IG-Metall-Gewerkschaftstag

IG-Metall-Gewerkschaftstag

Brief von Reinhard Funk vom Zentralkomitee der MLPD an den Vorstand der IG Metall

In Kürze beginnt der 25. IG-Metall-Gewerkschaftstag. Reinhard Funk vom Zentralkomitee der MLPD hat bereits im Sommer, also weit im Vorfeld des Gewerkschaftstags, einen Brief an den IG-Metall-Vorstand geschickt. Bisher gibt es keine Antwort darauf. "Rote Fahne News" dokumentiert nun den Brief.

Liebe Christiane Benner,
lieber Jörg Hofmann

 

im Vorfeld des 26. Gewerkschaftstags der IG Metall wende ich mich heute aus aktuellem Anlass an Euch. Zunächst meine Gratulation an Christiane zur Nominierung als künftige Vorsitzende der IG Metall.

 

Ich beziehe mich auf meinen Briefwechsel mit dem Vorstand, er liegt einige Zeit zurück. Zuletzt hatte ich am 13.12.22 geschrieben, darauf aber keine Antwort mehr erhalten. Ich lege Euch den Brief nochmals bei.

 

Angesichts regionaler Umweltkatastrophen, von Kriegen und wachsender Aufrüstung, steigender Armut, Inflation und Reallohnverlust, sowie von verheerenden Zuständen im Bereich der Daseinsfürsorge und der gefährlichen Rechtsentwicklung bis zu faschistischen Regierungen mitten in Europa sind starke Gewerkschaften gefragt. Die in der IG Metall-Satzung verbrieften Ziele erhalten mit der entstandenen Situation brennende Aktualität und Dringlichkeit: Der Einsatz für Frieden und Abrüstung, für Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt wird mehr und mehr zu einer Überlebensfrage für die Menschheit! Und: Man kann wohl sagen, dass die Kapitalismuskritik selten so verbreitet war wie heute. Die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative, frei von kapitalistischer Logik und von Ausbeutung und Unterdrückung nimmt zu – auch in der Mitgliedschaft der IG Metall!

 

Darüber, welche grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen erforderlich sind, gehen die Meinungen freilich auseinander, auch in der IG Metall. Sicher ist, dass der wissenschaftliche Sozialismus zu den Wurzeln unserer Gewerkschaften gehört: Karl Marx und Friedrich Engels förderten Zeit ihres Lebens den Aufbau kämpferischer Gewerkschaften und revolutionärer Parteien, damit die Arbeiterbewegung ihre Ziele erreicht. Sie entwickelten den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft und prägten unter anderem den wissenschaftlichen Begriff der Diktatur des Proletariats, als das Ende von Ausbeutung und Unterdrückung durch die Herrschaft der Arbeiterklasse (Mehrheit) über die Ausbeuter und Kapitalisten (Minderheit).

 

Ist es da nicht absurd, dass unter anderem die Verwendung genau dieses Begriffs heute dafür herhalten soll, in der IG Metall Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) zu begründen?

 

Wie uns inzwischen bekannt ist, wurde 2009 während des Vorsitzes von Berthold Huber ausgehend von der IG-Metall-Vorstandsabteilung 'Grundsatzfragen' eine nichtöffentliche Präsentation erstellt, um Gründe für diesen Unvereinbarkeitsbeschluss zurechtzulegen. Die Methode des Papiers ähnelt, ob gewollt oder nicht, in Machart und Argumentation leider den Pamphleten des deutschen Geheimdiensts, dem sogenannten Verfassungsschutz: So dienen als „Kronzeugen“ nicht nur zweifelhafte Geheimdienstler wie Rudolf Hüllen oder der Erfinder der inzwischen breit kritisierten reaktionären „Hufeisentheorie“ Eck-hard Jesse. Es werden dann auch Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, willkürlich und manipulativ interpretiert, um dann die MLPD mit Begriffen wie „Sekte“, „Säuberung“, „Verherrlichung von Mao und Stalin“, sogar zeitlos mit „Aufruf zum bewaffneten Kampf“ in Verbindung zu bringen.

