Globale Umweltkatastrophe

Globale Umweltkatastrophe

Wenn ein Polarforscher vor Panik warnt ...

Ark­tis­for­scher Mar­kus Rex hat der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview gegeben. Darin warnt er vor Weltuntergangs-Panik: "Der Welt­un­ter­gang ist nicht na­he, wenn man von Atom­kriegs­sze­na­ri­en mal ab­sieht. Die Kli­mas­ze­na­ri­en als sol­che be­inhal­ten kein Aus­ster­ben der Mensch­heit."

Von ms

Man fragt sich, woher der Mann angesichts immer neuer Temperaturrekorde, einem dramatischen Schmelzen des Polareises und zunehmender regionaler Umweltkatastrophen seine Sicherheit nimmt. Nun, so wirklich sicher ist er sich keineswegs. Vielmehr seien "die ganz ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen noch nicht weit ge­nug ana­ly­siert, um fun­dier­ten Ein­gang in die De­bat­te zu fin­den".1

 

Selbstverständlich müssen die aktuellen Entwicklungen weiter untersucht werden. Absurd ist Rex' agnostizistische Deutung2, alle handfesten Belege für die bereits begonnene globale Umweltkatastrophe in Frage zu stellen: "Wir ha­ben kei­ne Ah­nung, was da ge­ra­de et­wa mit den atem­be­rau­ben­den Tem­pe­ra­tu­ren im Nord­at­lan­tik pas­siert oder bei der ant­ark­ti­schen Meer­eis­aus­deh­nung, die sie­ben Stan­dard­ab­wei­chun­gen un­ter dem jah­res­zeit­li­chen Nor­mal­be­reich liegt, was prak­tisch aus dem Nichts ge­kom­men ist." Rex hält all das für "vorübergehende Anomalien".

 

Mit seiner vorgeblichen Ahnungslosigkeit stellt sich Rex sogar gegen die Hauptrichtung in der bürgerlichen Naturwissenschaft. Im neuen Buch "Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!" wird deren Stand in Bezug auf die Antarktis so zusammengefasst: "Der Eisschild im Westen der Antarktis schwindet inzwischen nicht nur an der Oberfläche, sondern zusätzlich auch von unten durch erwärmtes Meerwasser. Die Fläche des Meereises der Antarktis schmolz im Februar 2023 auf einen Rekordwert von nur noch 1,79 Millionen Quadratkilometer."3 Von "vorübergehenden" Störungen kann demnach keine Rede sein.

 

Der letzte Bericht des Weltklimarats, an dem immerhin 782 Wissenschaftler mitgearbeitet haben, konstatiert "zunehmend irreversible Biodiversitätsverluste in Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeresökosystemen". Er mahnt: "Das Risiko schwerwiegender Auswirkungen steigt mit jedem weiteren Anstieg der globalen Erwärmung."4 Die Ausführungen und Schlussfolgerungen der Berichte des Weltklimarats bagatellisieren jedoch zugleich die alarmierenden Ergebnisse und rechtfertigen sie zum Teil sogar.

 

Auch Mediziner der Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnen vor einer "globalen Katastrophe" und erwägen die Ausrufung eines "globalen Gesundheitsnotstands": "Denn durch die Stö­rung der so­zia­len und wirt­schaft­li­chen Sys­te­me, die Bo­denzer­stö­rung, den Man­gel an Un­ter­künf­ten, Nah­rung und Was­ser, durch ver­schärf­te Ar­mut, Mas­sen­mi­gra­ti­on und Kon­flik­te wer­de die pla­ne­ta­re Kri­se er­heb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die mensch­li­che Ge­sund­heit ha­ben."5

 

Bei genauerer Betrachtung ist Markus Rex gar nicht so panikfrei, wie er sich gibt. Seine größte Befürchtung gilt dem "gesellschaftlichen Rückhalt" für die sogenannte "Demokratie", also den herrschenden Kapitalismus. Völlig zu Recht schwant ihm, dass "vie­le Men­schen, die sich schon lan­ge mit Nach­druck für Kli­ma­schutz ein­set­zen, markt­wirt­schaft­li­chen Prin­zi­pi­en ge­gen­über eher miss­trau­isch sind". "Marktwirtschaftlich" ist bekanntlich nur eine verklärende Umschreibung für "kapitalistisch".

 

Und das geht dem selbst ernannten "prag­ma­ti­schen Na­tur­wis­sen­schaft­ler" dann doch zu weit. Denn es muss auch mal gesagt sein, "dass Was­ser nach un­ten flie­ßt und Ka­pi­tal zur Ren­di­te, und im Grund­satz wer­den wir bei­des nicht än­dern kön­nen". Womit mal wieder bestätigt ist, dass die jeweils vorherrschende Weltanschauung den wissenschaftlichen Forscherdrang maßgeblich beeinflusst.

 

Das trifft auch für die bürgerliche Naturwissenschaft im Gesamten zu, wenn sie trotz vieler richtiger Einzelerkenntnisse kaum zu den tieferliegenden Gesetzmäßigkeiten und erst recht nicht zu revolutionären Schlussfolgerungen vordringt. Die ausgeprägte Kapitalismusgläubigkeit des Polarforschers Markus Rex vernebelt ihm selbst jeden kritischen Blick für die Dramatik der Situation.