Glosse
Gedanken zu Olaf Scholz's Bekenntnis: „Ja wir haben es übertrieben“
Ich lese gerade das neue Buch von Stefan Engel, Monika Gärtner-Engel und Gabi Fechtner, „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen!“. In der Lesepause höre ich im Radio nebenbei den Satz von Olaf Scholz: „Ja wir haben es übertrieben“.
Wer kennt das nicht, dass das eigene Gehirn spontan und willkürlich eine Verbindung zum gerade gelesenen oder erlebten herstellt. Und damit habe ich Scholz, der ja bekanntlich sich nicht an seine unterstützenden Rolle bei der Cum-Ex-Affäre erinnern kann, ein – ebenfalls bei ihm nicht gekanntes – selbstkritisches Bekenntnis angedichtet. Nämlich, dass „wir es übertrieben haben“, als Dienstleister der Monopole, die für ihre Profitmaximierung die natürlichen Lebensgrundlagen vernichten und damit Existenz der Menschheit aufs Spiel setzen.
Da Scholz Wert auf eine – wenn auch bedächtige und leise ausgesprochene – Beweisführung legt, führt er weiter aus: „Wir haben es übertrieben“, dass „der Pro-Kopf-Ausstoß in Deutschland mit 8,1 Millionen Tonnen immer noch höher als in den 35 Ländern mit dem geringsten CO2-Ausstoß zusammen“ ist. (S.352) Und „als wir .. von Januar 2021 an die CO2-Bepreisung eingeführt haben (von denen) mehr als 80 Prozent der Einnahmen ... 'in Programme des Wirtschafts- und Klimaministeriums … investiert werden', also in die Subventionierung der Kapitalisten. (Während das) 'im Jahr 2040 (das) für eine mittlere vierköpfige Stadt-Familie von heute an auf 20 Jahre gerechnet 15.300 Euro zusätzlich für die Gas-, 18.500 Euro für die Ölheizung und 12.600 Euro fürs Verbrennerauto.'“ bedeutet. (S.356)
Und ich „habe es übertrieben“ als ich die „rohstoffpolitische Zeitenwende“ vom Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BD) Siegfried Russwurm „nachplapperte“, der forderte: „So viel wie möglich Rohstoffförderung im eigenen Land, Abbau aller Gesetze und Regularien, die das einschränken, diversifizierte 'Rohstoffpartnerschaften mit zuverlässigen Partnern' in anderen Ländern, die in Wirklichkeit oft neokoloniale Ausbeutung bedeuten, erweiterte Beteiligung an Bergbauunternehmen in aller Welt, Bevorratung kritischer mineralischer Rohstoffe, massive staatliche Förderung von Investitionen und subventionierter Industriestrompreis.“ (S.383)
Doch plötzlich bemerke ich die Fehlschaltung meiner Synapsen. Denn Scholz sprach in Wirklichkeit: „Wir haben es mit der Bürokratie übertrieben!“ Damit versprach er den versammelten Monopolvertretern beim Arbeitgebertag, sich dafür einzusetzen, dass neben höherer Subventionen mit weniger sozialen und ökologischen Auflagen für Investitionen, weniger Rechte für Einsprüche und Klagen im Interesse des Umweltschutzes, die Kosten niedriger und die Gewinne höher werden sollen. Es ist also nicht „übertrieben“, dass damit die Umweltzerstörung, Verschwendung von Ressourcen, und Kriege um die Verfügbarkeit von Rohstoffen auf die Spitze getrieben werden soll. Deshalb ist es auch nicht übertrieben, daraus weitgehende Schlussfolgerungen zu ziehen, damit die Menschheit in einer sozialistischen Gesellschaft in Einheit mit der Umwelt überleben kann.