 

So wird beispielsweise aus der völlig richtigen Feststellung, dass die MLPD der Arbeit in Großbetrieben und Gewerkschaften größte Bedeutung beimisst, eine „ ...Instrumentalisierung“ abgeleitet. Jegliche Beweise für gewerkschaftsschädigendes Verhalten bleiben die Autoren als auch die Verfechter der antikommunistischen Beschlüsse bis heute schuldig! Kritik an Klassenzusammenarbeits- und Stellvertreterpolitik zugunsten von Gewerkschaften als Kampforganisationen ist laut diesem Schubladen-Papier „Teufelswerk“. Dabei gibt es daran in Teilen der Gewerkschaften die Kritik und gibt es mehr und mehr Stimmen, die sich darauf besinnen und bekräftigen, dass die Gewerkschaften von jeher Kampforganisationen für Arbeiterrechte sind. Antikommunistisch herabgewürdigt wird auch, dass in der MLPD kritisch-selbstkritisch gearbeitet und darum gerungen wird, mit typischen kapitalistischen Einflüssen auf die Denk- und Lebensweise wie Egoismus, Karrierismus, Bevormundung usw. fertig zu werden.

 

Lieber Jörg, liebe Christiane, ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr als gestandene GewerkschafterInnen solche Methoden und Thesen unterstützt! Als MLPD sind wir stolz auf die selbstlose, aktive und positive Gewerkschaftsarbeit unserer Mitglieder und verteidigen die Überparteilichkeit der IG Metall auf antifaschistischer Grundlage entschieden! Letzteres erwarten wir auch von Anderen und von Euch. Obwohl wir deutlich Kritik beispielsweise an der SPD haben und uns ebenfalls Sorgen um die Überparteilichkeit machen, wenn sich wie auf IG-Metall-Gewerkschaftstagen oder am 1. Mai Vertreter der großen Berliner Parteien die Klinke in die Hand geben, maßen wir uns nicht an, uns in Statuten und parteiinterne Fragen dieser Parteien einzumischen. Über das Parteiprogramm der Grünen oder der SPD, in der Ihr aktiv seid, wird ja zu Recht auch nicht in der IG Metall gerichtet oder verhandelt. Wir treten ein für die Stärkung der Gewerkschaften und die gleichb-rechtigte Zusammenarbeit aller Gewerkschaftsmitglieder auf antifaschistischer Grundlage - unabhängig von Weltanschauung, Religion oder Parteibuch. Natürlich fordern und fördern wir auch die streitbare Diskussion in der IG Metall um die brennenden Zukunftsfragen, was gerade heute die Perspektive des wissenschaftlichen Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus einschließen muss!

 

Ihr kennt sicher selbst der MLPD zugerechnete Leute, die eine gute Gewerkschaftsarbeit machen – trotz oder eben, weil sie Marxisten-Leninisten sind. Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse sind ein undemokratisches Instrument und trauriges Relikt aus der antikommunistischen Mottenkiste. Sie verstoßen eklatant gegen den in der IG-Metall-Satzung festgeschriebenen Grundsatz der Einheitsgewerkschaft auf antifaschistischer Grundlage. Inzwischen nehmen Kritik und Unverständnis darüber unter IG-Metall-Mitgliedern bis in die Reihen hauptamtlicher Kolleginnen und Kollegen zu. Das zeigen zahlreiche Diskussionen in Betrieben und nicht zuletzt die uns bekannt gewordenen Anträge zur Abschaffung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse, die im Vorfeld des 26. Gewerkschaftstags an Delegiertenversammlungen in zahlreichen Geschäftsstellen in Ost und West gestellt wurden! Als letzte und einzige DGB-Gewerkschaft hält nur die IG Metall bis heute daran fest, Marxisten-Leninisten und Revolutionäre mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen zu bedrohen und teilweise auszuschließen. Das ist weder mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vereinbar, das Diskriminierung auch aufgrund der Weltanschauung ahndet, noch passt es zu IG Metall-eigenen Slogans von „Respekt!“ und „Ungebrochen solidarisch!“

 

Liebe Christiane, als designierte Vorsitzende giltst Du vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Frauen- und Migrantenarbeit als Streiterin gegen Diskriminierung und Verteidigerin insbesondere der Gleichberechtigung von Frauen. Es kann doch nicht in Deinem Sinne sein, wenn mit antikommunistischen Maßregelungen eine Einschüchterung all der Mitglieder betrieben wird, die sich mit dem wissenschaftlichen Sozialismus befassen, die die MLPD unterstützen oder einfach nur ihr zugerechnet werden. Man muss in der IG Metall natürlich kein Kommunist sein – aber eben auch kein Antikommunist!

