Israel-Palästina
Nicht alle fügen sich der verordneten Einheitsmeinung
In seiner Regierungserklärung vom 12. Oktober hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verfügt, dass es nur einen Platz an der Seite Israels geben dürfe: „Jedes 'Ja, aber' ist fehl am Platze.“
Der Bundestag folgte ihm mit einer einstimmigen (!) Resolution, die Israel „jede Unterstützung“ zusicherte. Auch die Bundestagsfraktion der Linkspartei stimmte also einstimmig den damit versprochenen Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet und an ein imperialistisches Land zu.
Rechtfertigt der Angriff der faschistischen Hamas wirklich die völkerrechtswidrige Abriegelung und den Feldzug gegen die Bevölkerung im Gazastreifen? Soll in einer so komplexen Situation, in der es in Israel seit Monaten berechtigte Massenproteste gegen die faschistoide Regierung gibt, jede Kritik an Israel verboten sein?
Nicht alle gesellschaftlichen Kräfte unterwerfen sich diesem Meinungsdiktat. Viele Organisationen verurteilen klar den Angriff der Hamas und wenden sich gleichzeitig gegen einen Vergeltungskrieg Israels und gegen deutsche Waffenlieferungen. Die Ärzte gegen den Atomkrieg erklären: „Jetzt muss alles getan werden, den Kreislauf der Gewalt zu beenden. Wir appellieren an alle Akteure im israelisch-palästinensischen Konflikt, sich an die Prinzipien des internationalen Völkerrechts und der Menschenrechte zu halten. Es gibt keinen Frieden ohne ein Ende der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzungspolitik sowie eine politische Lösung, die von den Konfliktparteien ausgehandelt werden muss“. (IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen)
In diese Richtung gehen auch die Positionen der kirchlichen Friedensorganisation Pax Christi, der Connection e.V. (Organisation zur Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern), der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK, die den Überfall der Hamas verurteilt, aber auch die israelische Bodenoffensive und Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet kritisiert. Die Antifaschisten der VVN-BdA warnen bei aller Solidarität mit den Opfern in Israel vor einer Gewaltspirale und lehnen Gewalt gegen den Gazastreifen ab. Der Zentralrat der Muslime wird heftig angegriffen für eine erste, sehr kurze Stellungnahme, die den Angriff der Hamas verurteilt, dann aber beide Seiten auffordert, die Gewalt einzustellen. Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft verurteilt ebenso wie die Palästinensische Gemeinde Hannover die Gewalt beider Seiten.
Gleichzeitig gibt es Stimmen, die sich gegen die israelische Regierung stellen, ohne die faschistische Hamas in Schutz zu nehmen, sondern sie mit dem legitimen Widerstand der Palästinenser gleichsetzen. Dazu gehört der „Bundesarbeitskreis gerechter Frieden in Nahost“ der Linkspartei. Er bedauert zwar den „schrecklichen Anschlag“, stellt ihn aber als verständliche Reaktion „der Menschen“ in Palästina dar. Auch die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ sieht den Angriff der Hamas „wie einen Gefängnisausbruch“. Das muss sehr kritisch diskutiert werden, denn es verharmlost den Faschismus, vermischt ihn mit dem legitimen Befreiungskampf und öffnet damit der faschistischen Querfronttaktik Tür und Tor.
Wir verurteilen die Position des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 9. Oktober, der mit keinem Wort die Hamas verurteilt, sondern ausschließlich Israel und die Bundesregierung angreift. Das entspricht der empörenden Haltung der DKP und läuft auf eine offene Querfront mit der faschistischen Hamas hinaus. Auch bei den "Pro-Israel"-Demonstrationen gibt es Unterschiede. Es gibt Demonstrationen mit israelischen Fahnen, die „Für Frieden im Nahen Osten“ oder „Frieden Israel-Palästina“ marschieren (z.B. in Aachen mit 350 Leuten) und andere, die mehr oder weniger offen für Vergeltung und Rache werben, wie in Halle an der Saale das „Bündnis gegen Antisemitismus“.
Es gibt also viel Diskussionsbedarf. Die Positionen der MLPD mit ihrer Verurteilung der Hamas, aber auch des Vergeltungskrieges der israelischen Regierung sind für viele Menschen eine wichtige Orientierung. Weltanschauliche Kernfragen sind oft, ob man Vertrauen in die Arbeiterklasse und die breiten Massen in Israel und Palästina hat und ob man die Perspektive des echten Sozialismus sieht.