Manifest veröffentlicht
Die „Wagenknecht“-Partei – der Versuch, dem Kapitalismus zu neuem Ansehen zu verhelfen
Mit einer Pressekonferenz hat Sahra Wagenknecht gestern die Gründung ihrer neuen Partei offiziell verkündet. Zugleich sind nach ihren Angaben neun weitere Bundestagsabgeordnete aus der Linkspartei ausgetreten, darunter die bisherige Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed-Ali. Die Gründung der Partei soll im Januar 2024 erfolgen und sie wird an der Europawahl teilnehmen. Die Kandidatur bei den drei Landtagswahlen im September wird angestrebt, ist aber noch nicht sicher.
Wagenknecht kritisiert die Abgehobenheit der Linkspartei von den realen sozialen Problemen der Arbeiter, „die Arroganz und Überheblichkeit einer postmodernen Lifestyle-Linken, die verächtlich auf die Arbeiter hinab blickt.“ [1] Sie kritisiert auch völlig zu Recht die opportunistische Haltung der Linkspartei zum Krieg in der Ukraine. Aber diese Kritik ist selbst nicht vom Klassenstandpunkt der Arbeiter aus geführt, sondern die Arbeiter werden lediglich als Opfer betrachtet, die sich durch „Gemeinsinn und Zusammenhalt“ [2] mit den Kapitalisten aussöhnen sollten. Da schätzt sie die Arbeiterklasse aber gravierend falsch ein, die im letzten Jahr doch gerade ihre Klassenselbständigkeit stärkte!
Was für eine Partei tritt hier eigentlich an? Das Gründungsmanifest beklagt, dass viele Menschen „das Vertrauen in den Staat verloren“ haben. Dem will die Partei abhelfen mit „wirtschaftlicher Vernunft“, „sozialer Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Freiheit“, so die Kapitelüberschriften.
Das "Manifest" spricht an vielen Punkten berechtigt Probleme an wie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, Altersarmut, Hartz IV, aber auch die Kriegstreiberei der Ampel-Regierung oder die „Überwachung und Manipulation der Menschen“. Aber welche Lösung, welche grundsätzliche gesellschaftliche Perspektive wird angeboten? „Wir wollen den Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts stoppen“, heißt es darin, um „den wirtschaftlichen Abstieg unseres Landes zu verhindern“. Was hier zerfällt und absteigt ist aber die kapitalistische Gesellschaft, was doch außerordentlich zu begrüßen ist! Wer darüber jammert, der will dem Kapitalismus zu neuen Ansehen verhelfen. Das haben allerdings schon viele vergeblich versucht, weil der Kapitalismus sich nicht zähmen lässt.
Die MLPD setzt in dieser Situation genau auf die entgegengesetzte Karte: Dem echten Sozialismus zu neuem Ansehen verhelfen! Er ist das einzige Gesellschaftssystem, in dem die Menschheit überleben kann.
Die neue Partei Wagenknechts wolle eine „politische Leerstelle ausfüllen“, wie es in der Pressekonferenz hieß. Es ist vielmehr nur eine neue Variante des alten Versuchs, eine Lösung der Menschheitsprobleme im Kapitalismus vorzugaukeln. Und es gab von Sahra Wagenknecht ja selbst bereits einen solchen Versuch mit ihrer "Aufstehen"-Bewegung, die sie kurzerhand dann aber wieder aufgab, was tausende ehrlich engagierte Menschen enttäuschte. Die eigentliche „Leerstelle“ im heutigen politischen System ist eine offene und gleichberechtigte Debatte über den echten Sozialismus, was vom staatlich verordneten Antikommunismus verzweifelt verhindert werden soll.
Das Gründungsmanifest des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ - so der äußerst bescheidene Vereinsname -, grenzt sich klar gegen Faschisten ab. Sahra Wagenknecht setzt nicht auf direkte politische Zusammenarbeit mit der AfD, wie ihr von bürgerlichen Medien teilweise zu Unrecht unterstellt wird. Aber sie bereitet weltanschaulich den Boden für gefährliche Querfront-Bestrebungen, die am Ende nur den Faschisten nützen. Wagenknecht bezeichnet ihr Programm als „linkskonservativ“ [3]. Was soll das sein? Konservativ bedeutet, am Hergebrachten festhalten zu wollen und Veränderungen abzulehnen. Das ist das genaue Gegenteil der politischen Linken, deren Wesen die Rebellion gegen das bestehende System der Ausbeutung und Unterdrückung, der heraufbeschworenen begonnenen globalen Umweltkatastrophe und der imperialistischen Kriege ist.
Ihren früheren kommunistischen Anspruch hat Sahra Wagenknecht längst aufgegeben. In ihrem programmatischen Buch „Die Selbstgerechten“ spielt der Sozialismus keine Rolle, ihm wird die Illusion der allmählichen Verbesserung des Kapitalismus entgegen gestellt. Wagenknecht hält in Wirklichkeit den linken Anspruch nur noch aufrecht, um fortschrittliche Menschen für ihre Partei zu gewinnen. Man darf Wagenknecht getrost unterstellen, dass sie ihre Worte sehr bewusst wählt. Politisch bestärkt sie mit der Warnung vor „ungeregelter Zuwanderung“, die „unser Land“ überfordere, ausländerfeindliche Vorbehalte. Die versuchte Versöhnung von solchen im Kern reaktionären Positionen mit dem „linken“ Anspruch bedeutet aber nichts anderes als der faschistischen Querfront-Taktik Vorschub zu leisten. In Wirklichkeit gibt es keine "ideologiefreie" Versöhnung von Links und Rechts.
Die MLPD hat sich in ihrem über 40-jährigen Parteiaufbau dagegen niemals verbogen, angepasst oder angebiedert, nur weil es einfacher erschien. Wer eine ernsthafte Alternative möchte, ist in unseren 70 Kreis- und Ortsverbänden herzlich willkommen!
Die MLPD hat im Februar das „Friedensmanifest“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht kritisch unterstützt und sie wird selbstverständlich in allen Fragen auch mit der neuen Partei zusammenarbeiten, wo es Gemeinsamkeiten gibt. Aber sie wird ihre Arbeit für ein neues Ansehen des echten Sozialismus immer mit unversöhnlicher Kritik an reaktionären Tendenzen auch bei dieser Partei verbinden.