 

Der Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die MLPD provoziert zudem eine gefährliche Spaltung, die wir nicht zulassen dürfen: Kräfte wie die AfD in Deutschland, Trump in den USA oder Le Pen und Orban in Europa sind aggressive Antikommunisten! Den Faschisten, diesen Todfeinden der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung müssen wir geschlossen entgegentreten. Wir leben in einer Zeit, in der die Rechtsentwicklung und Faschisierung in Europa und leider auch in Deutschland die Verteidigung der Einheit in unseren Gewerkschaften auf antifaschistischer Grundlage als hohes Gut so bedeutend macht! Völlig zu Recht zog die 'metall'-Zeitung im Mai 2023 aus der Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Hitler-Faschisten folgendes Fazit: „Die wichtigste Lehre aus dem 2. Mai 1933 können die Gewerkschaften erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges ziehen: Sie überwinden die weltanschauliche Spaltung der Arbeiterbewegung und schaffen die Einheitsgewerkschaft, wie wir sie heute kennen!“ (metall-Zeitung Mai/2023) Wenn wir die Lehren aus dem Hitlerfaschismus, nämlich die Bildung von Einheitsgewerkschaften ernst nehmen, müssen die Unvereinbarkeitsbeschlüsse endlich auch in der IG Metall vom Tisch!

 

In dem Zusammenhang verwahren wir uns übrigens dagegen, dass zur Begründung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse auf einzelnen Delegiertenversammlungen wie u.a. in Dresden doch tatsächlich eine Liste mit deutschen und ausländischen faschistoiden und faschistischen Gruppen/Parteien und der MLPD als einziger linker Partei präsentiert wurde. Dagegen solltet ihr einschreiten. Wird damit doch die von der IG Metall selbst kritisierte sogenannte Totalitarismustheorie hoffähig gemacht, Kommunisten und Faschisten auf eine Stufe gestellt – und das im 90. Jahr nach der Erstürmung der Gewerkschaftshäuser durch die Hitler-Faschisten und der Kasernierung von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaften in den Konzentrationslagern! Wir gehen davon aus, dass dies weder Eurem persönlichen Stil noch Eurer Einstellung entspricht und verlassen uns darauf, dass Ihr solchen Auswüchsen Einhalt gebietet.

 

Um zum Abschluss zu kommen – lieber Jörg, wir nehmen Dich beim Wort: so hattest Du gesagt: „Der Radikalenerlass hat das innere Klima unserer Gesellschaft erheblich vergiftet. 50 Jahre danach sollte dieses Kapitel endlich im Sinne der Betroffenen abgeschlossen werden.“ In unserem Briefwechsel 2021 hatte ich damals schon die Begründung Deines Kollegen J. Berger kritisiert, der den antikommunistischen Radikalenerlass der SPD-geführten Bundesregierung unter Willy Brandt lapidar als „rechtswidriges Vorgehen staatlicher Behörden im Zusammenhang mit der sogenannten Regelüberprüfung von Beamtenanwärtern“ abtun wollte.

 

Damit, so schrieb ich damals, wird so getan, als ob es sich beim Radikalenerlass lediglich um eine formale Regelwidrigkeit und nicht um ein gezieltes politisches Instrument der Brandt-Regierung zur Unterdrückung demokratischer, sozialistischer und marxistisch-leninistischer Menschen gehandelt habe. Die Ein-schätzung des Kollegen Berger widerspricht klar dem Aufruf zur Beendigung der Berufsverbotspolitik, der klar zog, dass der Radikalenerlass „die Mitgliedschaft in legalen linken Parteien und Organisationen, oder um Kandidaturen für Parlamente“ ins Visier genommen hatte. Es war völlig richtig, dass ver.di und die GEW ihre Fehler im Umgang mit der damaligen Berufsverbotspolitik schon vor Jahren aufgearbeitet, sich bei den Betroffenen entschuldigt und sie rehabilitiert haben. Das muss jetzt endlich auch in der IG Metall passieren!

 

In diesem Sinne fordere ich Euch auf, meinen Brief ernsthaft und vorurteilsfrei zu überdenken und möchte Euch auch um eine Antwort bitten.

 

Liebe Christiane, lieber Jörg! Macht Euren Einfluss (nicht nur) auf dem kommenden Gewerkschaftstag geltend und setzt Euch ein für eine starke, fortschrittliche und überparteiliche IG Metall, für eine echte Einheitsgewerkschaft auf antifaschistischer Grundlage und dafür, dass der Antikommunismus keine Chance hat!

 

Lasst uns gemeinsam für eine starke IGM als Einheitsgewerk-schaft auf antifaschistischer Grundlage eintreten. Sie ist in diesen Zeiten gefragt.

 

Mit freundlichen und solidarischen Grüßen

 

Reinhard Funk