Täuschungsmanöver mit offizieller Inflationsrate

Täuschungsmanöver mit offizieller Inflationsrate

Reallohnverlust erfordert energischen Kampf um deutlich höhere Löhne

Kürzlich wurde vom Statistischen Bundesamt die offizielle Inflationsrate für Oktober mit „nur noch“ 2,9 Prozent mehr als im gleichen Vorjahresmonat angegeben. Damit wäre man nur noch wenig entfernt von der magischen 2-Prozent-Inflationsrate, die immer von den bürgerlichen Politikern und ihren Wirtschaftswissenschaftlern als erstrebenswert ausgegeben wird. Also wäre das Problem der hohen Preissteigerungen fast gelöst?

Von ba
Reallohnverlust erfordert energischen Kampf um deutlich höhere Löhne
(foto: Lisa S. (shutterstock 329845973))

Das ist keineswegs der Fall. Denn im Oktober 2022 lag die offizielle Inflationsrate auf dem bisherigen Spitzenwert von 8,6 Prozent. Die aktuelle Preissteigerung liegt also um 2,9 Prozent über diesem Preisniveau. Außerdem wirkt beim Sinken der Inflationsrate ein so genannter Basiseffekt: Die Bundesregierung hatte von Juni bis August 2022 den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket eingeführt, um die Verbraucher zu entlasten. Dieses gesenkte Niveau fällt nun aus dem Vorjahresvergleich heraus, was den kräftigen Rückgang der Teuerungsrate seit August z.T. erklärt. Die Inflationsrate wird daher voraussichtlich in absehbarer Zeit noch stärker steigen als bisher.

 

Es ist auch überhaupt nicht einzusehen, warum eine Preissteigerung überhaupt normal und gut sein soll. Die Arbeitsproduktivität in Deutschland hat sich in den letzten Jahren ständig erhöht. Der Umsatz pro Beschäftigten hat sich von 323 Tausend Euro im Jahr 2018 auf 401 Tausend Euro im Jahr 2022 erhöht. Das ist ein Plus von nahezu 25 Prozent. Die produzierten Waren müssten also eigentlich billiger werden. Stattdessen nutzen besonders die großen Monopole ihre Marktmacht, um ständig Preissteigerungen durchzusetzen, die die Kaufkraft unserer Löhne verringern.

 

Außerdem steigen gerade diejenigen Preise für Waren, für die die Arbeiter, kleinen Angestellten, Rentner und Arbeitslosen besonders viel ausgeben müssen. Das sind Lebensmittel, Gas, Strom, Benzin und Mieten. So sind Nahrungsmittel seit September 2022 erneut um 7,5 Prozent teurer geworden. Und noch im Juli sind die Preise für Erdgas um 8,5 Prozent und für Strom um 17,6 Prozent teurer geworden als im Vorjahr.

 

Die offiziell angegebenen Preissteigerungen seit Anfang 2020 bis in den Oktober 2023 ergeben addiert eine Preissteigerung von über 20 Prozent. Dabei verfälscht diese Zahl die realen Preissteigerungen für die Masse der Bevölkerung erheblich. Diese liegt fast doppelt so hoch. Denn der Anteil der für die Masse der Bevölkerung besonders wichtigen Waren wird im Warenkorb der Statistiker viel zu niedrig angesetzt. So machen die Nahrungsmittel im Warenkorb nur 10 Prozent aus, während in Wirklichkeit die meisten Menschen bis zu 30 Prozent ihres Einkommens dafür ausgeben müssen.

 

Die Löhne und Gehälter stiegen in diesen drei Jahren bei weitem nicht in diesem Ausmaß. In dieser Zeit sind die Reallöhne[1] trotz energischer Tarifkämpfe der Beschäftigten nur um etwa 11 Prozent gestiegen. Die offiziellen Reallöhne sind also zwischen Anfang 2020 und heute um 9 Prozent gefallen. Nimmt man die Preissteigerungen für die Waren, die wir tatsächlich vor allem brauchen, beträgt der Reallohnverlust etwa 15 bis 18 Prozent. Das betrifft aber nur die Branchen, in denen neue Tarife abgeschlossen wurden. Außerdem gelten diese meist noch Jahre über heute hinaus und werden durch die laufende Inflation und Steuerprogression schon wieder aufgefressen. Die steuer- und abgabenfrei gestellten Einmalzahlungen haben die Inflation auch nur für ein Jahr gelindert, wirken sich aber nicht dauerhaft aus. Wegen der faulen Kompromisse, die die Gewerkschaftsführungen akzeptiert haben, gleichen die bisherigen Lohnerhöhungen also die Teuerung bei weitem nicht aus.

 

Zur Zeit laufen Tarifrunden für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder, sowie für die 6,5 Millionen Beschäftigten im Groß-, Außen- und im  Einzelhandel. Tarifrunden beginnen am 9. November für die in der GDL organisierten Eisenbahner. Gleichzeitig findet die Stahltarifrunde für die nordwestdeutsche und ostdeutsche Stahlindustrie statt.

 

Dass die Kollegen und Kolleginnen kampfbereit sind, haben sie entweder durch Streiks und Kundgebungen oder auch bei der Aufstellung ihrer Forderungen schon bewiesen. Es gilt, sich nicht von den offiziellen Inflationsraten täuschen zu lassen und Forderungen durchzusetzen, die tatsächlich – auch über die gesamte Laufzeit der Verträge – Löhne sichern, die erhöhte Abgaben und die reale Inflation ausgleichen. Jetzt können dazu auch gemeinsame Kampfmaßnahmen über die Branchengrenzen hinweg organisiert werden. Und über laufende Tarifrunden hinaus, insbesondere da, wo die schon vereinbarten Lohnerhöhungen nicht reichen, sollte ein selbständiger Streik für Lohnnachschlag besprochen und organisiert werden!