Höchste Wahlbeteiligung seit 1990

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Polen: Faschistoide PiS-Regierung abgestraft

Am Sonntag fanden in Polen Parlamentswahlen statt. Die faschistoide PiS („Recht und Gerechtigkeit“), die bisher allein regierte und das mit faschistischen Maßnahmen, verlor ihre Mehrheit im Parlament. Ein wachsender Teil der Massen ist kritisch gegenüber der Rechtsentwicklung.

Von tt
Polen: Faschistoide PiS-Regierung abgestraft
Große Demonstration in Polen (shutterstock_1839560803)

Fortschrittlicher Pol formiert sich unter Führung der Arbeiterklasse

Schon im letzten Jahr gab es Massenproteste gegen die Regierung, besonders der kämpferischen Frauenbewegung. Am 15. September demonstrierten in Warschau mit dem „Marsch des Zorns“ Tausende Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes - der größte Arbeiterprotest der letzten Jahre. Sie fordern eine offensive Lohnerhöhung von 20 % ab dem 1. Juli 2023 und 24 % ab dem 1. Januar 2024. Es solidarisierten sich Bergarbeiter, Metallarbeiter, Stahlarbeiter, Leichtindustriearbeiter, Zementarbeiter,... . Am 1. September fand vor dem Gebäude des Bildungsministeriums eine Streikdemonstration der Lehrer statt. Die Forderungen waren neben mehr Lohn auch das Ende der Einmischung der PiS-Partei in die Lehrpläne. Am 9. September fand eine Protestkundgebung von Menschen mit Behinderungen und ihren Betreuern vor dem Präsidentenpalast statt. Am 27. September gab es Mieterproteste in Łódź und am 30. September in Warschau. Nachdem die PiS unter heftigsten Protesten das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Polen abschaffte, baute Pis-Chef Jaroslaw Kaczynski seine frauenfeindlichen Positionen weiter aus. Er behauptete: „Wenn es so weitergeht, dass junge Frauen bis zum Alter von 25 Jahren genauso viel trinken wie gleichaltrige Männer, dann wird es keine Kinder geben. Ein Mann muss im Durchschnitt 20 Jahre lang exzessiv trinken, um Alkoholiker zu werden, eine Frau nur zwei“ (www.zdf.de, 08.11.2022). Unter der Bevölkerung nahm die Politisierung zu. Das kommt auch in der hohen Wahlbeteiligung von 73 % (2019 61,7 %) zum Ausdruck - der höchste Wert seit Zusammenbruch des Sozialfaschismus in Polen 1990.

 

Die PiS erhielt zwar 35,4%. Sie verlor jedoch 8 Prozentpunkte gegenüber 2019. Zweitplatzierter ist die „Bürgerplattform“ KO von Donald Tusk mit 30,7% (+3,3 Prozentpunkte). Die Lewica („Linke“, ein Bündnis mit sozialdemokratischen und revisionistischen Kräften) verlor 4 Prozentpunkte und kam auf 8,6 %. Das Mitte-Rechts-Wahlbündnis Trzecia Droga („Der dritte Weg“) bekam 14,4 %. Diese drei Kräfte können zusammen rechnerisch voraussichtlich die PiS ablösen. Lewica bot sich bereits an. Die faschistische Konfederacja bekam 7,2 % (+0,4 Prozentpunkte).

 

Seit Wochen trommelte die PiS auch für das Referendum, das ebenfalls am Sonntag stattfand. Eine von vier Fragen lautete: „Bist du für die Aufnahme Tausender illegaler Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika, die uns die EU mit dem Zwangsmechanismus der Verteilung aufdrücken will?“. Die PiS hetzte gegen Donald Tusk, er sei Befehlsempfänger der EU. Damit wurden demagogisch berechtigte Kritiken der Massen an der EU und insbesondere Deutschland als stärkstem imperialistischen Land missbraucht. Unter der Flagge, alles, was „von außen“ komme, sei schlecht für Polen. Dabei zog Kaczynski bewusst antikommunistische Parallelen zur Sowjetunion. Er verschwieg dabei, dass dort 1956 der Sozialismus verraten und ein bürokratischer Kapitalismus wieder eingeführt wurde. Seitdem wurde das polnische Volk tatsächlich mehr und mehr von den in der Sowjetunion herrschenden Bürokraten ausgebeutet und unterdrückt.

