Berlin
Ver.di-Bundeskongress: Es gibt selbstbewusste und kämpferische Debatten
Seit Sonntag tagt der Ver.di-Bundeskongress in Berlin mit 1000 Delegierten. „Verdi erstreikt sich eine Eintrittswelle wie nie“, titelte die Stuttgarter Zeitung.
Die kämpferischen Tarifrunden 2023 haben offensichtlich bisher 140.000 Beschäftigte überzeugt, Mitglied in Ver.di zu werden. Gratulation! Frank Werneke wurde in dem Zusammenhang mit 92,47 Prozent der Stimmen wieder als ver.di-Vorsitzender und Lisette Hörig als neue Vorsitzende des ver.di-Gewerkschaftsrates gewählt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab bei seiner Rede zur Eröffnung des Kongress zunächst den „Gewerkschafter“. Er brachte es dabei fertig, vom Ausbau des Sozialstaats zu reden, während die sozialen Rechte in der Praxis unter seiner Führung von der Bundesregierung gerade regelrecht geschliffen werden. Noch mehr Widerspruch erzeugte aber seine Kritik an 30 mit Transparent gegen die Unterstützung der Ukraine bzw. der NATO protestierenden Friedensaktivisten. Es sei eine „zynische Aussage, jemandem, auf dessen Territorium die Panzer eines anderen Landes rollen, zu sagen, er solle verhandeln, statt sich zu verteidigen“. Auch wenn er durch seine Aufforderung an Putin, seine Truppen zurückzuziehen, Beifall bei einer Mehrheit der Delegierten fand, kündigte sich schon hier an, dass die Frage der Positionierung von ver.di zum Ukrainekrieg den Kongress von Anfang an umtreibt. Morgen findet dazu die Abstimmung des entsprechenden Leitantrags der Ver.di-Führung statt.
Der Montag begann mit dem Besuch von im Einzelhandel streikenden Kolleginnen und Kollegen, die rhythmisch beklatscht wurden. „Die rund fünf Millionen Beschäftigten im Handel befinden sich in einer der härtesten Tarifauseinandersetzungen in der Geschichte. In einer durch die Inflation existenzbedrohenden Situation warten wir teilweise schon seit 17 Monaten auf eine Lohn- und Gehaltserhöhung.“, so einer der Streikenden.
In der Aussprache gab es wichtige kämpferische und kritische Beiträge. Eine Kollegin hob hervor, dass es Anfang des Jahres super Tarifrunden im öffentlichen Dienst und bei der Post gab. Sie sprach von Enttäuschung über die Hundertachtzig-Gradwende der ver.di-Führung, die mit der Begründung, die Kampfkraft hätte nicht ausgereicht, einem faulen Kompromiss zustimmte. „Ich sage: Die Kampfkraft der Kolleginnen und Kollegen hat ausgereicht und wurde einfach nicht weiter eingesetzt (Beifall)“. Ein Kollege kritisiert die Antragskommission, die ihren Antrag für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich mit dem Geschäftsbericht als erledigt behandelt.
In einem Beitrag werden grundsätzliche Fragen aufgeworfen: „Müssen wir nicht tiefer in die Ursachen dieser vielen Krisen eindringen? Dazu im Geschäftsbericht auf Seite 25: 'Die Folgen des Klimawandels gefährden die Ressource Wasser.' Ja, und nicht nur das: Inzwischen ist eine Reihe überschrittener Kipppunkte, wie die Gletscherschmelze und das Auftauen der Permafrostböden, bereits irreversibel. … Das ist der Beginn einer Umweltkatastrophe. Die Existenz der gesamten Menschheit ist gefährdet. (Beifall) …. Wir sollten uns auf die sozialistischen Wurzeln der Gewerkschaftsbewegung besinnen und eine vorbehaltlose Diskussion auch über gesellschaftliche Alternativen wie den Sozialismus führen."
Siehe auch das Flugblatt: "MLPD-Vorsitzende grüßt ver.di-Bundeskongress"