Tarifrunde Öffentlicher Dienst

Tarifrunde Öffentlicher Dienst

Tarifrunde: Keine Spaltung zwischen Kommunal- und Landesbeschäftigten

Derzeit laufen die Verhandlungen zum Tarifvertrag der Länder, der unter anderem für die Beschäftigten der Universitätskliniken gilt. Am Uniklinikum Augsburg ist die Situation besonders kompliziert, da das Klinikum zum 1. Januar 2019 Uniklinikum wurde und somit nur die Beschäftigten unter den TVL (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder) fallen, die seitdem neu hinzugekommen sind. Für die „Älteren“ gilt weiterhin der TVÖD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Kommunen).

Von Korrespondenten aus Augsburg und Bochum
Tarifrunde: Keine Spaltung zwischen Kommunal- und Landesbeschäftigten
Warnstreik der Uniklinik-Beschäftigten in Tübingen im Jahr 2022 (rf-foto)

Die „Arbeitgeber“ hatten auf dieser Lösung bestanden, wohl wissend, dass dies einen gemeinsamen Kampf erschwert. Trotzdem haben Kolleginnen und Kollegen des TVL bereits in der letzten ÖD-Runde mitgestreikt und ihre Solidarität gezeigt. Auch diesmal lassen sich die Kolleginnen und Kollegen nicht spalten!


Die Forderung von 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro, ist angesichts der massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten mehr als gerechtfertigt, viele hätten sich noch mehr gewünscht. Angesichts der mittlerweile katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern kann eine kräftige Lohnerhöhung aber nur ein Anfang sein. Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steckt insgesamt in der Krise! Extremer Personalmangel, eine regelrechte Massenflucht aus den Gesundheitsberufen, insbesondere aus der Pflege, schlechte Patientenversorgung, Medikamentenmangel und vieles mehr... . All das bringt Beschäftigte und Patienten längst an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die Menschenfeindlichkeit eines profitorientierten, kapitalistischen Gesundheitssystems zeigt sich gerade in den Krankenhäusern in aller Härte.


Die Zahl der Streikenden ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, die Kolleginnen und Kollegen werden immer selbstbewusster. „Jetzt muss was passieren!“ „Wir kämpfen jetzt für höhere Löhne, die wir dringend brauchen!" Das hört man immer öfter. Sie kämpfen nicht nur für mehr Lohn, sondern auch für Entlastung und eine menschenwürdige Patientenversorgung. Sie haben verstanden: „Ohne uns geht es nicht“. Die Zeiten, in denen ein Arbeitsplatz im Öffentlichen Dienst besonders begehrt war, sind längst vorbei! In der Belegschaft ist eine heftige Diskussion darüber entbrannt, wie man sich wehren kann.
Stations- und Bereichsschließungen, Azubistreiks während der Schulzeit, Streiks auf Intensivstationen und in der Notaufnahme sind längst keine Tabus mehr, weil die Belegschaften merken, dass sich die kommunale und die Länderseite nur so bewegen. Viele Kolleginnen und Kollegen sind auch enttäuscht über die faulen Kompromisse der Ver.di-Führung. Auch in der Gewerkschaftsbewegung werden die Stimmen immer lauter, aus den ritualisierten Verhandlungen auszubrechen und endlich wirksame Kämpfe zu entwickeln. So war der ÖD-Abschluss angesichts der realen Inflation ein klarer Reallohnverlust. Viele sagen: "Dafür haben wir nicht gekämpft!

Aus Bochum wird von der Universität berichtet:

"Es ist bemerkenswert, dass in der aktuellen Tarifrunde die gleiche Forderung für den TVL wie im TVöD gestellt wurde. Allerdings ist sie mit 10,5 Prozent oder mindestens 500 Euro mehr - gemessen an der realen Inflation von rund 20 Prozent für Arbeiterfamilien allein im Jahr 2022 - zu niedrig und es ist unverständlich, warum dies in der bisherigen Berichterstattung auf Rote Fahne News einseitig positiv dargestellt wurde. (Anm. d. Red.: Dazu wird die Redaktion morgen eine Antwort veröffentlichen.)