 

Viele wählten deshalb Donald Tusk, um die PiS zu verhindern, insbesondere in der Hoffnung, die frauenfeindlichen Abtreibungsgesetze abzuschaffen. Donald Tusk ist allerdings zumindest in der Flüchtlingsfrage reaktionär, er ist "gegen eine Zwangsumverteilung von Flüchtlingen" (www.zdf.de 16.10.).

 

Die PiS hat vor allem unter der Arbeiterklasse größeren Einfluss, weil sie ihre Politik mit sozialen Reformen schmückt. Sie profitierte vom neuimperialistischen Aufstieg Polens und der Hebung des allgemeinen Lohnniveaus. Sie führte ein Kindergeld von umgerechnet 125 Euro ein.

Einschätzung der polnischen Freunde der ICOR

In einer ersten Einschätzung schreibt die Organisation „Karl-Marx-Institut“, die Freunde der revolutionären Weltorganisation ICOR in Polen sind:

 

„In den Medien wird nicht über die wirtschaftlichen oder sozialen Folgen dieses Ergebnisses berichtet. Alles, was wir hören, ist, dass "die Demokratie gewonnen hat", was sich in steigenden Zinssätzen und Sparmaßnahmen zur Rettung der Wirtschaft niederschlagen wird. Die Kapitalistenklasse jubelt. Die Börsenkurse der polnischen Banken sind in die Höhe geschnellt. Dennoch wird nicht erwartet, dass die neue Regierung in der Lage sein wird, selbst grundlegende soziale Reformen wie die Lockerung des Abtreibungsgesetzes durchzusetzen. Das hat sie auch in der Vergangenheit nicht getan, als sie es konnte.

 

Auf der anderen Seite ist es eine Erleichterung, dass die faschistische Konfederacja etwa (nur) 6 % der Stimmen erhielt. Diese Wahlen haben jedoch gezeigt, wie sich die Stimmen in Polen verteilen. Nach den vorliegenden Daten haben fast 50 % der Arbeiter und 45 % der Arbeitslosen für die PiS gestimmt, weil sie - trotz ihres reaktionären Programms - die erste Partei in Polen war, die den "neoliberalen Konsens" gebrochen und mit Hilfe sozialer Zugeständnisse ... die Unterstützung des ärmeren Teils der Gesellschaft gewonnen hat. … Wir sind auch nicht schockiert über das Ergebnis der polnischen sozialdemokratischen Partei Lewica, die zusammen mit den Liberalen etwa 10 % der Stimmen erhalten hat. Gleichzeitig haben den Daten zufolge, bei denen die einzelnen sozialen Gruppen gefragt wurden, wen sie wählen, nur 5 % der Arbeiter für Lewica gestimmt! Im Gegensatz dazu entfielen 7,5 % der Stimmen für Lewica auf die kleine Eigentümerschicht und die Intelligenz.“

 

Polen befindet sich im Übergang zu einem neuimperialistischen Land. In Zusammenarbeit mit den USA wird eine eigene Atomindustrie aufgebaut, mit der Bestellung von ca. 1000 Kampfpanzern, 650 Haubitzen und 48 Kampfflugzeuge aus Südkorea will Polen die stärkste Armee Europas aufbauen. PiS und Bürgerplattform vertreten letztlich nur zwei unterschiedliche Gruppen der polnischen Großkapitalisten. Während die PiS die aggressive „Mein-Land-Zuerst“-Politik vertritt, ist Donald Tusk als Vertreter des Finanzkapitals der Meinung, die polnischen Monopole könnte im Bund mit der EU auf dem Weltmarkt schneller vorankommen.

Auf dem Wahlzettel stand keine marxistisch-leninistische Alternative

Polen befindet sich im Übergang zum Faschismus. Das Fotografieren militärischer Einrichtungen ist unter Gefängnisstrafe verboten, Gerichte und Medien sind weitgehend auf den PiS-Kurs ausgerichtet, kommunistische Symbole verboten. Die seit einigen Jahren betriebene „Dekommunisierung“ wurde beschleunigt. Aktuell existiert mit der Kampagne „Jagt den Bolschewismus aus dem Denkmal“ eine öffentliche Liste mit Denkmälern, Straßennamen usw., die beseitigt werden sollen.

 

Sehr bedeutend ist, dass aus Polen zwei Organisationen am Weltkongress der United Front teilgenommen haben und es junge Kräfte gibt, die ernsthaft den Neuaufbau einer marxistisch-leninistischen Organisation in die Hand genommen haben, was unter den Bedingungen in Polen besonders schwierig ist. Die MLPD wird das weiter mit Tat und Rat unterstützen.