Öffentlicher Dienst der Länder
Tarifrunde: Jetzt bundesweite Streiks!
Seit dem 26. Oktober laufen die Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes der Länder.¹ Auch in der zweiten Verhandlungsrunde am 3. November haben die öffentlichen "Arbeitgeber", die in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zusammengeschlossen sind, kein Angebot vorgelegt, sondern "alle wesentlichen Forderungen und Erwartungen rundweg abgelehnt", wie Ver.di in einer aktuellen Erklärung schreibt.
Die Kolleginnen und Kollegen fordern eine Erhöhung der Tabellenentgelte um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich. Diese relativ hohen Forderungen sind angesichts der gegenwärtigen Inflation vollkommen berechtigt. Die offizielle Preissteigerung von 4,8 Prozent im Oktober kommt auf den Sockel der Preissteigerungen von 3,1 Prozent 2021 und 6,9 Prozent 2022 noch oben drauf. Und die reale Inflation für Arbeiterfamilien ist noch weitaus höher. Letztes Jahr lag sie bei über 20 Prozent.
Sie sind von den höchsten Preissteigerungsraten bei Nahrungsmitteln mit 6,1 Prozent oder bei Mieten mit rund 7 Prozent (jeweils Oktober) viel stärker betroffen als Besserverdienende, weil diese einen höheren Anteil ihrer Verbrauchsausgaben ausmachen. Von einer "Entwarnung" kann bei der Inflation keine Rede sein (mehr dazu).
Ver.di fordert völlig zu Recht auch eine Erhöhung von 200 Euro im Monat für Nachwuchskräfte und die unbefristete Übernahme von Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluss. Das lenkt den Blick auf die Zukunftsinteressen der Jugend und stärkt die Kampfeinheit von jung und alt - vor allem dann, wenn sie in den Kampf zur Durchsetzung dieser Forderungen aktiv einbezogen werden. Auch für die 300.000 studentischen Beschäftigten soll ein Tarifvertrag abgeschlossen werden. Diese haben meist nur befristete und schlecht bezahlte Verträge.
Ver.di prangert an: „Statt die Belastung der Kolleg*innen anzuerkennen und für Ausgleich zu sorgen, verweisen die Arbeitgeber auf den möglichen Bezug von Wohngeld". Aha, für eine Lohnerhöhung haben die Länder kein Geld, aber für Wohngeld? Oder soll hier der Finanzstreit zwischen Bund und Ländern auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden? Welche Auswüchse dieses Gerangel hervorbringt, konnte man zuletzt bei der Finanzierung der Flüchtlinge sehen, als sich Politiker aller bürgerlichen Parteien in rechter Rhetorik überboten.
Wenn die TdL schreibt: „Unsere Beschäftigten leisten hervorragende Arbeit und dafür verdienen sie Wertschätzung, die sich auch in den Löhnen widerspiegeln soll“, gleichzeitig aber erwartet, dass sich die Beschäftigten mit Löhnen abspeisen lassen, die durch Wohngeld oder womöglich andere Sozialleistungen aufgestockt werden, dann spricht aus dieser Haltung eine große Geringschätzung der Kolleginnen und Kollegen.
Das zeigt, wie diese Tarifrunde von Beginn an politische Dimension erhält. Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sind herausgefordert, sich gegen die Ampel-Regierung und ihre immer offenere Orientierung auf die Subventionierung der Monopole und andere Dienstleistungen in deren Interesse zu positionieren. Während für geplante Chipfabriken Milliarden von Euro vorhanden sind, soll es nicht mal zum Inflationsausgleich für die staatlichen Beschäftigten reichen!
Das gilt auch für die drastische Aufrüstung der Bundeswehr, um sie für die Durchsetzung imperialistischer Interessen kriegsfähig zu machen. Vom 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr könnte die notwendige kräftige Lohnerhöhung im Öffentlichen Dienst mehrfach finanziert werden. Es geht aber nicht nur darum, diese Politik aus ökonomischen Gründen abzulehnen, sondern vor allem deshalb, weil sie dazu beiträgt, die Menschheit in den Untergang in einem atomaren Dritten Weltkrieg zu stürzen. In der Tarifrunde müssen auch diese Fragen intensiv diskutiert werden. Bei den Aktionen können konkrete Forderungen dazu aufgestellt werden.
Gegen die sture Haltung der kommunalen „Arbeitgeber“ und zur Durchsetzung unserer Forderungen ist die Vorbereitung von Urabstimmung und unbefristeten bundesweiten Streiks jetzt die richtige Antwort. Die Warnstreiks können für eine breite Mobilisierung genutzt werden. Gleichzeitig muss der Gedanke der Arbeitereinheit über den eigenen Betrieb hinaus gestärkt werden. Zum Beispiel in gegenseitiger Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen der GDL, die ebenfalls in die Tarifrunde gehen. Jetzt ist die Zeit für die notwendige Überzeugungsarbeit unter den Massen, aber auch in den Belegschaften für die kommenden harten Auseinandersetzungen.
Der selbständige Streik der Hafenarbeiter am Hamburger Burchardkai gegen Privatisierungspläne und deren Folgen war zwar kein Tarifstreik, aber ein offensives Signal an die gesamte Arbeiterbewegung. Er hat die Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen gezeigt und wichtige selbständige Elemente hervorgebracht. In diesem Streik haben die Beschäftigten ihre Sache selbst in die Hand genommen: Streikversammlungen mit offenem Mikrofon, Abstimmung über das weitere Vorgehen direkt vor dem Tor, Organisierung von Solidarität und vieles mehr.
Auch in der Tarifauseinandersetzung der Länder haben die Beschäftigten in zahlreichen Aktionen ihre Kampfbereitschaft bewiesen: „Tausende Kolleg*innen haben die Kampfansage der Landes-Arbeitgeber angenommen und sind in dieser Woche in den Streik getreten: Von Baden-Württemberg über Nordrhein-Westfalen, über Schleswig-Holstein und Hamburg geht die Streikwelle gen Osten, von Sachsen-Anhalt bis nach Berlin. Die Breite der beteiligten Berufe zeigt, wie wesentlich die Arbeit im Öffentlichen Dienst der Länder ist und was fehlt, wenn zum Beispiel Hochschulbeschäftigten, Kulturschaffende an Staatstheatern, Konzerthäusern und Museen, Uni-Klinik-Kolleg*innen, Küstenschützer*innen, Straßenbauer*innen, Erzieher*innen, Sportplatzwarten, Sozialarbeiter*innen die Arbeit niederlegen: Dann geht im öffentlichen Leben nicht mehr viel", schreibt Ver.di aktuell. Jetzt gilt es, Urabstimmung und unbefristeten Streik bundesweit vorzubereiten.