler: „Sie benennt nicht die Ursachen der überdeutlichen Misere und stellt das dies verursachende kapitalistische System nicht infrage. Damit ja niemand nach der gesellschaftlichen Alternative fragt, soll gleich der erste Sozialismusversuch auf deutschem Boden wiederholt und explizit diskreditiert werden. (…) Das Ganze atmet den Geist eines grenzenlosen Opportunismus.“

 

Im Europawahlprogramm fehlt jede Infragestellung des kapitalistischen Systems, jeder Gedanke an einen systemüberwindenden Kampf. Hierin ist man sich mit Wagenknecht völlig einig. Fragen dazu blieben in Augsburg unbeantwortet: Warum das Wort „sozialistisch“ in dem Programm einer sozialistischen Partei nicht vorkomme, fragten mehrere Delegierte. Vielleicht, weil es keine sozialistische Partei ist?

 

Über allem schwebte die Beschwörung, dass nach dem Austritt der Wagenknecht-Anhänger Einigkeit herrsche. Aber das Problem ist nicht ein einzelner Anhänger von Wagenknecht, der auf der Bühne seinen Parteiaustritt verkündet. Das Problem liegt in der DNA der Partei selbst: Als Kniefall vor dem Antikommunismus verteufelt die Linkspartei den Demokratischen Zentralismus. Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit, Vereinheitlichung der Denkweise der ganzen Partei auf die beschlossene Linie gilt unter Antikommunisten als diktatorisch. Es könne, so das Dogma der bürgerlichen Ideologie, nicht nur eine Wahrheit geben, sondern jeder könne seine eigene Wahrheit haben.

 

In einer Partei, die konsequenter Weise auf Pluralismus setzt, werden immer Fraktionen aufeinander prallen. In Augsburg reichte es ausgerechnet in der brennenden Frage des Krieges im Nahen Osten nur für Formelkompromisse. Ein Antrag aus der „antideutschen“ Ecke forderte bedingungslose Unterstützung Israels. Dagegen stand ein Antrag für Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf. Nachdem der Vorstand einen „Kompromiss-Antrag“ vorgelegt hatte, zogen beide Seiten ihre Anträge zurück. Geklärt ist damit allerdings nichts, wie die hitzige Debatte zu diesem Antrag zeigte, die von der Parteitagsregie verschämt auf 23:20 Uhr am Freitagabend gelegt worden war.

 

Wie will die Linkspartei Antworten auf die brennenden Fragen der Menschen geben, wenn sie die Widersprüche in den eigenen Reihen nicht lösen kann?