Ungeprüfte Behauptungen als abgesicherte Erkenntnisse dargestellt
Die unseriösen Methoden des Rudolf van Hüllen
„Er ist bekannt für seinen besonderen Hass auf die MLPD und seine nachweislich unwissenschaftlichen Methoden“, heißt es zu Recht in dem "Rote-Fahne-News"-Artikel vom 25.08.23 über die skandalöse Einladung von Rudolf van Hüllen als Referent zu einem IG-Metall-Vertrauensleuteseminar bei Ford in Köln.
Es lohnt sich, diese unwissenschaftlichen Methoden anhand einiger Beispiele genauer unter die Lupe zu nehmen.
Van Hüllen war bekanntermaßen von 1987 bis 2006 Referent und Referatsleiter in den Abteilungen „Linksextremismus“ und „Linksterrorismus“ beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Danach war er Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen und wird seitdem als Autor und Referent auf Veranstaltungen unter der Bezeichnung „Extremismusforscher“ herumgereicht, vor allem von reaktionären parteinahen Stiftungen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) oder der Hanns-Seidel-Stiftung (CSU). Aber auch die dem Bundesinnenministerium unterstehende „Bundeszentrale für politische Bildung“ greift regelmäßig auf seine „Erkenntnisse“ zurück. Sein antikommunistischer Hass gilt nicht nur der MLPD, sondern allen Bestrebungen, die er für „linksextremistisch“ hält, so z.B. der VVN-BdA oder Teilen der Linkspartei. So auch in seinem zusammen mit dem Politologen Harald Bergsdorf verfassten und 2011 vom Schöningh-Verlag veröffentlichten Buch „Linksextrem – Deutschlands unterschätzte Gefahr?“
In einem viel beachteten Zivilprozess klagte die MLPD, vertreten durch unsere Anwaltskanzlei, auf Unterlassung zahlreicher in diesem Buch aufgestellter verleumderischer Behauptungen. Vier davon wurden van Hüllen gerichtlich untersagt, weil es keinerlei Beweise dafür gab. Bezüglich der übrigen Verleumdungen wurde unsere Klage nur deshalb abgewiesen, weil das Landgericht Essen und das Oberlandesgericht Hamm sie nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als „Werturteile“ einstuften, die vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien [1].
Der Schöningh-Verlag nahm das Buch bereits nach dem erstinstanzlichen Urteil im April 2013 vom Markt, weil eine Überarbeitung sich nicht lohne [2]. Kein Wunder, denn es war wegen van Hüllens unseriöser Methoden auch bei bürgerlichen Politikwissenschaftlern unter Beschuss geraten. So wurde in dem Abschnitt über die Linkspartei u.a. behauptet, Rosa Luxemburg habe „die Weimarer Nationalversammlung verunglimpft“ und „gegen die Weimarer Republik bürgerkriegsähnliche Kämpfe geführt“. Tatsächlich war Rosa Luxemburg bereits tot, misshandelt und ermordet von einer faschistischen Soldateska, bevor am 19. Januar 1919 die Wahl zur Nationalversammlung stattfand, aus der die Weimarer Republik hervorging. In seinem Essay „Wie Geschichte verfälscht wird“ spottete der Politologe Prof. Arno Klönne treffend: „Würden SchülerInnen in einem gymnasialen Leistungskurs Geschichte … die historischen Umstände vor und um 1919 so darstellen, wie es die beiden Autoren tun, bekämen sie zu Recht ein 'mangelhaft' “ [3]
Bemerkenswerterweise gesteht van Hüllen seine durch und durch unwissenschaftlichen Methoden gegenüber dem „Linksextremismus“ selbst ein und versucht sie sogar noch zu rechtfertigen. In einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebenen Publikation schreibt er dazu wörtlich:
„Die schwache Datenlage und der unterentwickelte Forschungsstand lassen zwei methodische Vorgehensweisen unvermeidbar erscheinen. Zum einen muss auf die reichhaltigen Erkenntnisse aus der Präventionsarbeit gegen den Rechtsextremismus zurückgegriffen werden ... Zum zweiten wird man auf noch nicht durch empirische Erhebungen abgesicherte Erfahrungswerte und eher hermeneutisch erlangtes Wissen zurückgreifen müssen. Sie ergeben sich aus verständiger Interpretation des Verhaltens und … schriftlicher und mündlicher Bekundungen der Akteure des Linksextremismus. Nicht immer lassen sie sich in Quellen und Literatur nachweisen. Für den kritischen und an strenge wissenschaftliche Standards gewohnten Leser mag es deshalb bisweilen so erscheinen, als würden ungeprüfte und unüberprüfbare Behauptungen als abgesicherte Erkenntnisse dargestellt. Tatsächlich handelt es sich bei vielen Aussagen im folgenden Text auch eher um Arbeitshypothesen ...“ [4]
Fehlende Fakten und Quellen sind für den fanatischen Antikommunisten und „Extremismusforscher“ van Hüllen also kein Problem. Er nimmt sich dann einfach die Freiheit heraus, „hermeneutisch“ [5] vorzugehen, tatsächliche oder vermeintliche Erkenntnisse über den „Rechtsextremismus“ willkürlich auf linke Organisationen anzuwenden und „ungeprüfte und unüberprüfbare Behauptungen“ - die er als „Arbeitshypothesen“ bezeichnet – als gesicherte Erkenntnisse darzustellen. Das ist nichts anderes als wissenschaftlich verbrämte Demagogie. Faktisch reklamiert er damit für sich das Recht, von ihm als „linksextremistisch“ eingestufte Personen, Parteien und Organisationen beliebig verleumden zu dürfen.
Solche Leute und solche Methoden haben nach unserer Ansicht in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit nichts zu suchen!
Rechtsanwalt Frank Stierlin, Rechtsanwaltskanzlei Meister & Partner, Gelsenkirchen