Bei der letzten Tarifrunde 2021 war die Stimmung unter den Hochschulbeschäftigten unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und der 'Wir-sitzen-alle-in-einem-Boot'-Parolen der damals neu gewählten Ampel-Regierung noch relativ verhalten. Damals zogen nur die Aktivistinnen und Aktivisten von  Ver.di durch die Werkshallen und Büros, um für den Tarifkampf zu mobilisieren.


Ganz anders in diesem Jahr: Zum einen beteiligen sich viel mehr Ver.dianerinnen und Ver.dianer an der Mobilisierung der Kolleginnen und Kollegen. Wir trafen auf eine große Offenheit für den gewerkschaftlichen Tarifkampf, aber auch dafür, sich endlich gewerkschaftlich zu organisieren. Der Organisationsgrad an Universitäten und Hochschulen liegt bei rund 5 Prozent - bis jetzt. 'Gut, dass ihr da seid, ich habe ein paar Fragen', war nicht selten die Reaktion.

 

Mit vielen waren wir uns einig, dass es nicht sein kann, dass für Militär und Monopole wie ThyssenKrupp Milliarden da sind, aber für die Landesbeschäftigten 'kein Geld' da ist.


Sogar einige Professoren und Professorinnen unterstützten die Forderungen. Erstmals wird auch ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TV Stud) gefordert, die bisher je nach Hochschule unterschiedlich bezahlt werden und oft nur Miniverträge von zwei bis drei Monaten bekommen. Der Zusammenschluss von Beschäftigten und Studierenden stärkt die Kampfkraft und ist eine Besonderheit in dieser Tarifrunde. Gleichzeitig gibt es viele reformistische Illusionen, dass der Tarifkampf allein die Situation nachhaltig verbessern könnte.


Tarifrunden im Öffentlichen Dienst haben eine politische Komponente, weil die Lohnforderung immer auch gegen die Landes- und Bundeshaushalte erkämpft werden muss. Anhand der Tarifrunde mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren, dass es wichtig ist, die volle gewerkschaftliche Kampfkraft zu entfalten und die Forderung zu 100 Prozent durchzusetzen, dass wir aber mit dem Beginn der globalen Umweltkatastrophe und der Weltkriegsgefahr vor der Aufgabe stehen, die Menschheit vor dem Kapitalismus zu retten und dass dies nur im Sozialismus möglich sein wird, ist das Zeichen der Stunde.
Am 20. November finden bundesweit Hochschulaktions- und Streiktage statt, eine gute Gelegenheit, diese Auseinandersetzung voranzutreiben!"


Die MLPD unterstützt die Kolleginnen und Kollegen dabei, die richtigen Konsequenzen zu ziehen, ihre Positionen stoßen auf großes Interesse. Bei aller berechtigten Enttäuschung wäre es daher falsch, den Gewerkschaften jetzt den Rücken zuzukehren. Vielmehr müssen sie wieder zu ernsthaften Kampforganisationen werden. Wir müssen uns auf die Gefahr fauler Kompromisse vorbereiten, den gewerkschaftlichen Rahmen durchbrechen und selbständige Streiks organisieren! Mit Streiks im Rahmen von Tarifrunden allein ist es nicht getan. Wer sich für ein Gesundheitswesen einsetzen will, in dem wirklich die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen, kommt heute nicht mehr um die grundsätzliche Frage herum, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Im echten Sozialismus wäre es überhaupt kein Problem, die medizinische Vorsorge, Behandlung und Nachsorge auf ein viel höheres Niveau zu heben. Der gesellschaftliche Reichtum, befreit von den Fesseln kapitalistischer Profitmacherei, käme endlich der Masse der Menschen zugute! Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Und diese Kämpfe sind immer auch eine Schule des Klassenkampfs für die Kolleginnen und Kollegen, in der sie lernen. In diesem Sinne: Auf in eine kämpferische Tarifrunde!